aus bma 01/06

von Konstantin Winkler

Strand-CruisenMeer und Motorrad? Zum Cruisen am Strand muß man nicht unbedingt nach Daytona Beach. Dänemarks Küsten und Badestrände haben da auch einiges zu bieten. Und sind zudem nicht allzu weit entfernt. Rund zwei Stunden Fahrt von Hamburg aus, und schon kann man im sonst schon vereinten Europa seinen Personalausweis an der Grenze vorzeigen. Nach einer eventuellen Autobahnhatz auf bundesdeutscher Seite kann und muß man es auf dänischer Seite etwas gemächlicher angehen lassen. Tempo 80 auf Landstraßen sowie 100 auf Autobahnen, mehr ist nicht erlaubt. Macht auch nichts, dann nehme ich eben meine Harley mit in den Urlaub, die fühlt sich in diesen gesetzeskonformen Geschwindigkeitsbereichen eh am wohlsten. 1200 ccm hat der Evolution-Motor der Sportster, mehr als genug zum genußvollen Dahingleiten. 30 Kilometer hinter der Grenze führt ein neun Kilometer langer Damm zu Dänemarks südlichster und größten Nordseeinsel: Rømø. Nur ein paar Seemeilen trennen sie von Sylt. Im Westen lockt Europas breitester Sandstrand, der sich am Südende der Insel zu einer regelrechten Wüste ausweitet. Die Pisten sind fest und eben, fast wie eine asphaltierte Straße. Aber eben nur fast. Dort, wo es leicht wellig ist, kann man sich schnell bis zur Achse eingraben. Dann nützt auch das gewaltige Drehmoment einer Harley-Davidson nichts mehr, buddeln und schieben ist angesagt.
Die nächste größere Stadt auf dem Weg nach Norden ist Esbjerg. Schiffe und Fische bestimmen den Lebensrhythmus der 82.000 Einwohner zählenden Hafenstadt. Fischliebhabern, die näheres über die Herkunft ihres Leibgerichtes erfahren möchten, sei der Besuch des örtlichen Fischereimuseums empfohlen. Auch für Kinder ist es ein Dorado. Neben Eis- und Hot-Dogbuden sind das Seehundbecken und Haiaquarium die Attraktionen.

 

50 Kilometer weiter nördlich gelangen wir an den ersten der vielen Fjorde, die die Halbinsel Jütland zu bieten hat, den Ringkøbing Fjord. Charakteristisch für Dänemark sind auch die Leuchttürme, Leuchtfeuer genannt. Der höchste, ein stattliches 53 Meter Bauwerk, steht hier am Fjord in mitten einer fast 40 Kilometer langen Nehrung.
Grpßer Belt An Dänemarks Westküste wechseln sich Steilküsten und breite Strände ab. Bei Lemvig gibt es sogar zwei Haarnadelkurven. Ansonsten fehlen Berge und Kurven weitgehend. Schließlich mißt die höchste Erhebung des Landes, der Yding Skovhøj, nur bescheidene 173 Meter. Immer geradeaus, fast wie auf dem amerikanischen Highway. Wenig Verkehr herrscht auf den Straßen. Kein Wunder, hat das Königreich mit 122 Einwohnern pro Quadratkilometer doch etwas mehr als die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerungsdichte.
Nicht nur die Küste, auch das Hinterland hat seine Reize. Man findet dort viele liebevoll zurechtgemachte Reetdachhäuser, windschiefe Bäume, Heideland und eiszeitliche Hügel. Das Himmerland im Norden Jütlands erinnert an die Lüneburger Heide, die auch zum entspannten Motorradfahren einlädt.
Jetzt sind ein paar Tage Urlaub im Urlaub angesagt, das heißt etwas mehr entspannen und etwas weniger Harley fahren. Wir beziehen Quartier in einer der vielen Dan-Parc-Fischerhütten in Løgstør, am Westufer des 180 Kilometer langen Limfjordes gelegen. Nur 25 Kilometer sind es bis zum Skagerrak. Die 80 Kilometer lange Küstenkurve der Jammerbucht, die Zahl der Schiffbrüche in der aufgebrachten See war einst beträchtlich, ist wunderschön und auch abwechslungsreich. Im Westen liegt Bulbjerg. Mit dem Motorrad kann man bis fast auf die Spitze der 47 Meter hohen Steilküste aus Kalkstein fahren. Hier befindet sich Dänemarks einziger Vogelfelsen. Hunderte von Paaren der Dreizehenmöwe brüten dort. Und der Beobachtungsbunker aus dem Zweiten Weltkrieg dient heute als Informationszentrum über die damalige Befestigungsanlage sowie über Vogelzucht und Geologie.
Weiter östlich sind überall kleine Fischerorte mit wunderschönen Badestränden, an denen man teilweise mit dem Motorrad bis ans Wasser fahren darf. Hier also wieder Florida-Feeling, und ein paar Kilometer weiter Sahara-Feeling. An der fast 100 Meter hohen Steilküste Rubjerg Knude hat der Flugsand Wanderdünen aufgetürmt. Sogar der Leuchtturm ist teilweise versandet. Wer diese Dünen bei böigem Wind zu Fuß besteigt, der ahnt, was es bedeutet, in der Wüste von einem Sandsturm überrascht zu werden. Entsprechend sah auch meine Harley aus, obwohl sie in 50 Meter Entfernung auf einem Parkplatz stand. Überall saß der salzhaltige Sand, sogar in den Ledertaschen und zwischen sämtlichen Kühlrippen.
Nach einem kurzen Besuch in Dänemarks viertgrößter Stadt, die durch ihren Kümmelschnaps Akvavit berühmt geworden ist, und Aalborg, war es wieder einmal Zeit für die Rückreise. Doch vorher wurde ein Tag Pause im Süden Jütlands eingelegt, denn noch berühmter als die Hot-Dogs sind die Legosteine die seit 1932 in Billund hergestellt werden. Und gleich nebenan ist das weltberühmte Legoland. Der teure Eintritt lohnt sich auch für Erwachsene. Der Nachbau einer Ölplattform im Meer im Maßstab 1:20 oder die amerikanische Freiheitsstatue aus sage und schreibe 1,5 Millionen Legosteinen lassen große und kleine Besucher Bauklötze staunen.
Dan Parcs Fischerhütten in Rønbjerg/Løgstør Um nicht noch einmal quer durch Schleswig-Holstein fahren zu müssen, soll der Rückweg über die östlichen dänischen Inseln führen. Hinter Kolding fährt man über eine riesige sechsspurige Brücke auf die Insel Fünen. Mit einer Fläche von 2.980 Quadratkilometern ist sie die zweitgrößte Insel Dänemarks. Malerische Orte sowie grüne Landschaften mit Feldern, Wiesen und Wäldern machen Fünen zum Garten Dänemarks. Besonders lohnenswert ist ein Abstecher zum Schloß Egeskov. Der auf Eichenpfählen erbaute Renaissancebau spiegelt sich im Wasser. Die roten Backsteinmauern, die hübschen Treppengiebel und kleine Türme bilden einen reizvollen Kontrast zum Schloßpark mit Buchsbaumhecken, Kräuterbeeten und Bambusirrgarten. Auch Oldtimerfans kommen auf ihre Kosten. Ein Museum zeigt Motorräder, Autos und sogar Flugzeuge aus längst vergangenen Tagen. Wir beenden unsere Erkundungstour in der Inselmetropole Odense. Aus der ehe- maligen Kultstätte des Gottes Odin ist eine schmucke Universitätsstadt mit 150.000 Einwohnern geworden. Die Heimatinsel des Märchendichters Hans-Christian Andersen endet in Nyborg. Von dort aus führt eine Brücke über den Großen Belt zur Insel Seeland. Was für eine Brücke! Zuerst fährt man über eine kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke zu der kleinen Insel Sprogø mitten im Großen Belt. Während dann die Züge in einem Tunnel verschwinden, führt die Straße über eine der längsten Hängebrücken der Welt zur Mautstelle. 1,6 Kilometer mißt das freischwebende Mittelstück.
Jetzt sind es noch 100 Autobahnkilometer bis zur Hauptstadt Kopenhagen. Wir haben es aber lieber ruhiger und fahren auf der Landstraße über Næstved nach Vordingborg. Von dort führen zwei imposante Brücken auf die Insel Falster. Anschließend geht es auf die letzte Insel unserer Rundreise, diesmal aber nicht über eine Brücke, sondern durch einen Tunnel, nach Lolland. Von Rødbyhaven schließlich fahren die Schiffe der Vogelfluglinie im 30-Minuten-Takt nach Puttgarden.
Am Ende des Urlaubs sehen wir einmal mehr, daß Dänemark auch für Biker eine Menge zu bieten hat. Wir kehren zufrieden und um viele Entdeckungen und Erlebnisse reicher nach Hause zurück. Und wir sind uns sicher, daß wir dieses Land nicht zum letzten Mal besucht haben.