Irgendwie „quietscht“ das alte Motorrad. Nimmt man WD40 oder kauft man sich ein Neues? Eine passende Ausrede ist gefragt …

Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 4/15
von Jörg „Jogi“ van Senden 

DIE Ausrede für ein neues Bike

JogiUnsere Honda CBF 600 macht in der letzten Zeit wunderliche Geräusche. Irgendwie quietscht sie. Das höre ich sogar noch unterm Integralhelm. Es ist nicht so ein Quietschen, wie beim Öffnen einer Tür, wenn etwas zu wenig Graphit im Scharnier hängt. Es ist mehr ein Ächzen und Stöhnen, immer dann, wenn man etwas auf der Maschine wippt, oder über eine Bodenwelle oder Gulli-Deckel rollt.

Das Geräusch erinnert mich an Omas Sofa, auf dem ich vor 40 Jahren so gerne rumgehopst bin. Damals hatten die Sofas noch richtige Federkerne. Ich hatte großes Vergnügen daran, im Gegensatz zu Oma. Quietschen ist somit ein Geräusch meiner Kindheit und mir gut vertraut und nicht über die Maße hinaus unheimlich. Aber an einem Motorrad? Deutet es nicht besorgniserregend auf nicht gut geschmierte Komponenten bewegter Teile hin? Ist dieses unheilige Geräusch nicht ein Fingerzeig auf vernichtende, metallische Abrasions-Vorgänge? Ich habe versucht die Schwere dieser Problematik meiner Frau zu erklären. Schließlich ist es ihre Schuld, da sie so an dieser alten Maschine hängt und sie auch nach sechs Jahren immer noch unter unserem Terrassenvordach vor sich hin oxidieren darf. Ich habe schon mehrfach versucht sie vom Kauf einer neuen Maschine zu überzeugen. Vergebens. Dabei hat sie bereits zugegeben selbst auch dieses Unheil verkündende Quietschen vernommen zu haben. Ja, nun geht es los mit den kleinen Krankheiten. Die Maschine kommt nun in das Alter, wo das eine oder andere Bauteil verschlissen ist und ersetzt werden möchte. Was das kostet! Aber auf diesem Ohr ist meine Frau völlig taub.

Folgen auf Quietschen nicht bald auch kostspielige, neue Kettensätze, Lenkkopflager, Auspuffkrümmer, Lamb­da­sonden, Katalysatoren und Dämpfer­elemente. Auch die Reifen sind mit ihren 3500 km Laufleistung nicht mehr ganz frisch, ebenso wie die Sitzbank, die nicht mehr so straff ist, wie in ihren ersten Tagen. Alte Mopeds brauchen wirklich viel Zuwendung. Nur mit putzen, waschen und polieren und schnell mal den Bock volltanken ist es nun nicht mehr getan.

Auch mein Kumpel Doc Tom konnte das Quietschen nicht sofort analysieren. Ich hoffte schon, er würde mir dazu raten die Honda aus dem Verkehr zu ziehen und vorsichtshalber stillzulegen. Angetrieben von dem Ehrgeiz nicht wie ein technisch ebenso unbegabter Voll-Honk wie ich unter den kritischen Blicken meiner Frau zu versagen, meinte er schließlich in wichtigem Ton, dass ich ihm doch bitte etwas Sprüh-Öl und eine Flasche Flensburger Pilsener aus dem Keller holen möge. Nach stundenlangen Wipp- und Schaukelübungen auf der Maschine, rotzte er mit fachmännischem Blick etwas Öl aus der WD40 Sprühdose in Richtung der hinteren zentralen Federbeinverstellung. Aber nicht zu viel, das Zeug kostet ja auch Geld. Plopp! Das darf man nicht vergessen. Aus, vorbei, kein Quietschen mehr! Vorläufig …
Aber wie schnell kommen solche Maleschen wieder, wenn sie erst mal angefangen haben. Wie bringe ich das nun meiner Frau bei? Vielleicht so: „Es ist ein Privileg der letzten noch hart arbeitenden Menschen in Deutschland, der bürgerlichen Mittelschicht mit gutem Einkommen, das wir uns verdient haben!“. So oder so ähnlich. Quietschende und in die Jahre gekommene Motorräder repräsentieren uns einfach nicht.
Jörg „Jogi“ van Senden

Anmerk. d. Red.: Jogi hat vor ein paar Tagen seine nagelneue Honda CBR 650 F zugelassen. Zinsen gibt es bei der Bank ja eh keine mehr, da macht das Kaufen doppelt Spaß …

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