Verkaufsanzeigen, in denen DAS Frauenmotorrad angepriesen wird – am besten noch von Männern geschrieben – tauchen immer wieder im Kradblatt auf. Anke hat was aus der Sicht einer Frau dazu zu sagen…

 

 

 

Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 6/14
von Anke Garnschröder, Kradblatt-Leserin

 

 

Frau über DAS Frauenmotorrad…

Anke-mit-Honda-CB1000Da steht es wieder in der Anzeige: „… ein tolles Frauen- und Anfängermotorrad.“ Was ist DAS Frauenmotorrad eigentlich? Klein, handlich, leicht? Mitnichten!

Ein großer Teil von uns fahrenden Frauen könnte das etwas anders sehen. Das Motorrad sollte z.B. gut aussehen, uns aber noch besser aussehen lassen. Es darf also nicht allzu zierlich sein, das tut unserer Figur nicht gut. Wenn du dich mal richtig gut fühlen willst, setz dich auf eine Rocket oder GoldWing. Du hast noch nie so schnell und mit so wenig Mühe augenscheinlich mindestens 2 Kleidergrößen verloren – leider hält der Anschein auch nicht länger als diesen Augenblick.

Die Sitzhöhe sollte uns nicht zu Spitzentänzerinnen mutieren lassen, der sterbende Schwan bei der erstbesten Bodenwelle ist meist nicht so graziös. Als Selbstfahrerinnen brauchen wir wenigstens keine GS-Sozia-Balletttauglichkeit mehr zu demonstrieren. Wie kommen die Herren der Schöpfung nur immer wieder auf die Idee, die Fußraste könnte beim Aufsteigen abbrechen?

Vermutlich überrascht es auch niemanden, dass die gemeine Fahrerin kein Drehzahljunkie ist, weshalb der Motor gerne etwas hubraumstärker ausfallen darf. Schließlich haben auch wir gerne mal etwas Kräftiges zwischen den Beinen. Die Möglichkeit des schaltfaulen Dahingleitens harmoniert zudem ziemlich gut mit der weiblichen Neugier, schließlich wollen wir die Muße haben zu sehen, was um uns herum los ist.
Hm, wenn ich jetzt so weitermache, bin ich beim Machomotorrad par excellence angelangt. Tiefe Sitzposition, auffallende Erscheinung, breiter Hinterreifen für schmale Taille – klingt doch irgendwie nach Harley-Davidson. Noch dazu vertragen sich die uns Frauen so eifrig nachgesagte Kurvenuntauglichkeit und die Trittbretter doch so gut. Die Kurve, die ich jetzt kriegen sollte, ist wohl ziemlich eng.

Die gelingt bei der Farbe: sonnengelb, korallenrot, himmelblau, südseetürkis, uni oder gemischt. Farben verbreiten Stimmungen – auch positive. Endlich weg vom lebenslustigen mausgrau, beschwingtem schwarz und heiterem ‚Altherren-nur-nicht-auffallen‘ Ton. Chrom ist in Ordnung, der glitzert so schön. Ein nettes Gesicht hat auch was, nicht nur hinter dem Visier. Motorradfahren macht Spaß. Die Maschine darf das ausdrücken und genauso strahlen wie ich. Mein Gesichtsausdruck spiegelt nämlich meine Gemütsverfassung wieder und nicht die Marke, die ich fahre. Böse blickende Streetfighter und zerklüftete Brutalos – mehr anmutig-kraftvolle Linie wäre schon nett.

Nun noch das Thema, mit dem wir Frauen beim anderen Geschlecht immer auf Unmut stoßen: das Gewicht. Angeblich spielt es laut Hersteller überhaupt keine Rolle mehr. So ganz kann ich das nach einem Tag Kurventraining nicht mehr glauben. Beim Bugsieren merke ich jedes Pfund mehr, bei mir und der Maschine. Jedes Mal zu überlegen, ob frau rückwärts schiebend aus der Parklücke wieder raus kommt, ist nervend. Von daher wäre eine Diät für viele Maschinen angebracht.

Damit wäre das Frauenmotorrad absolut präzise definiert: Exakt das, was uns gefällt und passt! Aber bei so genauen Vorstellungen ziemlich schwer zu finden ist und bestimmt nicht in einer Anzeige, die DAS Frauenmotorrad anpreist.

Für mich ist es übrigens die Honda CB 1300 SA: schöne Farben (rot/weiß), bequeme Sitzposition, herrlicher Motor, nettes Gesicht, kraftvolles Auftreten ohne Aufdringlichkeit und dazu macht sie alles, was ich von ihr verlange, nur besser. Was will ich mehr? Außer vielleicht… 50 kg weniger wären schon ganz nett…

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