Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 1/18
von Mathias Thomaschek, (www.zweirad-online.de)

Willkommen in der Schrauber-Wüste

Willkommen in der Schrauber-Wüste von Mathias ThomaschekDie Saison rückt näher, an dieser Stelle daher der kurze Hinweis, dass sich in den Monaten bis zum Saisonstart weder die Batterie von selbst auflädt, noch das Profil der Reifen nachwächst. Wer clever ist, lässt jetzt sein Bike technisch auf Vordermann bringen, dabei vielleicht noch gleich die HU erledigen, die Bremsflüssigkeit wechseln oder ähnliche Servicearbeiten durchführen.

Der Biker tut gut daran, dies in den Wintermonaten erledigen zu lassen, falls er es nicht selber macht. Zum einen bietet der Fachhandel jetzt einen, oft kostenlosen, Hol- und Bringservice an, zum anderen zeigt sich schon jetzt für die kommende Saison ein Servicenotstand in deutschen Motorradwerkstätten von geradezu biblischem Ausmaß. Denn die Situation der fehlenden Werkstattfachkräfte hat sich dieses Jahr nicht verbessert. Im Gegenteil: sie wird immer dramatischer. Fachkräfte fehlen nicht nur an allen Ecken und Enden, es gibt auch offenbar keine jungen Leute mehr, die diesen Beruf noch erlernen wollen.

Der frühere Zweirad-Schrauber, der am Wochenende noch schnell bei den Mopeds seiner Kumpel Hand angelegt hat, und deshalb der King der Straße war, ist seit Jahrzehnten ausgestorben. Nachdem es 15 Jahre lang mit den Neuverkäufen in den Keller ging, hatte kein Händler mehr Lust und oft auch kein Geld, um in einen teuren Ausbildungsplatz zu investieren, und so für Nachwuchs aus dem eigenen Rennstall zu sorgen.

Die zahlreichen Flüchtlinge, die nicht nur gewillt, sondern z. T. auch handwerklich durchaus in der Lage wären, kurzfristig das Gröbste abzufangen, dürfen – zumindest legal – nicht arbeiten, so lange ihr Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Und das kann dauern, wie wir alle wissen. Ja und, fragt sich der geneigte Leser an dieser Stelle. Ist doch nicht mein Problem, da müsste man, da sollte man, da muss doch jemand. Richtig, aber was?

Nachdem die Autobranche unter ähnlichen Bedingungen leidet, gibt es auch hier keine Hoffnung, dass Fachkräfte wechseln. Die wenigen Händler, die in den letzten Jahren unabhängig von der Konjunktur ihre eigenen Hausgewächse großgezogen haben, weil sie es aufgrund ihrer Marktsituation konnten, werden die Gewinner dieser Misere sein. Und weil sie etwas bieten, was andere nicht oder nicht mehr bieten können, werden sie sich ihre Werkstatt-Dienstleistungen entsprechend bezahlen lassen. Das hat nichts mit Halsabschneiderei zu tun, sondern ist simple Marktwirtschaft, in der Angebot und Nachfrage den Preis regeln. Denkt mal darüber nach, bevor ihr euch in diversen Foren über die horrenden Stundenlöhne eures Vertragshändlers auskotzt. Er holt sich nämlich nur zurück, was er vorher jahrelang investiert hat.

Wer sich heute ein neues Motorrad kauft, sollte, noch ehe er mit diesem den Hof des Händlers verlässt, einen verbindlichen Termin für den ersten Kundendienst ausmachen. Eine Saison ist schnell rum – und der Kumpel an der Ecke, der früher in der Garage mal schnell einen „Service“ durchgeführt hat, zuckt nur noch mit der Schulter, weil „Vergaser einstellen“ wegen Nichtvorhandenseins desselbigen nicht mehr möglich ist. Und zum Auslesen des Fehlerspeichers, Serviceintervall zurückstellen und ähnlichen elektronischen Servicepunkten braucht es heutzutage einiges mehr als nur ein Multimeter.

Und wie geht das alles weiter, wo soll das alles noch enden? Ganz ehrlich: ich weiß es nicht.

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