Ist man gleich ein Raser, wenn man in die Falle tappt? Differenziert wird da bei der Berichterstattung ja nicht. Gedanken zum Blitzmarathon …
Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 6/15
von Rainer Miehe
Bin ich ein Raser?
Ich muss ein Raser sein!
Mitte April war wieder Blitzmarathon. Insbesondere die Beschäftigten der Landkreise standen wieder verstärkt an den Stellen, an denen es garantiert nicht sehr gefährlich ist ein paar Kilometer mehr auf dem Tacho zu haben, aber ungeheuer lukrativ! Einnahmen zählen und nicht Unfallschwerpunkte. Aber das soll nicht mein Thema sein, denn zu der eigentlichen Zahl von 91.000 bundesweiten „Rasern“, die wieder zur Kasse gebeten worden sind, fehlt einer: Ich!
Beim Überholen eines Schleichers, der wahrscheinlich aus Angst vor Blitzern mit seinem PKW mit 60 auf der Bundesstraße unterwegs war, musste ich mit meinem Motorrad plötzlich einem aus der Feldausfahrt kommenden Trecker aus dem Weg gehen. Um überhaupt noch einen Unfall zu vermeiden, gab es nur eins: Gas und Flucht nach vorn!!! Dabei hatte ich sicherlich die erlaubten 100 km/h um mindestens satte 15 km/h überschritten. Wenn in dem Moment an dieser Stelle ein Blitzer gestanden hätte, wäre ich in der „Meldung der Medien und der Polizei“ auch offiziell als Raser enttarnt worden.
Aber ist das Raserei? Ist die Flucht nach vorn und die damit einhergehende Überschreitung Raserei? Ist das in Gedanken passierende Übersehen einer Geschwindigkeitsbegrenzung Raserei? Ist es Raserei, wenn völlig blödsinnige Geschwindigkeitsbegrenzungen erlassen werden und gefühlsbedingt ein viel höheres Tempo gefahrlos ist? Ein Beispiel dafür: Vor ca. 2 Jahren wurde damals bei Ganderkesee auf der A 28 in Richtung Oldenburg die Geschwindigkeit nicht reglementiert, obwohl die Autobahn doch erhebliche Schäden aufwies. Seit einer umfassenden Reparatur der Fahrbahn prangt dort ein stolzes Schild mit der Zahl 120!!! Was für ein Blödsinn! Vorher mit Straßenschäden ohne Limitierung – nach der Sanierung nun 120! Wenn ich dort mit Bauchgefühl fahren würde, wäre mein Tempo bei ca. 150 km/h. Das würde Punkte in der wunderschönen Stadt an der dänischen Grenze bedeuten.
Ich meine, das ist keine Raserei! Aber für die Medien und die entsprechenden Behörden klingt das ja so toll und rechtfertigt einen einnahmestarken Tag grandios.
Aber auch so waren die Auswirkungen des Blitzmarathons bemerkenswert. Verunsicherte, in den Bürgerkäfigen sitzende Damen und Herren, die mit 80 km/h angsterfüllt vor Blitzern auf der Landstraße unterwegs waren, oder erst die ältere Dame, die plötzlich bei Angesicht einer mobilen Blitzstelle – obwohl absolut innerhalb der Zulässigkeit der Geschwindigkeit – eine Vollbremsung macht und so fast ein nachfahrender Pkw einen Auffahrunfall verursacht.
Mich wundert auch, dass die Polizei mit riesigen Überstundenkontingenten diesen Blitzmarathon unterstützt. Die sind doch sonst eigentlich auch ganz vernünftig und jagen lieber Einbrechern und sonstigen Kriminellen hinterher, anstatt normale Bürger zur Kasse zu bitten. Und unsere Interessenvertretung, der ADAC, findet dieses Blitzen auf höchstem Niveau sogar noch sinnvoll!
Dabei wären Leistungs- und Tempolimits für Fahranfänger angezeigt. Motorradfahrer dürfen am Anfang nur mit 48 PS fahren und der Sohnemann vom Zahnarzt darf den Porsche nehmen. Das passt doch nicht! Zwingende Aufbaukurse für Führerscheininhaber im Rahmen eines Sicherheitstrainings, Unterfahrschutz an Leitplanken, die Reparatur unserer Endurostrecken auf öffentlichen Landstraßen usw. DAS würde etwas bringen, wie auch Präventionsinformationen in Discos über Alkohol und Unfälle wegen zu schnellem Fahren.
So bleibt die Dankbarkeit in Richtung der lieben Behörden für so einen erlebnisreichen Tag und die schönen Momente des Blitzmarathons. Und ich bin noch immer kein Raser!
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Kommentare
2 Kommentare zu “Editorial 06/15 – Ich muss ein Raser sein …”
Den Beitrag von Lothar muss ich beipflichten auch wenn das Thema Blitzmarathon nur einem dient, auch wenn es immer wieder schöngeredet wird. Es geht letztendlich nur darum die maroden Kassen der Gemeinden aufzupeppeln und den „Blitzgesellschaften“ die Daseinsberechtigung zu bestätigen. Auch ich bin kein Raser – man hat mich jetzt das erste mal nach 35 Jahren erwischt! Das Ganze nur aus Unachtsamkeit bzw. aus Verwirrung. Mitten im Ortsgebiet eine Strasse die wie eine Umgehungsstrasse wirkt, mit ca. 150m langen Abbiegespuren wie auf der Landstrasse.
Sollte es wirklich darum gehen, den Verkehrsteilnehmer für überhöhte Geschwindigkeiten zu sensibilisieren, so gibt es dazu auch andere, wirkunsvollere Methoden wie auf den Belag aufgemalte 50er Schilder oder sich verengende Pfeile oder gar leichte Rüttelstreifen. Aber man will sich den Ast ja nicht absägen, auf dem man grad selber sitzt….
Moin Frauen und Männer,
ich möchte nur fahren und mich freuen, einfach nur fahren. Dabei kann ich natürlich über alles Mögliche nachdenken und mich vielleicht auch ärgern, das ist aber verplemperte Lebenszeit.
Ich möchte gesund wieder nach Hause kommen und bin jedesmal tieftraurig wenn wieder einer von uns als Todesfall in der Zeitung steht. Ein einziger Toter ist zuviel! Die ganze Familie leidet, viele Menschen sind traurig.
Ich bin vor Jahren zufällig kurz vor Hoya gewesen, als gerade einer von uns auf der Gegenseite der Straße unter einen Pkw gerutscht und am Unfallort verstorben war. Die Stimmung war düster und sehr belastend. Da lag einer von uns in seiner Lederkombi blutend und tot auf der Straße, die Helfer versuchten alles in ihrer Macht stehende und konnten sein Leben nicht retten.
Jeder von uns bestimmt selbst, wie schnell er oder sie fahren. Jeder weiß, was auf den Straßen los ist und das es dort Regeln gibt, die auch gelegentlich überprüft werden. Wie jeder von uns mit diesen Regeln umgeht, liegt immer im eigenen Bereich. Da gibt es viele Wünsche und Anmerkungen, Kritiken und auch Gemecker.
Unter dem Strich bleibt nur eines: Jeder Tote im Verkehr ist einer zu viel und jeder von uns bestimmt selbst, ob er gesund nach Hause kommt.
Passt gut auf Euch auf, Lothar