Fahrbericht aus Kradblatt 5/19, von Jochen Vorfelder

Das Straßenmädchen und ihre Schwester …

Ducati Hypermotard 950SP - Modell 2019 - Front

Die dritte Generation der Ducati Hypermotard nennt sich jetzt 950 – folgt aber immer noch einer simplen Grundidee: wenig Gewicht, hammermäßig Power und maximalen Fahrspaß. 

Gran Canaria, und 25 Grad im Februar – das ist verrückte Motorradwelt für die verschnupften Journalisten, die aus dem winterlichen Deutschland angereist sind: Man mag im ersten Moment kaum glauben, dass man hier ordentlich ans Gas gehen kann. Denn im äußersten Süden der Insel, wohin Ducati zur Vorstellung der Hypermotard 950 geladen hat, liegen bei Maspalomas und Playa del Ingles unzählige Bettenburgen wie Wellenbrecher am Strand. 

Das knallrote Fun-Bike, um das es hier geht, steht dort etwas deplatziert in der Empfangshalle, umringt von Vertretern der grau melierten Generation Frührente. Die schnellsten Fahrzeuge weit und breit sind die Golfkarren. Mehr taugt hier nicht. 

Doch der erste Eindruck täuscht. Richtig interessant wird die Rundstrecke hoch zur Inselmitte und zurück, auf die uns Ducati schickt, durch den unwägbaren Straßenbelag: mal frisch und super grippig, mal muss man die Route zwischen Schlaglöchern, Rollsplit und fiesen Nadelbetten im Pinienwald suchen. Das ist der ideale Parcours, um sich die Fähigkeiten einer selten gewordenen Spezies zu Gemüte zu führen. 

Danke dafür, Amici von Ducati: Mit der neuerlichen Aufnahme der Hypermotard 950 in eure Rote Liste aus Borga Panigale schützt ihr eine bedrohte, ja fast schon ausgestorbenen Art – die gemeine Supermoto.

Ducati Hypermotard 950 - Modell 2019 - links Weniger ist mehr: Bei der 2019er Hypermotard haben die Ducati-Entwickler einen Schritt zurück gemacht, zumindest optisch: Die zwei kurzen Endschalldämpfer münden wie 2008, als die erste Version auf den Markt kam, wieder direkt unterm Sitz; die zwei Endrohre schlängeln sich eng hinterm Motorblock nach oben. „Klar, da könnte man technische Gründe für anführen, aber es ist eindeutig eine Verbeugung vor der 916, einem unserer Klassiker“, sagt Paolo Quattrino, der Marketing Produktmanager aus dem Ducati-Werk. 

Auffällig sind auch der kompaktere 14,5-Liter-Tank, sowie die schmale Taille und die etwas niedrigere Sitzbank, die beide noch schlanker geworden sind. 

Ducati Hypermotard 950 - Modell 2019 - Auspuffanlage Zu dem luftigen Eindruck tragen auch die neuen, filigranen Dreispeichenfelgen bei, die zu insgesamt 4 Kilogramm Gewichtsersparnis gegenüber der Vorläuferin führen. Die Hypermotard aus Bologna kommt jetzt mit einem ranken Gewicht von 200 kg (vollgetankt) daher. 

Deutlich zugelegt hat die 950er dagegen beim Motor. Der Testastretta 11°-Motor hat weiterhin 937 ccm Hubraum, aber mit 114 PS und 96 Newtonmetern ist die neue Hypermotard 950 die stärkste Hypermotard aller Zeiten. Paolo Quattrino sagt, dass der Druck über erhöhte Kompression, geänderte Steuerzeiten und elektronische Feinjustierung erreicht wird: Man spürt, dass knapp 80 Prozent des maximalen Drehmoments schon ab 3000 U/min ausgeliefert werden. In der Hersteller-Sprache heißt das dann Modell-Update. In der Praxis bedeutet es: überall etwas gefeilt.

Ducati Hypermotard 950 - Modell 2019 - auf der Landstraße Abenteuer Landstraße: Also raus mit dem roten Ding. Von Maspalomas führt die Teststrecke die ersten hundert Kilometer hoch zum Vulkanfels Roque Nublo und dem Bikertreff Cruz de Tejeda – und die Strecke ist, mit Verlaub gesagt, rattenscharf: Kurven noch und nöcher, von Null rauf auf 1500 Meter über Meereshöhe. Die Route schlängelt sich entlang Leitplanken, die man dringend respektieren sollte: Wahlweise rechts oder links geht es schon mal zweihundert Meter in die Tiefe. Man sollte die Augen allzeit nach vorne richten: überbreite Reisebusse, stinkende LKWs und trödelnde Touristen – ein geiles Motorradterrain, wenn man gerne überholt.

Und die Hypermotard 950 schreit förmlich nach Sprint und Attacke: Die Sitzposition hinter dem schön breiten Lenker ist für große Fahrer um die 185 Zentimeter Größe wie geschaffen, der Knieschluss am Tank passt. Man schwebt über dem Testastretta 11°-Aggregat, das angegast fast vibrationsfrei auf 9.000 U/min hochjubelt. Der passende Ausdruck für die Gangart, die von der Hypermotard besonders geschätzt zu werden scheint, ist: leichtfüßig. Sie hüpft vor Freude wie ein Straßenmädchen mit ihrem Sprungseil. Ein Spaß, den sie gerne und bereitwillig teilt; die Hypermotard reagiert auf jede Korrektur und lässt sich bereitwillig auf schnellen Kurs dirigieren.

Ducati Hypermotard 950 - Modell 2019 - Cockpit Das Fahrwerk der 950er ist dabei über jeden Zweifel erhaben: Die Einarmschwinge mit Monofederbein ist stabil wie ein Kranausleger, der Trellis-Rahmen von überragender Festigkeit. Die voll einstellbare 45 mm Gabel kommt von Marzocchi, das Federbein von Sachs. Wenn es überhaupt subjektiv etwas zu bemängeln gibt, dann die Bremsen: Die erschienen mir vorne auf den ersten Millimetern Fingerweg ohne den sofortigen Biss.

Handgreifliche Wechsel der Schräglage, rabiates Überwerfen und enges Gestochere in Haarnadelkurven, auf der Hypermotard fühlt man sich schnell an echte Supermotos aus dem Rennsport erinnert – ohne das scharfe Risiko: Ducati schickt die Hypermotard mit dem ausgewiesen grippigen Pirelli Diabolo Rosso III und einem Paket an elektronischen Hilfsmitteln ins Rennen, das keine Sicherheitswünsche offen lässt.

Ducati Hypermotard 950SP - Modell 2019 - linksDie sechsachsige IMU (Inertial Measurement Unit) von Bosch rechnet permanent die Fahrzeugdaten und überwacht die Steuerungselektronik; die Traktionskontrolle hat acht Wirksamkeitsstufen. Das ABS bietet Kurven-Modi und eine Anbremsdrift-Funktion an. Wheelie-Control ist auch an Bord, ist aber – wie so ziemlich alles – steuer- und abschaltbar. Wer mag, kann über das Menü im farbigen, 4,3 Zoll großen TFT-Display die Elektronik blind und die Hypermotard damit ganz scharf schalten.

Bestellt gleich nach! Wer sich eine Hypermotard beim Ducati-Händler holt, muss nicht lange überlegen: Die 950 – von der es auch eine 35-kW-Variante für A2-Führerscheinbesitzer gibt – wird nur in einer Farbe ausgeliefert. Rot. Und zu einem Grundpreis, der fair ist: 12.490 Euro. 

Der lässt sich zügig steigern z.B. über Carbonparts aus der opulenten Zubehörliste, doch ein technisches Bauteil für vergleichsweise laue 220 Euro sei hier jedem ans Herz gelegt: Den Quickshifter Evo mit Blipper-Funktion sollte man sich unbedingt gönnen. Nicht nur, weil er unglaublich präzise und schnell arbeitet, sondern auch, weil die hydraulische Kupplung doch nach einer ziemlich harten Hand verlangt. 

Was man sich bei der Gelegenheit vielleicht auch zulegen sollte: einen Vorrat an Handprotektoren. Auch bei der Hypermotard hat Ducati die Blinker in die Protektoren integriert. Das sieht klasse aus – bis die 950er mal umfällt und das Plastikteil, das eigentlich schützen soll, zwangsläufig bricht und für Schaden sorgt. Dann geht es flugs ins Geld.

Ducati Hypermotard 950SP - Modell 2019 - rechts Die große Schwester: Wie bei den Jahrgängen zuvor, hat Ducati auch 2019 eine SP-Version der Hypermotard vorgestellt. Wir sind die Edel-Version, erkennbar gleich an der schicken rot-weißen Fahrgebung, auf dem kleinen Circuito Maspalomas gefahren: einem buckligen, aber schnellen Rundkurs, einer Mischung aus Supermoto-Parcours und Hobby-Rennstrecke mit teilweise ekligen Kurven und ziemlich grobem Belag. 

Ducati Hypermotard 950SP - Modell 2019 - auf der Renne Das Fazit nach vier Sets zu jeweils zwanzig Minuten: Der Motor ist absolut identisch. Das war es dann aber schon mit den Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Italienerinnen: Die SP hat nur 198 kg Kampfgewicht, Pirelli Supercorsa SP-Reifen, ein komplettes Öhlins-Fahrwerk mit 48 mm Gabel und Reservoir-Federbein, einen Lenkungsdämpfer, geschmiedete Alu-Felgen von Marchesini, den Quickshifter serienmäßig, Karbon allerorten und einen nicht straßenzugelassenen Termignoni-Topf, der den Motor noch freier atmen lässt. 

Damit ist die SP eine Klasse für sich. Hochbeinig durch die längeren Federwege, was sich wiederum auf die Sitzhöhe auswirkt und die Schräglagenfreiheit von 44 auf 47 Grad erhöht, schmeißt sich die Hypermotard SP in die Schikanen, zieht wie am Faden gezogen ihre Bahnen und beschenkt dich nach jeder Runde mit einem Fitzelchen mehr Vertrauen in deine Fähigkeiten.

Die Frage ist nur: Ist das 16.390 Euro wert? Rechtfertigt das einen Aufpreis von 3900 Euro gegenüber der Hypermotard-Standardausführung, die auch schon ein brillantes Motorrad ist? 

Die eindeutige Antwort ist: Ja. Die SP wird sich zwar nur in homöopathischen Dosen verkaufen, aber für die handvoll Supermoto-Fans unter den Ducatisti ist sie das absolute Non plus Ultra. Die brauchen die edle SP. Für den Rest von uns reicht ein einfaches Straßenmädchen. Probefahrt empfehlenswert!

Ducati Hypermotard 950SP - Modell 2019 - Brembo Fahrzeugschein:

  • Hersteller: Ducati
  • Typ: Hypermotard 950 (SP)
  • Motor: Zweizylindermotor
  • Getriebe: Sechsganggetriebe
  • Hubraum: 937 ccm
  • Leistung: 114 PS bei 9000 U/min
  • Drehmoment: 96 Nm bei 7250 U/min
  • Höchstgeschwindigkeit: > 210 km/h 
  • Gewicht: 200 kg (198 kg) fahrbereit
  • Tankinhalt: 14,5 l
  • Sitzhöhe: 870 (890) mm
  • Service: alle 15.000 km / 12 Monate, Desmoservice alle 30.000 km
  • Garantie: 24 Monate ohne km-Begrenzung
  • Preis: 12.490 (16.390) Euro (Stand Mai 2019)