Mehr als nur ein Dreirad …
aus Kradblatt 3/25 von Marco Brandt (Y-Rider)

Eines sei vorab gesagt: Wenn man diesem Fun-Bike einmal verfallen ist, kommt man nicht mehr so schnell davon los. Die „Heilungschancen“ sind ziemlich gering.
Der Ryker wurde Anfang 2019 von dem Unternehmen Can-Am in den Markt eingeführt. Bereits nach kurzer Zeit eroberte das ungewöhnliche Fahrzeug einen ganz neuen Markt, den es bis dahin gar nicht gab.

Das Konzept des Trikes mit zwei Vorderrädern und einem zentralen Hinterrad basiert auf dem bereits 1996 im Rahmen eines internen Designwettbewerbs entstandenen Can-Am Spyder. Das Ziel des Wettbewerbs war es, ein Straßenfahrzeug zu entwickeln, dass an das Design eines Schneemobils angelehnt ist. Can-Am gehört zu der BRP-Unternehmensgruppe, deren Wurzeln auf den kanadischen Mechaniker Joseph-Armand Bombardier zurückgehen.
1931 entwickelte Bombardier sein erstes Schneemobil, das in den Dimensionen einem Kleinwagen ähnelte. Von diesem Fahrzeug verkaufte er 1937 zwölf Fahrzeuge, deren Karosserie aus Holz bestand. Mit den Schneemobilen nahm sich Bombardier einem großen Problem in der Region an. Im Winter waren die meisten Straßen aufgrund von Schnee nicht passierbar. Viele Orte waren nicht erreichbar, mit den Schneemobilen von Bombardier war das wieder möglich.
Ende der 1950er Jahre begann das Unternehmen mit dem Bau von kleinen, sportlichen Schneemobilen, auf dem zwei Personen hintereinander Platz fanden. Dieser Schritt wurde notwendig, da die kanadische Regierung ein Gesetz einführte, nachdem alle öffentlichen Straßen und Autobahnen vom Schnee geräumt werden mussten. Das Unternehmen war also gezwungen einen neuen Markt zu erschließen, da die Nachfrage nach den Personenbeförderungsfahrzeuge immer mehr sank.
In der Bombardier Unternehmensgruppe entstand die BRP (Bombardier Recreational Products), die sich auf die Entwicklung von neuen Fahrzeugkonzepten konzentriert.
2003 wurde BRP aus der Bombardier Unternehmensgruppe herausgelöst und eröffnete bereits 2006 Niederlassungen in Spanien, Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Großbritannien und Irland. Bis 2007 konzentrierte sich das Unternehmen auf den Bereich der Quads.
Bereits nach einem Jahr dieser Expansion wurde das erste Trike mit einem zentralen Hinterrad auf den Markt gebracht, die Can-Am Spyder und die ATV-Sparte in Can-Am umbenannt. Dieser Name wurde Wahrscheinlich aus Marketinggründen gewählt und basiert auf der US-Motorcross Meisterschaften, die in den 1970ern von BRP beherrscht wurde.
Angetrieben werden die Fahrzeuge von Motoren des österreichischen Unternehmens ROTAX. Die Firma wurde 1920 in Dresden gegründet, 1930 von der Fichtel & Sachs AG übernommen und nach Schweinfurt verlegt. 1943 siedelte ROTAX nach Österreich um und wurde 1970 vom Bombardier-Konzern übernommen. Heute entwickelt und produziert das Unternehmen BRP-ROTAX Hochleistungsmotoren für Jet- und Sportboote, Motorräder verschiedener Hersteller, Geländefahrzeuge wie ATVs und Quads sowie dreirädrige Roadster, wie den SPYDER und den RYKER.

Wie entstand der Ryker?
Der Spyder eroberte mehr und mehr eine Marktnische, die es bis zur Markteinführung des Spyders noch nicht gab: Eine Fun-Bike, das einem das Fahrgefühl eines Motorrades gibt und mit einem PKW-Führerschein gefahren werden kann.

Leider lag der Spyder mit einem Einstiegspreis von knapp unter 20.000 € in einem Preissegment, das die Zielgruppe und damit die Absätze ziemlich einschränkte.
2019 wurde deshalb der Can-Am RYKER in den Markt eingeführt. Mit ihm sollte der Erfolg der dreirädrigen Roadster von Can-Am ausgebaut werden. Aber er wurde nicht nur ausgebaut, sondern es wurde eine neue Zielgruppe erschlossen und es bildete sich in nur zwei Jahren eine weltweite Community rund um dieses außergewöhnliche Dreirad für Erwachsene.
Bei einer Sitzhöhe von nur 60 cm zur Fahrbahn, spürt man bereits beim leichten Drehen des Gasgriffs, wie sich das über eine Kardanwelle angetriebene Hinterrad in den Asphalt beißt und das Dreirad mit Kraft nach vorne treibt. Dabei spielt es keine Rolle, ob man von einem 2-Zylinder Motor mit 600 ccm und 50 PS, oder dem 3-Zylinder mit 900 ccm und 83 PS angetrieben wird. Die Faszination des Rykers zieht einen sofort in seinen Bann und verleiht einem das Gefühl auf einem Raketenantrieb zu sitzen. Das CVT-Automatikgetriebe reagiert sofort und es erübrigt sich bei der Beschleunigung das Schalten einzelner Gänge. Das Dreirad beschleunigt in faszinierender Geschwindigkeit. Bis 60 km/h haben selbst sportliche PKW Probleme, in der Beschleunigung mitzuhalten.

Das außergewöhnliche Gefährt verlangt bereits bei niedrigen Geschwindigkeiten einiges an Engagement. Im Gegensatz zu zweirädrigen Gefährten reicht in Kurven kein leichtes einlenken und eine Gewichtsverlagerung, um die Spur zu halten. Bei einem Ryker dagegen ist vor allem in engen Kurven etwas Kraft notwendig. Dafür hält er durch die zwei Doppellenker sicher die Spur und es können höhere Kurvengeschwindigkeiten als mit so manchem Motorrad erreicht werden. Allerdings ist auch beim Ryker eine Gewichtsverlagerung zum Kurveninneren notwendig. Um nicht unfreiwillig von seinem Gefährt abzusteigen und ein Anheben des inneren Rades zu vermeiden, ist das aktive entgegenwirken zum Kurveninneren notwendig.
Überschätzt man einmal seine Fähigkeiten unterstützen elektronische Helferlein eine sichere Fahrt. ABS, Traktionskontrolle und das Stabilitätskontrollsystem SCS wirken direkt auf die Bremse und die Drosselklappe ein wenn das Kurventempo zu schnell und der Fahrer zu übermütig wird. Erfahrene Fahrer haben sogar das Gefühl, gegen die Helferlein arbeiten zu müssen um schneller voranzukommen. Sehr oft wird dann das Serienfahrwerk gegen ein Sportfahrwerk ausgetauscht, wodurch die elektronischen Systeme später eingreifen.

Das Ryker-Lächeln
Wer einmal eine Probefahrt mit dem Ryker gemacht hat, kennt es: das Rykerlächeln! Wer noch nie in den Genuss gekommen ist und noch keine Runde mit dem Fun-Bike gedreht hat, kann sich die magische Gesichtslähmung nicht vorstellen. Das Strahlen im Gesicht, das Kribbeln am ganzen Körper und das Verlangen den Ryker gleich mitzunehmen.

Allen Rykerfahrern, die ich kenne, ging es ähnlich wie mir. Eigentlich wollte ich am 7.12.2019 nur mal eine Probefahrt machen. Ein Freund von mir wollte beim Nikolaus-Event beim damaligen Can-Am Händler Scholly’s in DRAKENBURG – heute Schwarz Powersport – eine Probefahrt mit einer Outlander (ein Quad von Can-Am) machen. Wir beide fuhren zu der Zeit ein Quad. Natürlich wollte auch ich mal etwas anderes ausprobieren und suchte mir den erst wenige Monate zuvor erschienen RYKER aus. Ich hatte dieses Gerät zuvor noch nie gesehen und wusste rein nichts darüber.
Als ich davor stand war ich von dem Design sofort fasziniert. Ein cooles Teil! Nach einer kurzen Einweisung und ein paar Fahrübungen ging die Fahrt mit dem 900er ACE los. Bereits nach wenigen Metern war ich verliebt. Von meinem 50 PS Quad war ich eine solche Beschleunigung, ein solches Fahrgefühl und eine solch coole Sitzposition nicht gewohnt.
Leider war das Wetter – wie es im Dezember halt so ist – nicht so toll, aber nach wenigen Metern waren die Kälte und die Nässe vergessen.
Waldemar, ein Mitarbeiter des Händlers, fuhr mit einem Spyder vorweg und mein Kumpel und ich folgten ihm brav. Als wir eine Kreuzung überquerten, machte ich die ersten Erfahrungen des „Gummibandeffekts“ des Can-Am Rykers. Waldemar und mein Kumpel waren bereits über eine Kreuzung gefahren, ich wollte ihnen zügig folgen und drehte etwas mehr am Gasgriff. Der 900er Ryker ging zügig nach vorne, womit ich auch gerechnet hatte. Jedoch wurde ich bei ca. 70 km/h – die ich schneller erreichte, als ich gedacht hatte – der „Afterburner“ eingeschaltet. Plötzlich raste der Ryker noch einmal richtig los, ich schoss förmlich im Tiefflug über die Kreuzung und knapp an meinem Kumpel auf seiner Outlander vorbei. Erst nach der Probefahrt sagte man mir nach dem Motto: „da war noch was“, dass der 900er Ryker in Deutschland bis ca. 80 km/h aufgrund des CO2 Ausstoßes gedrosselt ist. Das hätte ich vorher wissen müssen.
Nach der Probefahrt stieg ich am ganzen Körper zitternd vom Ryker ab und merkte den Krampf in meinem Gesicht. Ich bekam das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht. Ich konnte nur noch eins sagen: Geil! Einfach geil!
Artjom, der heutige Inhaber von Schwarz Powersports, fragte nur: Und wie war’s? Mein Teufelchen sagte mir: „Das Teil musst du haben!“ Engelchen sagte jedoch: „Du hast dir erst das Quad gekauft!“ Dann setzte sich jedoch Teufelchen durch und „Wenn du mir einen guten Preis für mein Quad machst, können wir reden.“
Das hätte ich nicht sagen sollen. Er machte mir einen guten Preis und ließ mir auch noch einen interessanten Betrag für den Vorführer nach. Da war es geschehen. Drei Tage später tauschte ich mein Quad gegen den Ryker. Eine Entscheidung, die ich bis heute keine Minute bereue. Jedes Mal, wenn ich auf mein Dreirad steige, sind alle schlechten Gedanken wie weggeblasen und das Ryker-Lächeln kehrt auf mein Gesicht zurück.
Mittlerweile starte ich mit meinem Ryker in die fünfte Saison und bin bei jeder Fahrt noch so fasziniert, wie bei der Probefahrt. OK, im Laufe der Jahre habe ich einige Modifikationen vorgenommen, ein Sportfahrwerk und eine Gasgriffbox montiert, das US-Mapping aufspielen lassen, das Kennzeichen auf die linke Seite gesetzt, den hinteren Fender entfernt und noch ein paar kleine Updates vorgenommen, die ich hier nicht weiter ausführen möchte.
Mit dem Mapping und der Gasgriffbox konnte die Beschleunigung von 0–100 km/h um mehr als eine Sekunde, auf ca. 4,5 sec. verringert werden. Hinzu kamen im Laufe der Jahre einige Modding-Parts, die ich im 3D-Druck und mit speziellen Folien herstelle und über meinen Shop www.y-rider.de vertreibe. Hier findet jeder RYKER-Fan Teile, mit denen er sein Fun-Bike individualisieren kann. Alle Teile und Decals werden von mir entworfen und hergestellt. Auf Wunsch erstelle ich auch komplette Themen-Designs nach den Vorstellungen meiner Kunden. Einige Y-Rider-Ryker laufen mittlerweile in Kanada, Frankreich, den USA, Belgien und natürlich in Deutschland. Vor kurzem habe ich das Sortiment um den Bereich Mode erweitert Unter dem Lable „Let’s Ryke“ findet man bei mir nun auch T-Shirts und vieles mehr, mit Ryker-Motiven.
Einige Zweiradfahrer belächeln das Fun-Bike von Can-Am. Diese Meinung hat sich in den vergangenen Jahren zum Glück geändert. Ich habe Kontakt zu einigen MCs, die uns mittlerweile mit Respekt gegenübertreten.
Besucht Marco auf seiner Website www.y-rider.de.
Ihr findet dort Tipps, Videos, Bücher, Modding-Parts, Accessoires u.v.m. für Ryker-Fans.
Auch auf Social Media ist Y-Rider aktiv.

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Ausgabe 3/25 mit dem kompletten Layout findet ihr <hier> als pdf-Download.
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