Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 10/24 von Marcus Lacroix
Bring es doch mal auf den Punkt …
Neulich plauderte ich mit einem Reporter unserer örtlichen Tageszeitung über das Kradblatt, Kradfahren, Katzen und diverse andere Themen. Er selbst ist kein Motorradfahrer und auf seine Frage „Wo liegt für dich der Reiz am Motorradfahren, wenn du es auf den Punkt bringst?“, hatte ich nach kurzem Zögern natürlich eine Antwort parat: „In der Fahrdynamik!“, da war ich mir sicher.
Aber Moment mal – direkt nach dem Antworten fiel mir meine 350er Royal Enfield ein. Deren 20 PS machen zwar jede Menge Spaß, von der Fahrdynamik meiner Energica EsseEsse9+ RS ist die Wanderdüne aber meilenweit entfernt. Und meine alte 2-Ventiler BMW ist jetzt auch nicht wirklich ein Temperamentsbolzen. Was ist es also, das mich nach 38 Jahren immer noch so sehr am Motorradfahren fasziniert? Ich komme echt ins Grübeln.
Die vielfach beschworene „Gemeinschaft der Motorradfahrer“ ist es eher nicht – dazu sind wir viel zu verschieden und fahren nur zufällig alle Motorrad. Auch wenn man über das Motorradfahren viele nette Menschen kennenlernt, fahre ich bevorzugt doch meistens alleine und kehre auch eher selten an klassischen Bikertreffs ein. Ich mag die pure Konzentration aufs Fahren.
Auch die in meinen Augen antiquierte Technik ist es nicht. Das mechanische Zusammenspiel der vielen bewegten Teile und das Rühren in einem Schaltgetriebe, um den Motor irgendwie bei Laune zu halten, hat für mich eher musealen als meditativen Charakter. Ich mag die Effizienz meines „Akkuschraubers“.
Und Freiheit? Bei all den Verkehrsregeln und Gesetzen? Nee, die kann es auch nicht sein. Für Easy Rider wurde ich wohl 10 Jahre zu spät geboren, zumal das Ende des verklärten Films wenig heroisch ist. Ich mag Reisefreiheit, die haben ich aber auch ohne Motorrad.
Also wie soll man den Reiz des Motorradfahrens auf den Punkt bringen? Warum liebe ich es nach all den Jahren immer noch so sehr, wenn ich den Kinngurt schließe, die Handschuhe überstreife, den Zündschlüssel rumdrehe und mit einem fahrphysikalisch eher fragwürdigem Fahrzeug vom Hof rolle?
Es ist wohl die intensive Teilnahme am Leben, wenn ich fahre. Alles ist in Bewegung, alles ist direkt – Temperatur, Gerüche, Bodenbeschaffenheit. Jede Aktion bringt eine unmittelbare Reaktion. Egal ob ich langsam zwischen Feldern dahintuckere oder flott unterwegs bin. Ich fahre, also bin ich. Schwer vorstellbar, dass das irgendwann aus alters- oder gesundheitlichen Gründen nicht mehr geht. Genießen wir die Zeit!
Zeit – das Stichwort, um den Bogen zum Saisonende zu schlagen. Für einige von uns geht mit der 10 unterm Bruchstrich die Saison 2024 im Oktober zu Ende. Kümmert euch rechtzeitig um Stellplätze! Viele Händler bieten noch dazu die Möglichkeit, die Maschine über den Winter fit für den Saisonstart zu machen. Inspektion, Reifen, Kettensatz oder auch Umbauten. Ihr wisst ja selbst, wie die Zeit rennt und wie ausgelastet die Werkstätten im Frühjahr sind.
Zeit macht sich auch in einem anderen Bereich bemerkbar – nicht nur wir Motorradfahrer werden älter, es gehen auch zunehmend Motorradhändler in Rente, ohne dass sie Nachfolger gefunden haben. Zum 30. November schließt nach 40 Jahren z.B. M•A•S in Wilster die Tore.
Nutzt eure Zeit, genießt den goldenen Oktober und kommentiert dieses Editorial gerne hier auf Kradblatt.de oder auf unserer Facebook-Seite – Wo liegt für euch der Reiz im Motorradfahren?
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