Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 2/23 von Mathias Thomaschek, www.zweirad-online.de

Früher war mehr Reparatur

Mathias ThomaschekMal Hand aufs Herz: Wann bist du als Motorradfahrer das letzte Mal auf offener Strecke gestrandet? Du hast fieberhaft im Bordwerkzeug nach dem passenden Schlüssel gesucht. Um etwas zu demontieren, weil du den Grund deiner Panne darunter oder dahinter vermutet hast. 

 Mal vorausgesetzt, du bist nicht mit einem Oldtimer aus den Fünfzigern des vorigen Jahrhunderts oder noch älter unterwegs, hast brav alle Kundendienste an deinem Bike gemacht oder machen lassen. Und du gehörst nicht zur Sorte jener Verschlimmbesserer, die – mit nur rudimentären Technikkenntnissen ausgestattet – das Motorrad so lange zerlegen und anschließend wieder „im Prinzip“ zusammenschrauben, bis es irgendwann nicht mehr fährt. Weil eine von den inzwischen in einer Kiste aufbewahrten überzähligen Schrauben, Muttern, Haltern oder so komische kleine schwarze Kästchen mit Kabel für das Weiterleben des Bikes doch notwendig zu sein scheinen.

 Bist du nicht? Okay, dann nochmal die Frage: Wann bist du mit technischem Defekt zuletzt liegengeblieben? Plattfüße zählen nicht. Oder doch? Weil du kein Pannenspray dabei hattest. Oder die Zauberbox mit der Ahle und den Gumminupsis, die das per Spaxschraube gerissene Loch so wunderbar wieder verschließen können. 

Nein, ich meine echte Defekte. Motor geht während der Fahrt aus und springt nicht mehr an, zum Beispiel. Ist das jetzt der Supergau für dich – oder hast du irgendeinen Plan? Oder die Handynummer von jemandem, der jemanden kennt, der vielleicht eine Ahnung hat. Dann wenigstens hoffentlich eine Aufleseversicherung für Bike und Biker beim Vierbuchstabenclub. 

Kurzum: Nehme es heute als qualitativ hochwertigen Schicksalsschlag hin, wenn sich etwas verabschiedet hat, was du definitiv zur Weiterfahrt brauchst. Nicht einmal der gelbe Engel jenes Clubs wird dann aus einer seiner unzähligen Schubladen genau das passende Elektronik- oder sonstige Teil zaubern. Eine geschossene Sicherung zu ersetzen, hilft auch nur temporär, weil eine Sicherung heute nicht einfach mal aus Langeweile durchbrennt. Früher wurden solche Fälle rustikal mit Stanniolpapier aus der Zigarettenschachtel geflickt. Und anschließend gehofft, dass es einem danach nicht die ganze Kiste in voller Fahrt abfackelt. 

Was lernen wir daraus? Zum Glück sind Defekte an modernen Motorrädern extrem selten geworden. Und das ist gut so, weil sie unterwegs nicht nur schwer zu lokalisieren, sondern noch viel schwerer zu beheben sind, wenn man von einem losvibrierten Steckkontakt einmal absieht. Und nicht jeder hat einen Werkstatt-Tabletcomputer unter der Motorradjacke einstecken, um per Diagnosestecker … Würde eh nichts helfen, wenn du dann zwar weißt, dass Sensor Nr. 38 sein Leben ausgehaucht hat, du aber genau diesen Sensor jetzt gerade nicht einstecken hast. Falls du überhaupt weißt, wo Sensor 38 sitzt. 

 In diesem Zusammenhang las ich neulich in der MOTORRAD schmunzelnd den Hinweis, dass eine Schachtel mit diversen Seilen und Nippeln ins erweiterte Bordwerkzeug gehört. Mein aktuelles Motorrad hat einen digitalen Gasgriff, eine hydraulische Bremsleitung und dank DTC überhaupt keinen Kupplungszug mehr.

In diesem Sinn: Die Saison start in Kürze, kümmert euch rechtzeitig um einen Wartungstermin!