Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 07/24 von Oliver Funke
Eine Geschichte zum Nachdenken

Jedes Mal wenn ich mit dem Bike unterwegs bin, setze ich mich gerne zu euch und in der Bikergemeinschaft fühle ich mich irgendwie Zuhause. Doch in letzter Zeit erlebe ich immer wieder, dass wir unsere Werte mehr und mehr verlieren.
Es entwickeln sich immer mehr Gruppen und der eine lästert über den anderen. Die Älteren wollen den Jüngeren keine Tipps mehr geben und akzeptieren sie auch noch gar nicht als Motorradfahrer, weil die sich ja selber erst mal auf die Nase legen sollen, bevor sie in der Gemeinschaft aufgenommen werden dürfen. Dabei kann man selten so viel Freude auslösen, als wenn die Älteren die Jungen grüßen. Bitte vergesst nicht, dass wir eine der wenigen Gemeinschaften sind, die diese Werte überhaupt noch haben. Wir grüßen uns, wir helfen einander, wir halten einfach zusammen – ODER IST ES ETWA NICHT SO?
Dazu hier für euch eine kleine fiktive Geschichte, die vielleicht zum Nachdenken anregt.
Jo und Andy fahren mit ihren Yamonda 1100 V4 die übliche 18.30 Uhr Abendrunde über den Pass. Wie jeden Abend überholen sie diese zwei 125er Fahrer. Kommunikation über Sena.
Jo: „Da sind diese beiden Spinner schon wieder, die mit ihren Blechbüchsen auf unserer Strecke rumkurven und die Linie versperren.“
Andy: „Ja, die haben sich letztens echt zum Biker Treff getraut. Einer hat mich gefragt, ob ich ihm Tipps geben kann, wie er besser auf dem Motorrad wird. Ich habe ihm geraten, mit möglichst viel Luftdruck das Knie in der Kurve raus zu halten … vielleicht sind wir sie dann endlich los … hahaha.“
So geht das Gespräch noch eine ganze Weile weiter.
Kurze Zeit später Stille im Gespräch. Jo zu Andy: „Hey, was ist los? Du sagst gar nichts!“ Andy wird langsamer und fängt an nach Luft zu ringen. Er kippt mit seiner Maschine völlig unvermittelt um.
Dennis und Ben fahren mit Ihren 125er wie jeden Abend von der Arbeit nach Hause. Kommunikation über Sena.
Dennis: „Hey Ben, da sind wieder die beiden mit den geilen Maschinen. Einer von beiden hat mir letztens sogar Tipps gegeben wie ich besser fahre.“
Ben: „Ja, nur leider grüßen sie uns noch immer nicht. Schade, ich würde mich so darüber freuen.“
Plötzlich tauchen vor ihnen die beiden Yamonda Fahrer auf, sie sehen einen am Boden liegen. Sofort springt Dennis vom Bike und schaut nach Andy. Die Situation hat er sofort erkannt, denn beide werden zu Rettungssanitätern ausgebildet. Er fängt an mit einer Herzmassage. Ben ruft den Rettungswagen.
Innerhalb kürzester Zeit liegt Andy auf der Intensivstation und kann gerettet werden. Dennis und Ben verdankt er nun sein Leben und seit dem Tag treffen sie sich regelmäßig und Andy und Jo bringen den beiden alles bei, was sie im Laufe der Jahre an Erfahrung gesammelt haben.
Nun meine Frage: Warum respektieren wir uns nicht ohne einen solchen Vorfall. Denn jeder, egal ob 1000er oder 125er, ist etwas Besonderes – und ein Biker.
Ich möchte niemanden bevormunden. Aber ich möchte, dass wir das, was wir über Jahrzehnte aufgebaut haben, nicht verlieren.
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Kommentare
Ein Kommentar zu “Editorial 07/24 – Wir sind doch ALLE Biker, oder?!”
Es wird ja gerne abgelästert, aber ich praktiziere diese Verbundenheit und habe sie erfahren. Nicht nur hier in Deutschland, sondern auch auf Fernreisen. Un saludo para mis Hermanns de las rutas