Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 8/18
von Mathias Thomaschek, www.zweirad-online.de
Damals war nicht alles schlechter – siehe Zeiger!
Ganz früher hatten Motorräder nur einen einfachen mechanischen Tachometer. Je nach Qualität und Abnutzung der Tachowelle zeigte dessen Zeiger mehr oder weniger ruhig an, was man so an Tempo drauf hatte. In den Siebzigern kamen Drehzahlmesser dazu. Deren roter Bereich war die letzte Mahnung, doch einen Gang höher zu schalten, falls es der grobmotorische und taube Gasgriffwürger nicht von selbst merkte. Drehzahlbegrenzer gab es noch keine, im Ernstfall schaute eben ein Pleuel aus dem zerdepperten Kurbelgehäuse oder ein abgerissenes Ventil im Brennraum vorbei. Spätestens jetzt ahnte der Fahrer: Das wird richtig teuer!
Dann kamen nicht nur die Digitaluhren, sondern auch digitale Tachometer in Mode. Erst bei den Autos, kurz darauf auch bei den Bikes. In den Autos verschwanden die ständig wechselnden Zahlen bald wieder, weil die Fahrer – wie bei einer Uhr mit ihren analogen Zeigern – durch einen schnellen Blick erfahren wollten, was die Stunde oder die Geschwindigkeit geschlagen hatte.
Heute finden sich digitale Tacho- und Drehzahlanzeigen nur noch in einigen exotischen Autos, oder als wegschaltbare Zweitanzeige für Detailverliebte. Und bei Motorrädern!
Ich persönlich hasse dieses Zahlenspiel und dazu den komischen Balken, der sich Drehzahlmesser nennt und beim Beschleunigen ständig wie ein Scheibenwischer auf Droge von links nach rechts und zurück rast.
Ich will meine Rundinstrumente zurück! Auch in modernen Motorrad-Modellen, denn in einem neuen TFT-Cockpit mit seinem hochauflösenden Bildschirm lässt sich auch ein Zeiger mit Ziffernblatt prima abbilden. Selbst unterschiedliche Designs könnte man locker auf Knopfdruck abrufen.
Warum tun wir uns eigentlich leichter mit Zeigern statt Zahlen? Ganz einfach: Wenn oben auf der Tachoskala 120 steht, dann weiß ich automatisch, dass alles rechts davon auf der Landstraße nicht mehr lustig, sondern teuer ist. Und in der Stadt ist waagrecht nach links so um die 50 km/h. Dazu muss ich keine Ziffern ablesen, sondern merke mir zwei Stellungen und bin damit für 90 Prozent meines Motorradlebens bestens versorgt.
Das Gleiche gilt für den Drehzahlmesser: Mir ist doch völlig egal, ob der Motor 21 Klötzchen oder 6298 Umdrehungen macht. Drehzahlzeiger bei 10 Uhr bedeutet: einen Gang runter, bei 3 Uhr einen rauf. Mehr brauche ich nicht, falls ich es nicht eh schon im Gefühl und Ohr habe.
Ihr digitalverliebten Cockpitdesigner in den Konstruktionsabteilungen: Fortschritt darf auch Rückschritt zu Bewährtem sein. Beglückt uns deshalb bitte wieder mit stinknormalen Zeigern. Je simpler und klarer die Botschaft – pardon, in eurer Sprache Message – rüberkommt, umso weniger lenkt sie den Blick von der Straße.
Zum Schluss noch ein Satz an alle Zeitgenossen, die Rettungsgassen zufahren, Sanitäter und Feuerwehrler beschimpfen und behindern oder Verletzte und Sterbende filmen: Für mich seid ihr einfach nur asozial! Ja, das meine ich wörtlich!
Passt zwar überhaupt nicht zum Zeigerthema, war mir aber seit langem ein Bedürfnis, es euch einmal klar und deutlich zu sagen.
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Kommentare
Ein Kommentar zu “Editorial 08/18 – Ich will meine Zeiger zurück …”
Mathias spricht mir mit seinen Editorial 08/18 voll und ganz aus dem Herzen. Meine Honda Deauville besitzt noch die guten Rundinstrumente mit übersichtlichen Zeigern. Auch darum behalte ich sie. Die Digitalewelt längt uns beim fahren ab, wieso kommen immer wieder Fahrzeuge von der Straße ab, oder geraten in den Gegenverkehr? Man fragt immer weniger danach, ob Neuentwicklungen Sinn machen. Verkaufen und Umsatz um jeden Preis darum geht es leider allzuoft. Nochmals Danke Mathias Gruß Sönke