Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 2/18
von Holger Janke (www.Bikers-Helpline.de)

Winterzeit ist Messezeit …

Ich schlängele mich lieber durch die prallgefüllten Hallen, als im frostigen Verkehr zu erfrieren. „Wie ein großes Familienfest“, sagt meine Frau, ein buntes Treiben und überall Gespräche. Ich fokussiere hauptsächlich die Motorräder und freue mich, wenn ich die neuen Ankündigungen aus der Presse endlich im Original sehen kann. Verschiedene Sichtweisen. Deshalb soll ich lieber allein zur Messe fahren. „Dann hast Du Zeit nur für Dich!“,sagt meine weise Frau. Ist doch schön, wenn man sich in der Familie so gut versteht.

Wegen Royal Enfield würde sie sogar noch mal mitkommen. „Old style“ mag sie! (Deshalb, glaube ich, ist sie mit mir noch zusammen: Ewige Werte, Funktion ohne Schnickschnack und „used look“.) Hätte man auch nicht gedacht, dass die Kolonialzeiten uns heute diese modernen Oldtimer garantieren? Und jetzt haben die Inder in England sogar noch ein Entwicklungszentrum eingerichtet. Ist doch klasse, wenn die Ur-Enkel der alten Oma unter die Arme greifen! Wahrscheinlich sucht BMW deshalb auch die Zusammenarbeit mit den Indern. So entstehen Familienbande, die in Asien noch von gesellschaftlichem Wert sind. Sollte in Zukunft die deutsche Mutter mal kränkeln, kann man doch zumindest auf die Hilfe der indischen Familienmitglieder hoffen. Hier im Lande sieht es ja nicht so gut mit der Familienzusammengehörigkeit aus, wenn man in die eigene Familie, in die Konzerne oder in die politische Großfamilie Europa schaut.

Auch bei KTM wechseln die Zeiten. Orange ist vorbei, denn jetzt gibt es den bewährten großen Einzylinder auch in weiß-blau-gelb als Husqvarna. Klingt nach schwedischer Wildnis, kommt allerdings aus den Alpen. Über die Qualitäten dieses Racers sind sich alle einig – was sich auch in den Verkaufszahlen widerspiegelt. Husqvarna ist viel herumgekommen: Schweden, Italien, Deutschland und jetzt Österreich. „Eins, zwei, drei im Sauseschritt läuft die Zeit, wir laufen mit.“ schrieb schon Wilhelm Busch.

Ähnlich wie Husqvarna kommt Kawasaki aus dem Waffengeschäft. Heute gestaltet sich die Produktion ziviler, obwohl die neue Z 900 RS wie eine Bombe einschlagen dürfte. Der Traum der Schulzeit steht zum Verkauf und ich habe diesmal die Kohle, um diesen Traum zu verwirklichen. Manchmal bietet die Zeit ein zweite Chance – und mir die Möglichkeit, die Zeit der Jugend noch einmal zu erleben. Gefühle sind zeitlos, oder?

Auf Messen nehme ich mir gerne Zeit für die vielen kleinen Freaks, die tolle individuelle Angebote haben. Sei es der coole Umbau, das geile Tattoo oder die simpel umgesetzte Idee, die das Motorradfahren ein Stück einfacher bzw. sicherer macht. Winterzeit ist ja auch Zeit zum Tüfteln und Schrauben.

Fahrtrainings für Motorradfahrer sind im Winter nicht so gefragt; Sauregurkenzeit! Aber die verschiedenen Anbieter planen im Winter für die Saison, die ja bekanntlich im Frühjahr mit den ersten Sonnenstrahlen anfängt. Wenn der Bock dann anspringt? Wie die Zeit vergeht! Da hat man doch gerade erst das Zweirad abgestellt und nun ist die Batterie leer, der TÜV abgelaufen und die Reifen platt.

Auch der eine oder andere Kumpel hat sich über den Winter verändert. Manche zeigen Standschäden, andere wirken wie frisch renoviert und topp gepflegt. Da kann man den Young- vom Oldtimer gut unterscheiden, ohne einen Gutachter zu Rate ziehen zu müssen. Aber ehrlich gesagt, freue ich mich über jedes Windgesicht, dass ich auf der Messe wiedersehe. Wir sind doch irgendwie eine Familie.

Wenn ich nach der Messe wieder nach Hause kommen, fragt meine Frau liebevoll, was ich erlebt habe? Meist bemerkt sie, dass ich „irgendwie ganz entspannt wirke“. Ich antworte dann: „Liebe Leute, lockere Atmosphäre und viele tolle Gespräche. Wie ein großes Familienfest!“ Dann sagt meine Frau stets: „Siehste, habe ich doch gesagt!“