Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 2/20 von Marcus Lacroix
Die Crux mit der Corporate Identity…
Entscheidungen von Marktentwicklungsabteilungen versteht man als Kunde oft nicht. Motorradmarken, die als Beiwerk in Autohäusern oder bei Fahrradhändlern auftauchen oder langjährige Vertragshändler, denen die Verträge gekündigt werden, sorgen für irritierte Gesichter. Ist Kontinuität und Qualität langfristig betrachtet nicht wichtiger und erfolgreicher?
Wie der eine oder andere Leser sicher schon bemerkt hat, ist z. B. die Yamaha- Gemeinschaftsanzeige im Kradblatt geschrumpft, Husqvarna-Händler muss man mittlerweile suchen, der Weg zum KTM- oder Triumph-Dealer ist auch für einige angewachsen. Die Szene ist in Bewegung, alles wird schicker, eleganter, moderner aber auch besser?
Was mir persönlich dabei nicht gefällt ist, dass Vieles immer austauschbarer wird. Das mag aus Sicht der Marken-Strategen durchaus so gewollt sein. Ein Big Mac-Fan soll sich ja auch in jeder McD-Filiale gleich zurechtfinden. Und bei Marken-Autohäusern ist der uniforme Look ebenfalls schon länger im Trend.
Aber Motorräder, die sind etwas Persönliches, die konsumiert man nicht einfach so wie einen Burger. „Seinen“ Händler besucht man nicht nur aufgrund der Serviceintervalle öfter als ein Autohaus. Ein Motorradladen lebt von der Persönlichkeit der Betreiber, der Individualität, das wirft man doch als Hersteller/Importeur nicht einfach so weg, nur weil jemand die neue Schickimicki-CI (Corporate Identity = Erscheinungsbild des Unternehmens) nicht umsetzen kann oder will, oder?! Klar, ein (Marken-) Motorradladen muss ordentlich aussehen, Hinterhofvertretungen sind nicht mehr zeitgemäß. Aber müssen sie deshalb alle gleich aussehen? Wie Burgerbräterfilialen? Einheitsbrei?
Hört man Händlern zu, was für Vorgaben und Vorstellungen manche Marken haben, dann wundert man sich nicht mehr über fehlendes Engagement und fehlende Betriebsnachfolger. Ich ziehe meinen Helm vor jedem Vertragshändler, der den Mut hat, hier zu investieren. Wer weiß denn schon, ob nicht evtl. in ein paar Jahren ein paar neue Markenstrategen eine neue CI entwickeln, die man umsetzen soll? Dass die fetten Jahre der Motorradszene nicht durch schicke Regalsysteme und einheitliche Fliesenböden wiederkommen, muss doch auch den Planern klar sein. Aber die Szene braucht diese mutigen Händler, denn was kommt denn, wenn immer mehr aufgeben? Immer größer werdende Vertragsgebiete erfordern immer weitere Wege zum Marken-Service. Damit die Kunden das mitmachen, müssten die Hersteller aber schon herausragende Produkte anbieten. Die normale Mittelklasse ist jedoch ziemlich austauschbar, da braucht es keine Markenbrille, die funktionieren alle gut.
Oder läuft es darauf hinaus, dass wir unsere Motorräder nur noch im Internet zusammenklicken und in einem x-hundert Kilometer entfernten Showroom abholen?
Es ist ein Dilemma – weniger, aber dafür starke Händler, sollen genug Fahrzeuge verkaufen können, damit auch was in der Kasse bleibt, Kunden wollen hingegen möglichst heimatnahen Service.
Servicestützpunkte ohne Fahrzeugverkauf wären evtl. eine Lösung. Dann gäbe es große exklusive Werks-Verkaufsstätten mit vielen Vorführern und Beratung und reine zertifizierte Werkstattbetriebe. Und diese Werkstätten könnten dann die Service-Vertretung für mehrere Marken übernehmen und sich voll darauf konzentrieren. Das würde aber ein Weiterdenken und die Zusammenarbeit verschiedener Marken erfordern und bleibt wohl (m)ein Traum. Wenn von Händlern jetzt schon getrennte Räumlichkeiten bei Übernahme zweier Marken gefordert werden, stelle man sich mal eine Multibrand-Werkstatt vor.
Es bleibt auf jeden Fall spannend, schließlich steht oder fällt auch das Kradblatt mit den Händlern …
—
Kommentare
5 Kommentare zu “Editorial 02/20 – CI-Stress. Was wird aus kleineren Händlern?”
Noch mehr bewundere ich den Mut in manche Marken zu investieren.
An meiner 690er Duke IV gab es doch einiges an Gewährleistung zu erledigen. Da hat der Händler sicher wenig bis nichts daran verdient und wenn ich sehe, was an der Beta alles aufgearbeitet werden musste, kann ich verstehen, dass der Händler sich nur noch sehr restriktiv neue Modelle in die Auslage stellt.
Ein anderer wichtiger Punkt ist das verfügbare Angebot selbst. Wenn der Preis bei Mobile oder anderen Plattformen noch 5 % unter dem normalen Händler EK liegt, dann dann wird es eng für die „kleine“ Werkstatt vor Ort.
Ich habe ja hier noch das große Glück im Umkreis von 50 km fast jedes Motorrad kaufen zu können und für ein paar Scheine mehr kauf ich auch lieber vor Ort, wo man sich kennt.
Aber wenn man wie bei meiner 2. Montesa auf 7,5 k€ man 1200€ sparen kann, dann setzt das auch Grenzen.
Ich denke da muß man ein bißchen unterscheiden. Flagship-Stores wird es in den Ballungsräumen mehr und mehr geben, das werden die wichtigen Hersteller sich nicht nehmen lassen.
Oder Hersteller werden dann eben Händler animieren oder suchen mit denen sie solche Konzepte umsetzen können. Gefährlich ist dort dann nur die totale Abhängigkeit vom Hersteller, wenn der dich kündigt bis du als Händler weg vom Fenster, und sitzt auf den Ersatzteilen, den Spezialwerkzeugen, dem Design usw.
Ein mittelgroßer Händler, der genügend Stückzahlen absetzen kann, um eine vernünftige Modellpräsentation zu stemmen und Vorführer zu halten, der kann doch auch in Zukunft gut leben. Ob dann der Haupthersteller noch eine Abrundung im Portfolio duldet, das entscheidet sich dann wohl eher vor Ort. Wer da mit wem harmoniert oder was gar nicht geht, das wird man sehen.
Gefährlich wird es doch nur für Gemischtwarenläden mit zwei oder sogar drei Marken von den vier existierenden Japanern, das dürfte in Zukunft ins Auge gehen. Oder BMW und KTM unter einem Dach, das kann ich mir langfristig nicht vorstellen.
Und dann werden sich ja bei Händlern die ein größeres Brand verlieren auch wieder Lücken auftun und Außenseitern Einstiegschancen zu bieten. SWM, Moto Morini, CF Moto – ich denke die Chinesen haben ja kein Geld ausgegeben, um es nicht in Deutschland zu versuchen.
Reine Schrauberbuden, wie willst du da überleben, mehr und mehr Elektronik, ist da der Diagnosezugang auch in fünf Jahren noch möglich? Wie willst du da an Ersatzteilen Geld verdienen? An welche Teile kommt man überhaupt noch ran? O.k., gute Schrauber verdienen dann noch ihren Lebensunterhalt, aber große Sprünge machst du da nicht. Und der Handel mit gebrauchten Motorrädern ist doch mit Mainstreamware auch kein Geschäft mehr, wo du am Abend die dicken Scheine durchzählst. Vielleicht eher in Kombination mit Events, einem Endurospielplatz, einem italienischen Lokal als Italospezialist, vielleicht Klamotten dazu bzw. diesen Bereich ausbauen – Sondermaße oder Maßfertigung mit Reparatur, sowas könnte schon gehen.
Ich bring meine Kawasaki zu einer kleinen Werkstatt die nicht markengebunden ist gute Arbeit zu vernünftigen Preisen abliefert und gut berät auch ist das in der Nähe.
Auf diese Art werden die freien Schrauber vielleicht eine Renaissance erleben.
Moderatere Preise bei individuellem Service haben ja auch etwas.
Es könnte sich ja ergeben das man nur noch zum Neukauf und für Garantiefälle zum Markenhändler geht und den Rest dann regional erledigen lässt.
So lange mein „kleiner“ Händler mit eigener Werkstatt noch nicht aufgibt (er ist auch nicht mehr der Jüngste), gibt es für mich keine Alternative. Und danach? Ich hoffe, dass meine V-Strom mich noch viele Jahre lang tragen wird. Also geht die Werkstatt, gerne auch für mehrere Marken, vor.