aus bma 03/05

von Rolf Maier

Schloss IdsteinDie Grenzen des Taunus werden zu drei Seiten von Flüssen bestimmt. Aber Flüsse sind lang und wer hat schon eine genaue Vorstellung davon, wo sie exakt verlaufen? Flussnamen lassen sich auch nur schlecht in den Routenplaner eingeben, darum will ich lieber die Städte benennen, in deren Viereck der Taunus liegt: Im Norden sind dies die beiden Orte Koblenz und Gießen und im Süden Rüdesheim und Frankfurt. Innerhalb dieses Karrees liegt der Taunus.
Meine Fahrt beginne ich an der Autobahnabfahrt Kiedrich der A 66. Folgt man in Kiedrich der Durchgangsstraße in Richtung Eichberg-/Hatternheim, so kann man kaum glauben, dass dieser Ort aufgrund seiner vielen alten Adelssitze und malerischen Winzerhöfe zu den beliebtesten Ausflugszielen des Rheingaues zählt. Mein erstes Ziel ist das Kloster Eberbach. Man nennt es immer noch Kloster, obwohl es schon seit 200 Jahren keinen kirchlichen Zwecken mehr dient. Die Weinberge, die ehemals von Zisterziensermönchen bewirtschaftet wurden, stehen heute unter der Obhut eines staatlichen Weingutes. Der riesige Klosterkomplex mit seinen hohen dicken Mauern, lang gestreckten Schlafsälen und dunklem und vom Ruß der Kerzen geschwärzten Weinlager ist unverändert erhalten und dient als Museum. Als ich das abgeschieden gelegene Kloster anfahre, bezeugt die Reihe entlang der Landstraße geparkter Autos einen hohen Besucherandrang. Massenaufläufe sind nicht mein Ding und ich fahre für dieses Mal am Kloster vorbei. Aber bereits nach 200 Metern zweige ich nach rechts in eine kleine kopfsteingepflasterte Einfahrt zu einem einsam liegenden Haus ein und stelle das Motorrad ab. Durch einen großen steinernen Torbogen betrete ich den Lieblingsweinberg der Mönche. Die Lage hier nennt sich „Steinberg” und der Wein, der hier wächst, war den Mönchen so kostbar, dass sie ihn mit einer hohen Mauer vor Traubendieben zu schützen suchten. Mitten im Weinberg steht ein aus Feldsteinen aufgeschichteter Pavillon, an dem Wein ausgeschenkt wird. Unter den Ästen eines Nussbaumes setze ich mich auf eine Bank und genieße den Blick über den Rheingau und den Rhein, der von der Sonne beschienen glitzernde Lichtreflexe zu mir hinauf schickt.. Der Tag ist aber noch jung und ich will noch weiterfahren. Ich versage mir daher den Wein und begnüge mich an einem Glas unvergorenem Traubensaft.

 

Das WispertalÜber Hattenheim gelange ich zur Bundesstrasse 42, die das rechte Ufer des Rheines begleitet. Ich folge ihr für vier Kilometer in Richtung Rüdesheim. Ich bin froh, als ich sie wieder verlassen und dem Abzweig nach Johannisberg folgen kann. Hier gibt es das berühmte Weingut „Schloss Johannisberg”. Wer kennt sie nicht, die Sekte „Metternich” und „Mumm”? Eine lange Allee führt mich zum Schloss vor dem die goldbemalten Spitzen des schmiedeeisernen Gitters in der Sonne leuchten. Das Innere des Schlosses kann nicht besichtigt werden. Aber man kann und darf dicht um das Schloss herumgehen und das angegliederte Weingut besichtigen. In einem der Nebengebäude befindet sich ein angesehenes Restaurant, von dessen Terrasse man einen Weitblick über den Rhein und das gegenüberliegende Rheinhessen genießt.
Nun kann es weitergehen. Ein kleines Sträßchen führt mich steil aufwärts über Stefanshausen nach Presberg und man merkt deutlich, dass man aus dem Rheintal emporfährt und in die Hügellandschaft des Taunus gelangt. Einige hundert Meter hinter Presberg und bereits mitten im Taunus liegt rechts das Ausflugslokal „Rheingauer Alp”. Bei schönem Wetter kann der Blick von seiner Aussichtsteraße über die Taunushöhen schon begeistern und ist einen Aufenthalt wert. Innen hingegen dominiert ein Ambiente, das von Holzstühlen auf Linoleumboden geprägt wird. Sicherlich eine praktische Einrichtung, wenn bei schlechtem Wetter und mit triefend nassen Overalls eine Gruppe Motorradfahrer ein Lokal ansteuern möchte. Ich folge der Straße, die sich serpentinenartig hinunter ins Wispertal schlängelt.
Das Wispertal! An manchen Tagen sieht man hier mehr Biker als Autofahrer. Die Kurven sind eng, unübersichtlich und anspruchsvoll und der Straßenbelag könnte besser sein. Schon zu viel ist hier passiert. Seitdem die Geschwindigkeit aber auf 60 km/h beschränkt und auch engmaschig überwacht wurde, sind die Unfallzahlen deutlich zurückgegangen. Mein Ziel ist das Café „Alte Villa”. Bei schlechtem Wetter sitzt man in hohen Räumen unter einer Stuckdecke auf Plüschsofas und genießt seinen heißen Kaffee, bei gutem schaut man von der Veranda aus in den Garten. Ich will keinen Kaffee, sondern begebe mich auf Schnäppchensuche in das Antiquitätengeschäft, das in dem ehemaligen Viehstall seine Bestände präsentiert. Als ich komme hat die Ladenbesitzerin soeben für diesen Tag ihr Geschäft geschlossen. Freundlich bietet sie mir an, für mich noch einmal zu öffnen und ich nehme ihr Angebot dankend an.. Sie hat durchaus nette Sachen, nicht den Sperrmüllramsch, den man sonst oft geboten bekommt. Ich finde jedoch nichts passendes und verabschiede mich wieder. Hundert Meter weiter komme ich am Gasthaus „Kammerburg” vorbei. Ein Gasthaus wie aus alter Zeit mit einem großen Parkplatz vor der Tür. Früher gab es hier auch Fremdenzimmer und die Pferde der Reisenden wurden in den gegenüberliegenden Stallungen untergebracht. Als später die Pferdestärken nach Benzin statt Hafer verlangten wurden sie als Garagen genutzt.
WeinrebenNach fünf Kilometern erreiche ich den Bikertreff der Region: Die Gaststätte „Wisperstube” in Geroldstein.
Hier hält man um zu essen und zu trinken oder auch nur um zu sehen und gesehen zu werden. Auch ich halte an, um das Treiben eine Zeit lang zu beobachten. Dicht an dicht stehen hier die Motorräder aufgereiht und dicht an dicht sitzt man hier im Freien auf Plastikstühlen und Holzbänken bei Schnitzel und Pommes. So dicht, dass mit etwas Abstand betrachtet das Schwarz der Lederkleidung zu einer einzigen vielköpfigen Masse verschmilzt.
Zwei Kilometer später biege ich links ab nach Dickschied. Der Weg windet sich nun wieder aus dem Wispertal hinaus auf die Taunushöhen und es wird merklich kühler. Es überrascht mich immer wieder, was nur wenige Höhenmeter für einen Temperaturunterschied bewirken können. Mein Weg führt mich durch kleine geruhsame Dörfer, bei denen ich mich immer frage, von was die Menschen hier eigentlich leben, wenn weder Landwirtschaft noch Industrie oder Tourismus vorhanden sind. Über Dickschied, Nauroth und Laufenselden erreiche ich die B 54 und fahre auf ihr links ab nach Michelbach. Michelbach ist der größte Ortsteil der Gemeinde Aarbergen. Einen Ort „Aarbergen” wird man vergeblich suchen, denn die Gemeinde wurde am grünen Tisch der Verwaltungsbeamten durch Zusammenlegen mehrerer verstreut liegender Ortschaften per Beschluss gegründet.
Nur ein kurzes Stück später erreiche ich Kettenbach. Auch ein „Ortsteil” von Aarbergen. Riesige schwarz- weiße Werkshallen der Passahwant-Eisenhütte beherrschen hier das Bild. Vor 350 Jahren wurde die Eisenhütte gegründet. Das Eisenerz kam ganz aus der Nähe von Rückershausen und Bonscheuer. Das Brennmaterial für die Feuerung lieferte rundum der Wald und die Köhler hatten viel zu tun, denn nur Holzkohle konnte man für den Schmelzvorgang verwenden.
In Kettenbach verlasse ich die Bundesstraße wieder und steuere auf Nebenstraßen über Hennethal die Kleinstadt Idstein an. Der Wald tritt immer mehr zurück und weicht Ackerbau. Die Hügel werden sanfter und die Straßenkurven lang gezogener.
Idstein ist bekannt durch seinen Hexenturm, in dem wie in jedem Hexenturm durchweg unschuldige Frauen von religiösen Fanatikern er- mordet wurden, und für seine mittelalterlichen Fachwerkhäuser, die seiner Altstadt den Reiz verleihen. Heimwerkern könnte Idstein besonders aufgrund der Firma Black & Decker ein Begriff sein, die hier ihren Firmensitz hat. Unterhalb der Altstadt, zu Füßen des ehemaligen Schlosses, parken zahlreiche Motorräder und bei einem Gang durch die Altstadt kommen mir immer wieder helmschwingende Spaziergänger in Lederkluft entgegen. Kein Zweifel: Idstein ist ein beliebter Anlaufpunkt für Biker.
Burg SchwarzsteinDie Landstraße über Eschenhahn und Neuhof führt mich zur gut ausgebaute Bundesstraße 417. Ich folge ihr links ab in Richtung Wiesbaden. Sie führt mich hinauf zur Taunushöhe „Platte”. Oben auf der Kuppe, hoch über Wiesbaden, hatte Herzog Adolph von Nassau sein Jagdschloss errichtet. Versteckt hinter einer kleinen Waldung liegt es nur wenige Dutzend Meter neben der Bundesstraße. Unten im Kessel der Stadt Wiesbaden war es dem Herzog im Sommer zu heiß und zu stickig. Hier oben aber weht stets ein frisches Lüftchen. Auch ich bekomme das zu spüren, denn es ist bereits später Nachmittag geworden und mir wird langsam etwas kühl. Daran, Handschuhe mitzunehmen, hatte ich natürlich bei Abfahrt nicht gedacht, aber wozu hat man denn beheizbare Handgriffe? Zugegeben, ein bisschen verwöhnt ist das schon, aber hübsch warm ist es doch.
Auf dem Parkplatz vor dem Schloss finden Hungrige einen Kiosk für den schnellen Imbiss. Wer es etwas kultivierter möchte, der sucht das Restaurant in einem der ehemaligen Wirtschaftsgebäude des Schlosses auf. Das Jagdschloss selbst ist nur noch eine Ruine. Ein einzelner britischer Bomberpilot hielt es in den letzten Kriegstagen für entscheidend, dieses Schloss noch in Schutt und Asche zu legen. So stehen nur noch die Außenmauern des Schlosses und Büsche wachsen in seinem Inneren gegen den Himmel empor. Ich fahre auf der Bundesstraße den Berg auf der anderen Seite wieder hinunter. Etwa auf halber Höhe geht rechts eine Nebenstraße ab. Ein weißes Schild mit der Aufschrift „Fischzucht” weist den Weg. Die Fischteiche sind zwar noch vorhanden, aber sie werden schon seit Jahrzehnten nicht mehr bewirtschaftet. Übrig geblieben ist lediglich das Fischrestaurant, das nun aus dem Taunus Süßwasserfische bezieht und hier fangfrisch serviert.
Ich folge weiter dem Verlauf dieser Nebenstraße. Sie kreuzt die B 54 und führt mich an der alten Fasanerie vorbei. Ursprünglich war es ein reiner Zuchtbetrieb für Fasane, ähnlich einem Hühnerhof, und er stand unmittelbar neben dem herzöglichen Schloss in Biebrich am Rhein. Das ewige Geschrei der Vögel und ihr Gestank ging Herzog Adolph aber so auf die Nerven, dass er die Fasanerie weit weg in den Taunus verlegen ließ. Heute ist die Fasanerie ein Wildpark, der besonders bei Familien auch wegen seines kostenlosen Eintritts beliebt ist und außer den üblichen heimischen Tieren auch noch Bären, Wölfe, Luchs und Wisent zu bieten hat.
Einige hundert Meter hinter der Fasanerie erreiche ich eine Ampelkreuzung und biege rechts ab. Ich bin auf einer Nebenstraße, die mich nach Schlangenbad führt. Dieser Ort ist ein kleines altes Heilbad mit teilweise durchaus imposanten Jugendstilvillen. Seinen merkwürdigen Namen verdankt er der Aesculapnatter, die man hier antrifft. Gelegentlich liegt eine mitten auf der Straße und sonnt sich. Bei Schlangenbad biege ich links ab und fahre über Martinsthal nach Eltville. Am Eltviller Rheinufer liegt die Burg Crass, die der Endpunkt meiner Rundreise sein soll. Ich setzte mich in ihren Biergarten und beende mit Blick auf den Rhein und einem kühlen Obergärigen meine heutige Tour.