Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 4/25 von Mathias Thomaschek, www.zweirad-online.de
Muss das wirklich noch sein?
Menschen tun seltsame Dinge, das ist ja nichts Neues. Manches wird zur Angewohnheit oder gar zur Tradition. Darüber nachgedacht habe ich neulich, als ich Sportler sah, die auf ihre Medaillen bissen – sicherlich wohl wissend, dass diese nicht aus Schokolade oder Gummi bestehen. Warum also diese ziemlich sinnfreie Handlung?
Und was hat das alles jetzt mit Motorradfahren zu tun? Auch hier machen wir sinnlose Dinge. Zum Beispiel die Grüßerei untereinander. Kaum kommt uns ein Einspurfahrzeug entgegen, zuckt die Linke reflexartig nach oben. Nur, um anschließend zu entscheiden: Zurückgegrüßt – guter Biker! Nicht gegrüßt? Depp!
Dabei stammt die Grüßerei noch aus einer Zeit, in der Motorradfahrer selten und ihre Zusammengehörigkeit erheblich größer war. Wenn da einer am Straßenrand stand, der erkennbar nicht zum Rauchen angehalten hatte, dann hielt man – und das war Ehrensache – an und fragte, ob man helfen könne. Heute interessiert oft nicht einmal die eingeschaltete Warnblinkanlage.
In einer fernen Zeit, in der ein Motorrad als Fortbewegungsmittel nicht mehr und als Sportgerät noch nicht anerkannt war, gab es ein paar Windgesichter, die sich auf hausbackenen BMW oder alten englischen und immer leicht ölenden Motorrädern, vielleicht auch ein paar Italienern die Szene aufteilten. Mopeds zählten damals schon nichts. Und werden deshalb heute auch nicht gegrüßt. Basta! Deshalb hat man Rollerfahrer genauso wenig zu grüßen wie 125er Piloten! Und ärgert sich, wenn einem die Linke doch rausgerutscht ist. Ist ja nicht immer ganz einfach, wenn die kleinen Biester wie richtige Bikes, und Roller wie große Reisedampfer aussehen.Damals, so denke ich, ergab das Grüßen noch einen Sinn.
Grüße ich aber heute nicht ständig jemanden, der mir entgegenkommt, mit dem ich aber nachher am Bikertreffpunkt keinen Satz wechseln werde? Weil er die falsche Marke fährt, die falschen Klamotten trägt, oder über die falsche Partei schwadroniert. Never!
Wo käme ich denn da hin, dann könnte ich auch gleich in der Fußgängerzone jeden grüßen, dessen Shirt die gleiche Farbe wie meins hat. Oder der eine Sonnenbrille trägt.
Weit käme ich bestimmt nicht, bis mich ein paar amtliche Herren freundlich, aber bestimmt fragen würden, ob ich denn alle Latten am Zaun hätte. Oder was für Zeuch ich geraucht habe.
Nur auf der Straße, da sind wir Biker immer noch die dicken Kumpel und grüßen, was das Zeug hält. Und das schon lange nicht mehr aus Überzeugung, sondern weil es schon immer so gemacht wird – und es außerdem sooo cool ist. Oder weil inzwischen der Reflex ganz tief drin steckt. Biker! Freiheit! Grüßen!
Narhallamarsch! Ich schweife ab.
Ich wollte dabei gar nicht gegen das Grüßen wettern. Wir leben schließlich in einem freien Land, hier kann jeder beim Motorradfahren mit seinen Händen anstellen, was er will.
Andererseits konnte ich auch schon Zeitgenossen erleben, die sich durch die Permanentwinkerei in Situationen gebracht haben, aus denen sie danach nur mit viel Glück wieder sturzfrei rauskamen.
Weil beide Hände am Lenker und der Blick auf die eigene Fahrbahn manchmal gar nicht so verkehrt sind.
In diesem Sinn: Genießt die Saison und ärgert euch nicht, wenn euch einer mal nicht (zurück)grüßt.
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Kommentare
6 Kommentare zu “Editorial 4/25 – Die linke zum Gruß!?”
Gestern waren wir mit sieben Mopeds auf einer 300km-Runde durch den Sauwald und Niederbayern unterwegs, ich als Guide mit 125PS schon fast untermotorisiert 😊
War wenig bis garnichts los auf den von mir bevorzugten Strecken, nur die Sauwaldstraße war natürlich gut bevölkert von Einspurern aller Arten.
Ich grüße schon immer wenns von meiner Fahrsituation her passt, und wenn nicht allzuviel los ist, auch Roller oder 125er, und wenn eine Horde Simsons daherkommt bekommen die auch den Daumen nach oben, genau so wie das Rudel vollgepackter Vespas in den Dolomiten oder das hoffnungslos überladene Mofa eines jungen Weltreisenden, da klatsche ich schon mal mit den Händen oder er bekommt zwei Daumen nach oben.
Warum mache ich das?
Als alter Haudegen kann ich mich immer noch in die jungen Wilden hineinversetzen, weiß noch wie gefährlich der Weg zur 40km entfernten Disco mit einer 50er Hercules war oder vollgepackt runter zum Gardasee, der gelbe Schal immer dabei, einmal sogar als Abschleppseil missbraucht (nicht sehr lange).
Wie haben uns gefreut wie frisch panierte Schnitzel wenn einer von einer CB oder Z1 ‚heruntergewunken‘ hat,
Nur dass wir uns recht verstehen: ich als Rentner trauere nicht den alten Zeiten nach, ich erinnere mich nur gerne, sorgt stets für einen Smile weil ich weiß wie ich selber in jungen Jahren drauf war.
Deshalb bin ich mir auch nicht zu schade ach mal das Gespräch zu suchen mit jungen Leuten die einen ungläubig anstarren wenn man erzählt dass damals 100PS eine unfassbare Leistung darstellte und einer der jungen 125er Piloten mit diebischen Grinsen zugibt ‚ich hab weit über 20…‘ während ich seine kettenfettgepflegten Hände registriere.
Ja, diese Leute werde ich immer grüßen, vll. sitzt er ein paar Jahre später auf einer R1 und überholt mich in der Rechtskurve außen, wer weiß das schon.
Auch dann werde ich noch grinsen 😋
Ach ja: eine Diskussion zum Thema ‚dLzG‘?
never ever.
Danke, sehe ich auch so.
Zudem: wenn einer der Gegrüßten den Gruß hinterfragt, weil er es nicht tut, sich wieder daran erinnert und dem nächsten der liegen geblieben ist hilft hat der Gruß Sinn gemacht.
Allerdings hat der Autor auch nicht ganz unrecht.
Viele, die meisten?, Moppedfahrer sind nicht wie Du und ich über die Notwendigkeit auf 2 Räder mit Motor aufgestiegen. Für immer mehr ist es Freizeitspaß, manche nutzen es als Alternative zum Auto, will sagen, es ist eines von vielen Dingen im Leben. Die kämen nie auf die Idee an Sylvester an‘s Nordkap zu fahren oder mal eben nach Mailand zum Espresso oder solche Dinge. Die hatten noch nie ein zugeschneites und zugefrorenes Visier.
Dafür kann man Moppeds heute mieten und leasen, statt helfender Biler gibt es heute bikende Helfer, Schutzbriefe usw.
Die Zeiten haben sich geändert, heute werden viele Entscheidungen nicht wegen Notwendigkeit (da steckt ja auch das Wort Not drin) getroffen sondern aus Neugier, weil es Trend ist oder weil man kann.
Ich grüße trotzdem weiterhin alles was 2 Räder, einen Motor hat (egal ob E-, Verbrenner-Dampf-oder Fusions- Antrieb) und freue mich über den schraubenden Nachwuchs.
Und wenn es mir zuviel wird lass ich es auch mal, 🤷♂️
Der Artikel ist so überflüssig wie ein Kropf. Mittlerweile wird aber auch alles und jedes untersucht, beäugt und bewertet. Dabei ist nichts so harmlos und nett gemeint wie nun einmal das gegenseitige Grüßen.
Wenn ich darüber nachdenke, eigentlich ganz schön, in einer realen Welt, während man in der virtuellen Welt der Social Media kaum noch gegrüßt wird.
Ich werde gern gegrüßt und ich grüße gerne auch zurück.
Der Artikel ist nicht überflüssig, denn er hat Dich und mich angeregt darüber nachzudenken, wenn vllt auch nur kurz, und Dich und mich und andere dazu gebracht ein paar Zeilen zu schreiben.
Der Rest ist auf den Punkt gebracht, Danke!
Moin! Der Artkel hat mir schon gefallen, aber der Anfang zeigt Unwissen, warum man auf Goldmedaillen beißt. In der Vergangenheit wurde auf Goldmünzen gebissen, um festzustellen, ob das Gold echt ist. Fa es wi relativ weiches Material ist, erkennt man den Zahnabdruck. Das hat sich als Brauch bei Sportlern so über die Zeit gerettet. Also
mitnichten eine ziemlich sinnfreie Handlung.
Aber ansonszen: Ich werde mein Grüßverhalten prüfen.
LG Heinz
Wenn dann allerdings in Silber und Bronze gebissen wird …