Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 6/20 von Marcus Lacroix
Die Diskussion um Motorrad-Lärm nimmt wieder Fahrt auf …
Während die letzten Wochen und Monate die Corona-Pandemie das bestimmende Thema war, wir Bundesbürger alle zu Virologen und besseren Politikern wurden, schlug Mitte Mai ein neues Thema wie eine Bombe ein – zumindest in der virtuellen Motorradfahrerwelt auf Facebook & Co. Was war geschehen?
Eigentlich ein alter Hut: Städte und Gemeinden wollen Verkehrslärm, in unserem Fall Motorradlärm, verringern. Ein berechtigtes Interesse haben speziell in Erholungsgebieten nicht nur Anwohner sondern auch Erholungssuchende. Leider findet man dort aber auch oft die schönsten Kurven, bekanntlich unsere bevorzugte Form der Erholung. Es prallen also zwei Welten aufeinander, oder?!
Der Bundesrat hat in seiner 989. Sitzung am 15. Mai 2020 verschiedene Maßnahmen zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm beschlossen. Die sind so natürlich noch kein Gesetz, bis dahin ist es ein langer Weg. Die Eingabe geht an die Bundesregierung und dann weiter an die EU-Ebene. 2012 hat der Bundesrat schon einmal einen Anlauf gestartet. Passiert ist nichts. Das wird auf Dauer aber sicherlich nicht so bleiben.
In dem Dokument („Drucksache 125/20“, siehe <hier>), stößt vor allem Punkt 7 der Motorradgemeinde bitter auf: „Der Bundesrat sieht dringenden Handlungsbedarf, für besondere Konfliktfälle Geschwindigkeitsbeschränkungen und zeitlich beschränkte Verkehrsverbote an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutzes zu ermöglichen.“
Daraus – bzw. aus den daraus resultierenden Clickbait-Überschriften – leiteten manche ein generelles Fahrverbot an Wochenden für Motorradfahrer ab und der Volkszorn (ok, Motorrad-Volk) brach sich in wüsten Kommentaren seine Bahn, bis hin zum „an die Wand stellen“ von „Merkel-V***e“ und „Grünem Abschaum“. Der etwas stärker reflektierende Leser sitzt fassungslos vorm Rechner und fragt sich, wen er da überhaupt bei seiner Motorrad-Tour so alles grüßt. Die mäßigenden oder gar nachdenklichen Stimmen werden von den Online-Wutbürgern niedergebrüllt.
Ein generelles Fahrverbot ist natürlich Blödsinn, mal abgesehen davon, dass diese Forderung gar nicht aufgestellt wurde sondern „besondere Konfliktfälle“ genannt werden. Das es dort (derzeit i.d.R. noch unfallbedingt) nicht so einfach zu rechtlich haltbaren Streckensperrungen kommt, beweisen Klagen u.a. des Bundesverband der Motorradfahrer e.V. (www.bvdm.de) immer wieder. Beim „Lärm“ wird es nicht anders laufen. Streckensperrungen in Erholungsgebieten sind übrigens jetzt schon möglich, lest mal §45 der STVO. Im neuen Vorstoß der Länder sollen Fahrzeuge mit alternativen Antrieben dabei ausgenommen werden.
Wie auch in vielen anderen Bereichen unserer sich immer weiter radikalisierenderen Gesellschaft fragt man sich, wie kommt man aus der Nummer raus? Gemeinsam! Eine eilends erstellte Online-Petition auf www.openpetition.de (siehe <hier>) hatte nach wenigen Tagen das Quorum von 50.000 Unterschriften bereits um das Doppelte überschritten. Die Angst in der Szene ist diesmal also groß, bisherige Petitionen verliefen meist im Sand.
Was mich persönlich dabei wurmt ist nicht nur das asoziale Verhalten mancher Motorradfahrer – jeder von uns kennt sicher mindestens einen, der auf dB-Killer und STVO scheißt – sondern auch die Ignoranz der Fahrzeughersteller. Bei manipulativer Diesel-Software gibts ein Riesengeschrei inkl. Sammelklagen, intelligente Klappensteuerungen an Motorrädern, die den Prüfzyklus austricksen und außerhalb für „Sound“ sorgen, werden aber gefeiert. Mal abgesehen davon, dass diese Steuerungen von so einigen Fahrern dann nachträglich auch noch außer Kraft gesetzt werden. Der Vorstoß des Bundesrates will u.a. auch Klappensteuerungen verbieten und Neumaschinen auf 80 dB Fahrgeräusch im normalen Fahrgeschehen reduzieren. Ja und? Das entspricht immer noch starkem Verkehr bzw. einem LKW, der ja nun auch nicht gerade leise ist. Ich habe mal in meinen Schein geschaut, meine beiden Honda haben 71 und 73 dB und keine Klappe, dem Fahrspaß tut das definitv keinen Abbruch.
Letztendlich haben wir vieles von dem was passiert und passieren wird selbst in der Hand. Weniger Egoismus und mehr Rücksichtnahme würden unserer Gesellschaft gut bekommen. Nicht nur in den Kommentaren auf Facebook und nicht nur beim Thema Motorradlärm. Wir Motorradfahrer sind nicht der Mittelpunkt der mobilen Welt, auch wenn manche von uns sich so verhalten. Ausbaden müssen dürfen wir das dann alle. Unterstützt den BVDM, der tut wenigstens was auf politischer und rechtlicher Ebene. Schaut euch auch mal die Aktion „Silent Rider“ an …
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Kommentare
6 Kommentare zu “Editorial 06/20 – Der Gegenwind wird stärker!”
Lieber Marcus,
ich bin bei diesem Editorial ganz bei dir. Die aktuelle Diskussion nimmt auch kein Ende. Wir haben uns die Mühe gemacht, die Resonanz in allen unseren Medienbereichen auszuwerten und dürfen feststellen, dass die große Mehrheit der MotorradfahrerInnen durchaus sensibilisiert ist für die Anliegen von Anwohnern hoch frequentierter Motorradstrecken.
Drei Schritte könnten das Dilemma beenden, vielleicht helfen sie ja weiter in der Diskussion:
1. Der Gesetzgeber muss die Lücken schließen, die der aktuelle Testzyklus den Herstellern lässt.
2. Die Hersteller sollen auf Schummelklappen und zugehörige Software verzichten und stattdessen Motorräder bauen, mit denen wir auch in zehn Jahren noch Spaß haben können.
3. Wir als Käufer müssen zum einen klarmachen, dass wir genau das wollen, und zum anderen unsere eigene Gashand prüfen und ggfs. sozialverträglich justieren.
Gemeinsam Lösungen erarbeiten. Dann klappt’s auch in Zukunft noch mit dem Motorradspaß!
DLzG
Hier geht es den Protagonisten gar nicht um die wenigen Motorräder, die wirklich eindeutig zu laut sind – in der Summe aber insgesamt eine Minderheit darstellen.
Es geht in Wirklichkeit um einen politisch motivierten und daher ideologischen Kreuzzug gegen jegliche Art des Motorradfahrens. Die Lärmargumente sind nur vorgeschoben.
Scheinbar träumt eine kleine Gruppe weniger Dutzend angeblich Betroffener gegen Tausende Motorradfahrer/innen vom Diktat der Minderheit.
Ähnlich wie die knapp 400 Leute „starke“ DUH Millionen von Diesel-Fahrer/innen drangsalieren kann.
Lustig , an dieser Stelle finde ich das “ Sankt Florians Prinzip “ der Österreicher !
Verkaufen ,tun Sie Uns so eine Niegelnagelneue KTM Duke 890 ja gerne.
Aber Fahren dürfen Wir Sie dann beispielsweise nicht in Südtirol nach den neuesten dort geplanten Geräusch-Bestimmungen !
Südtirol ist Italien und hat nichts mit dem Thema zutun
bezüglich Lärmbegrenzung bin ich der selben Meinung. Aber silent rider schießt mit diversen anderen Forderungen deutlich übers Ziel hinaus.und kann von mir deshalb nicht unterstützt werden.
Gut geschrieben, Marcus. Leider werden es die, die Mitverursacher des Problems sind, bestimmt / leider nicht lesen oder denken sch… drauf. Wir haben bei unseren Endurotrainigs auch schon mal einen nicht mitgenommen, dessen Motorrad zu laut war. Die „schweigende“ Mehrheit leidet unter dem Egoismus einzelner – wie so oft. Recht hast Du aber in jedem Fall mit der „Ignoranz der Fahrzeughersteller“. Da sind nicht nur die Motorräder hubraum- und PS-stärker geworden, sonder auch lauter, wie leicht an der Fahrzeugentwicklung des größten deutschen Motorradherstellers nachzuverfolgen ist. Schade.