aus Kradblatt 3/23 von Tine & Jogi van Senden, www.penta-media.de

Einerseits dient der Urlaub zur Erholung von Körper und Geist, anderseits ist er für die berufstätige Bevölkerung die einzige Zeit im Jahr, um neue Eindrücke zu gewinnen und kleine Abenteuer zu erleben. In der Realität endet es dann meistens in einem Kompromiss aus beidem. 

Wind und Wellen in Dänemark
Wind und Wellen in Dänemark

Unser Ziel lag deshalb unweit entfernt in Dänemark. Bei freier Fahrt lässt sich die Nissum Bredning, an der Nordseeküste Mitteldänemarks gelegen, in rund fünf Stunden von Hamburg aus erreichen. Sie bildet den Eingang von der Nordsee zum Limfjord und wurde 1984 als spezielles Naturschutzareal ausgewiesen. Zahlreiche Vogelarten finden hier ihren Lebensraum und ihr Brutgebiet.

Dänemark - Treppen an der Steilküste
Treppen an der Steilküste

Wir hatten uns ein Ferienhaus direkt am Wasser gemietet und sind mit PKW, Trailer und den Motorrädern angereist, denn so hatten wir genug Stauraum um auch noch unser altes Schlauchboot samt Außenborder mitzuschleppen.

Da die Gegend an der Nordsee recht windig ist, baut sich auf der rund 200 km² großen Nissum Bredning bei nur 6 Meter maximaler Tiefe sehr schnell eine beachtliche, kurze Welle auf. Das Gummiboot kam deshalb nur wenig zum Einsatz, aber der Blick aufs Wasser konnte trotzdem begeistern.

Um unser Haus in der Feriensiedlung Heligsö zu erreichen, mussten wir die Oddesund Brücke passieren, ein im zweiten Weltkrieg nicht unbedeutendes Bauwerk, dessen Anblick schon bei der Anreise unsere Aufmerksamkeit erregte. Kein Wunder also, dass eine der ersten Erkundungsfahrten mit den Motorrädern zu dieser besonderen Brücke führte. 

Nach vierjähriger Bauzeit wurde sie 1938 eingeweiht und ersetzte die unfallträchtigen Überfahrten mit Booten und Fähren. Straßenverkehr und Schienenverkehr drängeln sich bis heute über die Klappbrücke, die alle paar Stunden für die Schifffahrt geöffnet werden muss. Aufgrund ihrer strategischen Bedeutung wurde sie von der Deutschen Wehrmacht mit Bunkeranlagen erfolgreich gegen englische Fliegerangriffe geschützt.

Die Bunker sind heute frei zugänglich. In ihrem Inneren kann man viel über die Brücke und die Ereignisse des Krieges erfahren. Bunker waren zu der Zeit wie Fertighäuser von den militärischen Führungen unter dem Begriff „Regelbau“ zu bestellen. Ein Schotterweg führt direkt zu der Anlage, sowie zum Leuchtturm, der einen freien Blick auf die Brücke ermöglicht. Im Leuchtturm sind historische Fotos zu sehen und Spannendes über Flora und Fauna der Gegend zu erfahren.

Bunker an der Küste bei Skagen
Bunker an der Küste bei Skagen

Die beiden größten Städte rund um die Nissum Bredning sind Lemvig und Struer. Sie bezaubern mit typisch dänischen Einkaufsstraßen und ihren Fischereihäfen, die inzwischen mehr von Yachten genutzt werden, als von den Fischern mit ihren hellblauen Kuttern. Früher war Dänemark ein teures Pflaster, weshalb Urlauber möglichst viel Proviant mitgeschleppt hatten. Heute unterscheiden sich die dänischen und deutschen Preise nicht mehr sonderlich und man kann getrost seine Verpflegung auch vor Ort einkaufen. 

Die 250 ccm der Honda reichen in Dänemark
Die 250 ccm der Honda reichen in Dänemark

Unweit von Struer entfernt liegt die Ferienhaus-Siedlung Toftum Bjerge mit einer 35 Meter hohen Steilküste. Diese wird gerne von Paraglidern wegen der Thermik als Start- und Landeplatz genutzt. Ein schöner Ort, um einmal eine Pause einzulegen.

Weiter östlich in Richtung Viborg liegt die Kalkgrube Mönstedt, die unbedingt einen Tagesausflug wert ist. Dort wurde ab 1000 n. Chr. Kalk abgebaut und ein über 3,2 km langes unterirdisches Labyrinth geschaffen. Der Kalk fand Verwendung für Kirchen und herrschaftliche Häuser. Abgesehen von einer spannenden Historie und alten Gerätschaften und Brennöfen, kann man dort auch Fledermäuse antreffen, die die Kalkgrube zur Aufzucht ihrer Jungen nutzen. An guten Tagen zählt der Sensor am Eingang der Grube bis zu 9.000 Tiere beim Ein- und Ausflug. Nach der Aufzucht reduziert sich die Fledermauspopulation dort um rund 2/3 und die Tiere verteilen sich über ganz Jütland. 

In einem Teil der Grube reift dänischer Höhlenkäse, der zu 90% nach Deutschland unter den Markennamen Arla und Castello verkauft wird. Angeblich nimmt der Käse den Geruch des Gesteines an. Wir hatte eher den Eindruck, dass es sich genau umgekehrt verhält. Das Aroma war so erschlagend, dass ich mich weigerte ein käsiges Souvenir in meiner Hecktasche mitzunehmen.

Schlauchboot? Trau dich!
Schlauchboot? Trau dich!

Eine längere Tour haben wir nach Skagen unternommen, an dessen nördlichstem Ende sich der kleine Ort Grenen befindet. Hier kann man die Motorräder auf einem Parkplatz abstellen und sich zu Fuß durch die Dünenlandschaft bis zu der Strandspitze kämpfen, wo Nord- und Ostsee ineinander übergehen. Deutlich kann man die hellere und grünlichere Farbe der Ostsee gegenüber der der dunkelblauen Nordsee erkennen, auch ohne auf den Leuchtturm von Grenen zu steigen. Oben aus den Dünen ragen Deutsche Bunker hervor, deren Aufgabe es war, mit ihren Geschützen den Schiffsverkehr aus und in die Ostsee hinein zu kontrollieren. Vor Skagen befindet sich unter der Meeresoberfläche einer der größten Schiffsfriedhöfe der Welt, wie wir später noch erfahren durften. Wem der Weg zurück zum Parkplatz zu beschwerlich ist, kann sich mit dem „Sandormen“ fahren lassen, einem kräftigen Traktor mit einem Anhänger für rund 50 Personen. Die Wartezeit auf einen freien Platz dauert an hoch frequentierten Tagen jedoch länger als der Fußmarsch.

Auch die Honda NC 750 X macht viel Spaß
Auch die Honda NC 750 X macht viel Spaß

Direkt am Eingang der Nissum Bredning zur Nordsee liegt der Ort Thyborön. Mit der Fähre ist er auch von Norden kommend erreichbar. Dort befindet sich ein Meerwasser Aquarium mit Fischarten, die alle vor der Haustür in der Nordsee vorkommen. Das ist nicht nur für lärmende Kinder sehr interessant, die sich am Rochen-Becken drängelten, um diese zu streicheln und mit kleinen Fischen zu füttern. Keine Sorge, die Kinder bekommen Greifer, damit sie nicht unter den Rochen fassen müssen. Rochen besitzen ein scharfes Revolvergebiss, ähnlich dem der Haie. Sie sind zum Glück recht friedliche Geschöpfe.

Noch nicht ganz angekommen, erregte jedoch eine andere Geräuschkulisse, begleitet von vertrautem Zweitakt-Duft, unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Eine Horde gut gelaunter Touristen allen Alters machten sich offensichtlich mit ihren Leih-Mofas der Marke Puch, Modell Maxi (1969-1995), vertraut und dreht dem Veranstalter folgend ihre ersten Runden. Ganz großes Kino! Die heiteren Mofa-Fahrer haben wir im Laufe des Urlaubes immer wieder getroffen, in Lemvig, Struer und sogar auf der Schotterpiste zum Leuchtturm Bovbjerg Fyr, kurz hinter Ferring.

Schleichwerbung? Nee ... oder?
Schleichwerbung? Nee … oder? 😉

Nach dem Besuch des Meerwasser Aquariums, haben wir auch noch das gegenüber liegende Seekriegs-Museum besichtigt. Es beschäftigt sich in erster Linie mit der Skagerrak-Schlacht, der bedeutendsten Seeschlacht im ersten Weltkrieg, die vom 31.5. bis 1.6.1916 stattfand und an der 250 Kriegsschiffe beteiligt waren. Die Schlacht kostete in nur zwei Tagen 8.500 englischen und deutschen Seeleuten das Leben und über 1.000 Soldaten wurden schwer verwundet. Auch U-Boote spielten bereits eine wichtige Rolle. Die Geschichte ist mit vielen Exponaten, Modellen und Fotos sehr nüchtern und neutral wiedergegeben. Eine Abteilung widmet sich auch den Kriegsopfern, den Versehrten, den Verstümmelten. Ein Schaukasten zeigt eine nachgestellte Szene aus dem Lazarett. Fotos von Verletzten. Amputationen. Nichts für sensible Gemüter, gerade in Zeiten wie diesen, in denen der Krieg in Europa so nahe ist, wie seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr, als Jugoslawien zerfiel. Etwas nachdenklich verlassen wir das Museum, aber Motorradfahren macht bekanntlich den Kopf schnell wieder frei. Auf den Besuch des Bernsteinmuseums haben wir verzichtet.

Besuch im Meerwasser-Aquarium
Besuch im Meerwasser-Aquarium

Ein weiterer Tagestrip führte uns nach Nörre Vorupör, westlich von Thistedt gelegen. Der kleine Fischerort ist ein Touristenmagnet. Fischkutter werden hier noch per Winde auf den Strand gezogen. Surfer, Wellenreiter und Schwimmer tummeln sich am Strand und alle scheinen ihren Spaß zu haben. Andere gehen auf die Seebrücke hinaus und lassen sich den frischen Wind um die Nase wehen. Wer etwas mehr Ruhe haben möchte, braucht nur die Steilküste entlang zu wandern. Im Ort kauften wir uns ein Lakritz-Eis und ein paar Schollen – Rotspötter, die Plattfische mit den roten Punkten – um sie am Abend auf den Grill zu werfen. Gerne wäre ich mit der Enduro ein wenig den Strand entlanggefahren, aber „Knallertkörsel Vorbudt“ – Schade.

Hier wohnt der Höhlenkäse
Hier wohnt der Höhlenkäse

Wer Freude an Sand- und Schotterwegen hat, der wird in Dänemark trotzdem schnell fündig. Der Verkehr ist im Verhältnis zu unserem recht entspannt und auf den kleineren Landstraßen begegnet man oft kilometerlang keinem anderen Fahrzeug. 

Geschwungene Hügel, landwirtschaftlich genutzte Flächen, Baumgruppen und kleine Wälder wechseln sich ab. Dazwischen bunte Blumenwiesen für die Insekten. 

Während der ganzen Zeit war es recht windig. Bei unserer Tour nach Thorsminde waren wir kurz davor abzubrechen, da der Wind uns fast vom Motorrad gepustet hätte. Mit leichter Schräglage und jederzeit auf eine Böe gefasst, darf man sich keine Sekunde Unaufmerksamkeit leisten. Die eigentlich schöne Dünenlandschaft wurde zu einem Sandstrahlgebläse und an genussvolles Fahren war nicht mehr zu denken. Manchmal hat es uns einen ganzen Meter seitlich versetzt. Das Highlight des Tages war ein Stopp am Hafen von Thorsminde und – was sonst – leckeres dänisches Eis. Die Dänen haben ein Faible für ausgefallene Sorten und verwegene Vorstellungen vom Gebrauch von Lebensmittelfarben.

Später, zurück am Ferienhaus, zeigten sich beim Blick über die Nissum Bredning überall Bäckermützen, also die Gischt sich überschlagender Wellen. Wir haben das Gummiboot und die Angelruten danach gleich wieder eingepackt. Mit soviel Wind hatten wir nicht gerechnet. Irgendwas ist ja immer.

Trotzdem ist es eine reizvolle Gegend und der Kompromiss zwischen Erholung und dem Gewinnen neuer Eindrücke ist unseres Erachtens gut gelungen.

Der Leuchturm von Grenen
Der Leuchturm von Grenen