aus Kradblatt 6/19, von Marcus Lacroix
plus Nachtrag aus Kradblatt 11/19

eCall ist bei Autos Pflicht, bei Motorrädern nachrüstbar

dguard Motorrad eCall Systemelemente Über Motorradunfälle wird i.d.R. nicht so gerne geredet, aber sie passieren halt. Ich hatte in den letzten über 30 Jahren, die ich auf Motorrädern unterwegs bin, auch schon welche – was mir den Spaß am Fahren allerdings in keiner Weise vermiesen kann. Nichtsdestotrotz kommt man mit den Jahren und zunehmender Erfahrung zu ein paar Erkenntnissen, über die man früher noch gelacht oder sie als überflüssigen Schnickschnack abgetan hätte. Sicherheitstechnik, passive wie aktive, wird immer weiterentwickelt und warum soll man sie nicht nutzen? Sturzhelm, Protektoren, (Kurven-)ABS, Traktionskontrolle, Airbag, bessere Beleuchtung und – wem es gefällt – warum nicht auch eine Warnweste? Auch die Standortbestimmung auf meinem Handy ist für ein paar Leute freigegeben. 2016 hätte ich die fast gebraucht …

Deutscher Mobilitatspreis 2017 Preisverleihung - Foto von Bernd BrundertAus 2017 ist mir ein Fall noch in guter Erinnerung: zuerst von Angehörigen über die sozialen Netzwerke und dann von der Polizei, wurde ein 68-jähriger Motorradfahrer gesucht, der auf dem Weg von Bad Zwischenahn nach Tarmstedt verschwunden war. Gerade bei uns im Norden rechnet man doch eher nicht mit einem spurlosen Verschwinden, anders als evtl. in den Alpen. Der Fall endete tragisch, der Rentner wurde einen Tag später hinter einer Kurve auf dem Betriebshof einer Firma tot aufgefunden. 

Und hier kommen wir jetzt zum eigentlichen Sinn dieses Artikels: „dguard“ – das erste eCall-System für Motorräder.

SOS-Taster und Status-LED des dguard Motorrad eCall-Systems Kurze Erklärung: eCall steht für „emergency call“ (engl. = Notruf). Ein eCall-System setzt als grundlegende Funktion bei einem Unfall per eingebautem Mobilfunk selbsttätig einen Notruf in Form einer automatischen Sprachnachricht an die landesübliche Notrufnummer ab. Dem Rettungsdienst werden, der per GPS ermittelte Standort sowie ein paar weitere Daten mitgeteilt. Der Notruf kann auch manuell ausgelöst werden. Neue Autos, deren EU-Typgenehmigung nach dem 31. März 2018 erfolgt ist, müssen ab Werk mit einem solchen System ausgerüstet sein. Für Motorräder besteht diese Pflicht (noch) nicht. Aktuell bietet BMW als erster Motorrad-Hersteller die Sonderausstattung „Intelligenter Notruf“ als Extra an.

Für quasi alle Motorräder nachrüstbar ist hingegen das „dguard“ der Firma digades, das seit 2016 am Markt verfügbar ist. Die digades GmbH wurde schon 1991 gegründet. Das eigentümergeführte Familienunternehmen entwickelt und fertigt mit rund 190 Mitarbeitern an drei deutschen Standorten hochwertige Fahrzeug-Elektronik für die internationale Automobilindustrie. Die aktuelle, verbesserte dguard-Version, die dank weiterentwickelter Technik ohne Sitzsensor auskommt, kostet 569 Euro zzgl. Einbau und wenn es einem mal den Popo rettet, ist es sicher jeden Cent davon Wert. Wie bei einem Sturzhelm weiß man das allerdings erst zu schätzen, wenn man irgendwo einschlägt. Nach zwei Jahren kommt eine überschaubare, jährliche Gebühr von 29,95 Euro für den Mobilfunk- und Clouddienst dazu.

Kabelsalat - dguard Motorrad eCall beim Einbau Wir haben von digades ein dguard zum Ausprobieren bekommen und es selbst in unseren Honda X-ADV eingebaut. Die Selbstmontage ist für Endkunden nicht vorgesehen, als Presse muss man aber ja mal gucken, wie das alles so geht – und ganz ehrlich: es ist gut so, dass der Einbau den dguard-Fachhändlern vorbehalten bleibt, um Montagefehler der Sensoreinheit und des GPS-Empfängers sicher zu vermeiden. Versierte Bastler, die auch mal einen Lötkolben in die Hand nehmen, kriegen den Einbau zwar selbst hin, ich habe aber trotzdem einen Fehler bei der Montage gemacht – und spätestens für die Kalibrierung und Kopplung mit dem Fahrzeug muss dann eh wieder der Fachhändler mit seinem Computer ran. 

Klärt bei einem Kauf die Einbaukosten mit eurem Händler. Je nach Motorrad dauert es lt. digades nicht mehr als eine bis max. zwei Stunden, kostet also nicht die Welt.

Und was kann das dguard jetzt? 

Im Vordergrund steht natürlich die Unfallerkennung. Dazu misst das System mit seinen eingebauten Sensoren die Parameter Neigungswinkel, Richtung, Standort, Geschwindigkeit und Bewegung und errechnet daraus eine potentielle Unfallsituation. Wird diese erkannt, setzt dguard einen automatisierten Notruf an die 112-Rettungsleitstelle ab. Die Rettungskräfte erhalten eine Sprachmitteilung in der Sprache des Landes, in dem man gerade unterwegs ist. Die Ansage schließt mit dreimaliger Wiederholung des aktuellen Standorts. Da 112-Notrufe europaweit in allen Netzen vorrangig behandelt werden, kann das auch in Gegenden funktionieren, in denen ein normaler Handyempfang im eigenen Netz evtl. nicht gegeben ist. Parallel zum 112-Notruf werden über die dguard-Cloud auf Wunsch vordefinierte Kontakte per SMS und/oder Email informiert. Außerdem baut dguard – sofern man ein Bluetooth-Headset benutzt – eine Sprachverbindung mit der Rettungsleitstelle auf. Der aktive Notruf wird durch schnelles Blinken einer LED am SOS-Taster signalisiert, der sinnigerweise am Lenker oder im Cockpit montiert wird. Braucht man keine Hilfe, kann man innerhalb von 15 Sekunden durch 2-maliges Drücken des Tasters den Notruf abbrechen. Bei sonstigen Notfällen (z. B. Herzanfall oder Unfälle anderer) kann durch min. 3-sekündiges Drücken ein Notruf manuell ausgelöst werden, die Zündung muss dazu eingeschaltet sein, um Missbrauch zu vermeiden. Für langsame Fahrten z.B. im Gelände, bei denen keine ernsthafte Gefahr zu erwarten ist, aber die Maschine evtl. mal zu Boden geht, kann der automatische Notruf auch deaktiviert werden. Das dguard-Modul ist mit einer Backup-Batterie ausgerüstet, so dass es auch bei einem schweren Unfall, bei dem z.  B. die Batterie herausgerissen wird, den Notruf absetzen kann.

Als weitere Funktionen bietet das dguard eine Diebstahlwarnung, ein Tourentagebuch und eine „find my Bike“ Funktion (also eine Standortbestimmung). Für diese Funktionen wird ein Smartphone benötigt, auf das man die kostenlose dguard­-App aus dem Apple Store bzw. dem Google Play Store lädt.

Die Diebstahlwarnung meldet sich per Push- oder per SMS-Nachricht, wenn die Maschine bewegt wird. Haben Diebe sie bereits verladen, kann man den Standort durch das GPS-Tracking verfolgen. Profis werden vermutlich GPS-Jammer zur Signalstörung nutzen, aber etwas Diebstahlschutz ist besser als gar keiner. Über die App lässt sich der Diebstahlschutz abschalten, z.  B. für den Transport auf Anhängern oder im Reisezug.

dguard Tagebuchfunktion per App Das Tourentagebuch muss manuell über die App gestartet werden und erfasst eine gefahrene Strecke, den Verlauf, die Geschwindigkeiten, die Stopps und die Höhendaten. Die Touren lassen sich bearbeiten und mit Freunden teilen. Durch das gpx-Format kommen viele Navis und Apps mit dem Export klar. Die Tourdaten werden in der Cloud auf dem dguard-Server gespeichert und können dort jederzeit gelöscht werden. Die Server stehen übrigens in Deutschland, was dem Datenschutz sicher nicht abträglich ist. Laut digades erfolgt keinerlei Auswertung der Daten oder gefahrenen Touren durch digades oder gar Dritte.

Die Funktion der Standortbestimmung ergibt sich quasi aus der Diebstahlschutz-Funktion. Hat man sich mal bei einer Stadtbesichtigung oder im Wald verlaufen, findet man so zumindest sein Möppi wieder.

Wir werden das digades dguard über die Saison ausprobieren und zum Herbst noch einmal berichten. Ehrlich gesagt hoffe ich, ich muss euch nichts über die Kernfunktion erzählen – aber es ist zumindest ein gutes Gefühl, es an Bord zu haben. 

Mehr Informationen sowie ein Fachhändler-Verzeichnis findet ihr auf der Website www.dguard.com. 


 

Nachtrag aus Kradblatt 11/19

Digades dGuard SOS E-Call-System an Honda CB 1100

Seit dieser 2019er Saison fährt ein ganz besonderer Begleiter mit uns durch die Gegend: dguard – das erste eCall-System für Motorräder zum Nachrüsten. Made in Germany. Den Einbau hatten wir euch ja bereits gezeigt.

Wir, das sind neben mir, Marcus vom Kradblatt, meine Kollegen Guido vom bmm (Baden Württemberg) und Mathias von der Zweirad (Franken) – quasi die letzten selbstständigen Motorrad-Regionalmagazin-Herausgeber hierzulande.
Die Erfahrungen, die wir drei bisher mit dem dguard gesammelt haben, unterscheiden sich nicht voneinander. 

Das System arbeitet völlig unscheinbar im Hintergrund. An die grün leuch­tende LED am SOS-Taster gewöhnt man sich sehr schnell. Sie gibt einem irgendwie ein gutes Gefühl, vor allem wenn man auch mal Nachts auf Strecken durch einsame Wälder oder in dünn besiedelten Regionen unterwegs ist. Gott sei Dank musste keiner von uns das dguard
in der Praxis testen – wir kamen alle sturzfrei durch die Saison.

Digades dGuard SOS E-Call-System an Honda Africa TwinAnfängliche Bedenken, das dguard könnte auch mal unbeabsichtigt einen Alarm auslösen, bestätigten sich nicht. Weder fummelten Witzbolde am scharf geschalteten System herum (wer lässt seine Maschine auch unbeaufsichtigt mit eingeschalteter Zündung herumstehen) noch lösten harmlose Umfaller (ja, passiert auch uns „Profis“) den Alarm aus. Hat man sein Headset im Helm, das viele Motorradfahrer ja schon aufgrund eines Navigationssystems nutzen, auch mit dem dguard gekoppelt, könnte man bei einem Fehlalarm direkt der Rettungsleitstelle Bescheid geben, zu der nach der automatischen Durchsage der Positionsdaten eine Sprachverbindung aufgebaut wird. Zudem lässt sich ein irrtümlich ausgelöster Alarm auch innerhalb von 15 Sekunden per Tastendruck stoppen. 

Bei Renn-/Kurventrainings empfiehlt es sich, die Notruffunktion über die App zu deaktivieren. Offroad, gerade wenn man alleine unterwegs ist, würde ich es eingeschaltet lassen. Mein 2016er-Sturz inkl. Hüftbruch hätte ins Auge gehen können und da wäre das dguard ein idealer Helfer gewesen.

Im Alltag kamen bei uns eher die Zusatzfunktionen des dguard zum Einsatz. Neben dem eCall-System bietet das dguard eine Diebstahl-Hinweisfunkton, ein GPS-gestütztes Tracking, also das Aufzeichnen der gefahrenen Route, sowie die Ortung der Maschine an.

Der Diebstahlschutz ist ab Werk sehr sensibel eingestellt. Wenn man nur kurz ans abgestellte Moped kommt oder leicht am Lenker rüttelt, schickt einem das dguard eine Push-Nachricht und (sofern eingestellt) eine SMS mit der Meldung „unberechtigte Bewegung“ aufs Handy. Die Empfindlichkeit kann man leicht über die App justieren – jeder muss für sich und sein Motorrad herausfinden, welche Einstellung passt. Bleibt das Motorrad in Bewegung, wiederholt es die Benachrichtigung und überträgt die GPS-Koordinaten in die dguard-Cloud.

Orten lässt sich die Maschine allerdings nur, wenn GPS-Empfang möglich ist. Profidiebe setzen hier Jammer zur Signalstörung ein. Das System zeigt dann seinen letzten bekannten Standort. Bei Großveranstaltungen o.ä. findet man über die Ortung immer problemlos seinen Parkplatz wieder.

Eine feine Sache ist das Tracking, speziell wenn man solch eine Funktionen nicht auf seinem Navi oder akkuzehrend auf dem Smartphone nutzt. Gefahrene Strecken werden im Tourentagebuch abgelegt und lassen sich problemlos als plattformübergreifende gpx-Datei exportieren. So kann man sie an Freunde weitergeben oder auch selbst in Navis und Apps nutzen. Höhendaten, Geschwindigkeit und Pausenzeiten werden ebenfalls aufgezeichnet. 

Insgesamt hat uns das dguard sehr gut gefallen. Die Kernfunktion – das eCall – werden wir hoffentlich nie in der Praxis nutzen müssen. Aber wie heißt es so schön: haben ist besser als brauchen!

Der Preis von 569 Euro, inkl. 2-Jahres-Gebühr für die Nutzung des GSM-Mobilfunknetzes ist erträglich – vor allem wenn man sich überlegt, wie viel man sonst für teils überflüssigen Motorradzubehör-Spielkram ausgibt. Nach Ablauf der zwei Jahre fällt eine jährliche Gebühr von 29,95 Euro für die eingebaute Mobilfunkkarte an.

Alle Informationen zum dguard sowie ein Fachhändler-Verzeichnis für Beratung und Einbau findet ihr online unter www.dguard.com. 

PS: Dass wir derzeit alle drei Honda fahren ist tatsächlich ein Zufall, kein verstecktes Sponsoring. Ehrlich!