aus bma 11/00, von Jens Riedel

Ist es nun ein Er, ein Roller; oder eine Sie, eine BMW, oder gar ein Es, ein Einspurauto? Für den Roller sprechen die kleinen Räder und die Triebsatzschwinge, für eine BMW die Option auf ABS und der relativ hohe Preis, für das Einspurauto Scheibenwischer und Sicherheitsgurt.

Da hilft kein Philosophieren sondern nur Ausprobieren. Als rauf, pardon, rein ins Gefährt namens C1. Sitzen lässt es sich eigentlich fast wie auf einem ganz normalen Roller. Nur Abbocken lässt sich das BMW-Mobil nicht so ohne weiteres. Soll man auch gar nicht. Zwei Hebel strecken sich dem Fahrer entgegen. Also, ran ans Werk: Den längeren nach oben schieben zum Entriegeln und dann runterdrücken – Rad und Gabel senken sich vorne ab. Jetzt noch mit dem kleinen Hebel den Hauptständer einklappen, Startknopf drücken und los geht’s… Nix da! Das 125-ccm-Motörchen unter dem Sitz gibt keinen Mucks von sich. Tief im Unterbewusstsein taucht ein Stück Rollererfahrung auf: Hinterradbremshebel ziehen und dann erst starten? Stimmt! Das Triebwerk zündet. Also, jetzt aber los… Schon wieder nichts: Die Akustik schlägt sich nicht in Vorwärtsdrang nieder. Im Tachofeld leuchtet eine rote Warnlampe auf: Bitte anschnallen. Der C1-Pilot muss sich vor der Fahrt erst zwei Gurte links und rechts über Kreuz anlegen. BMW spricht von einer Kombination aus Zwei- und Dreipunkt-Gurt. Vorsicht ist allerdings beim Abschnallen angesagt. Mit einem roten Haken werden die Gurte wieder entriegelt – und schnellen relativ rasch nach oben. Das kann ins Auge gehen.

Nun gut. Jetzt setzt sich das Ding auch endlich in Bewegung. Allerdings reagiert das Fahrzeug erst relativ spät auf den Dreh am Gasgriff. Ein bisschen kippelig ist es auf den ersten Metern im Hof von Zweirad Harm in Bad Bramstedt schon, wo man uns den C1 zur Verfügung stellte. Schnell hat man sich aber als Zweiradroutinier eingefuchst, bis man schließlich erkennen muss, dass das BMW-Mobil mit seinem relativ hohen Schwerpunkt wirklich fantastisch ausbalanciert ist. Immerhin ist die Fuhre fast 1,77 Meter hoch und 185 Kilogramm schwer, wovon man wirklich so gut wie nichts merkt. Die im City-Verkehr fast schon giftig anmutenden Bremsen (Scheibe vorne und hinten) machen auf der Landstraße eine hervorragende Figur. Solche Stopper wünscht man sich an manch hubraumstärkerer Maschine. Die Spiegel sind ebenfalls hervorragend und bieten beste Sicht nach hinten. Und auch sonst lässt sich BMW in einer Sache nicht lumpen: Selbst für den C1 gibt es auf Wunsch ABS! Natürlich reißt der 125er-Viertakter mit seinen 15 PS bei 9250 U/min keine Bäume aus, liegt das bescheidene Drehmoment von 12 Nm doch auch erst bei 6500 Umdrehungen an. Aber die üblichen knapp 110 km/h sind auch mit dem C1 fast zu schaffen! Weniger klassentypisch und lobenswert ist da der angegebene Spritverbrauch von lediglich 2,9 Litern bei konstantem Tempo 90.
Der Windschutz hält, was die Karosserie verspricht. Luftig wird es lediglich im Bereich des Kopfes. Über Regenerfahrungen im doppelten Sinne des Wortes können wir leider nichts sagen, das Wetter war am Testtag einfach zu gut. Was die Entwicklungsingenieure dem C1 allerdings konstruktionsbedingt nicht austreiben konnten, ist eine spürbare Seiten-windempfindlichkeit.

Einmalig für diese Hubraumklasse ist beim BMW-Roller (nennen wir ihn jetzt einfach mal so) natürlich auch die Einspritzung und der Dreiwege-Kat. Was man von den Bayern allerdings nicht erwartet hätte, ist die doch recht aufdringliche Lautstärke des Motors. Da hat man wohl doch etwas am falschen Ende gespart, denn ansonsten lässt der C1 so gut wie keine Wünsche offen. Allerdings gegen Aufpreis (in der Grundausstattung bringt das Ding ein kleines Ablagefach in der Fahrgastzelle sowie einen Minikofferraum mit, der gerade einmal für den Fotoapparat reicht).
Von ABS war ja schon die Rede. Ebenfalls als Zubehör und Sonderausstattung aufgelistet sind unter anderem Gepäcknetze für vorne, eine Gepäckreling für die Aktentasche, ein passendes Topcase mit immerhin 75 Litern Stauraum und ein zweites abschließbares Handschuhfach sowie ein herausnehmbares Hubdach, Heizgriffe, Sitzheizung (!) und zwei Lautsprecher für den Anschluss von Walk- oder Discman. Als Modell „Executive” wird der C1 dann endgültig zum Rolls Royce der Roller und kommt auch noch mit Handyhalter und Leselampe daher. Den passenden Aktenkoffer bietet BMW ebenfalls gleich noch als Accessoire an. Absoluter Knüller dürfte aber der ebenfalls bestellbare Soziussitz anstelle des Gepäckträgers sein, mit dem der moderne C1 plötzlich in die automobile Steinzeit zurückfällt – unweigerlich muss man an den guten alten Schwiegermuttersitz von Old- timern denken. Für den Mitfahrer im Freien besteht übrigens natürlich wieder die Helmpflicht. Ein so mit zwei Personen besetzter C1 dürfte wirklich ein urkomischer Anblick sein, aber sicherlich noch seltener im Straßenbild bleiben als der gerade zitierte Rolls Royce.

Unverständlich bleibt bei derlei viel Zubehör, wieso die Warnblinkanlage nicht schon in der Basisversion mitfährt und auch zwei Verzurrösen fürs Gepäck nur gegen Aufpreis zu haben sind.
Nur eines darf man beim C1 nicht: Panik bekommen, wenn er umkippt. Da heißt es einfach, Nerven behalten und nur ruhig sitzen bleiben, denn wer die Füße ausstreckt, hat schon verloren und kommt sprichwörtlich unter die Räder. BMW versichert, dass dank Überrollbügel, Schulterschutz und Shockabsorber an den Seiten der Fahrer rundum gut geschützt ist – vorausgesetzt, er lässt die Füße da wo sie hingehören: im Fußraum. Selbst einen Aufprall mit der Schnauze soll der Roller bis zu gewissen Geschwindigkeiten gut überstehen, denn der wuchtige Kotflügel ist ebenfalls als Crashauffangelement konstruiert.
Auch beim fünften Versuch will es am Ende der Testfahrt nicht so recht gelingen, auf Anhieb die Hebel fürs Aufbocken und Hochheben des Vorderrades richtig in den Griff zu bekommen. Das Patent ist einfach zu ungewohnt. Zum Glück hilft ein großer Aufkleber rechts am Beinschild, der zeigt, wie’s geht.
Am Ende bleibt die Frage: Wer soll den C1 kaufen? Bei einem Einstiegspreis von immerhin knapp 10.600 Mark ist man mit einem guten Standardroller sicher nicht viel schlechter bedient. Fakt bleibt aber ein Wetterschutz, den es allerdings mittlerweile auch in ähnlicher, wenn auch vielleicht nicht ganz so effektiver Form als Zubehör für Reiseroller wie Burgman und Co. gibt.
Ganz klar, der C1 gehört in die Stadt, dorthin, wo es immer enger und voller wird. Klar ist aber auch, der C1 ist eher ein Zweitfahrzeug für Autofahrer, ein Minimal-Smart sozusagen. Nicht umsonst haben sich die Bayern ja soviel Mühe gegeben, die Befreiung von der Helmpflicht zu bekommen. Wer als Neu- oder Wiedereinsteiger Motorradgenuss und Fahrspaß erleben will, der greift sicherlich weiterhin zu gewohnteren und günstigeren Zweiradangeboten.
Vielleicht ist der BMW-Roller aber auch einfach nur noch seiner Zeit etwas voraus. Wer weiß, wohin die Reise geht? An den Erfolg des Smart hat ja zu Anfang auch niemand so recht geglaubt…