aus bma 3/10

von Rudolf Stumberger

Motorrad-Bunkertour durch Mecklenburg-VorpommernDie olle MZ knattert munter vor sich her. Gebaut 1984 in Zschopau, scheint uns das metallicblaue Gespann aus der ehemaligen DDR genau das richtige Gefährt, um die Geheimnisse von Brandenburg zu erkunden, die atombombensicheren Bunkeranlagen, tief in der Erde. Ein Dutzend von ihnen sind inzwischen als private Museen zu besichtigen und warum denn nicht mal mit dem Bike zur Bunkertour. Zumal es auch über der Erde viel zu sehen gibt, von Motorradmuseum bis zum Spreewald.

Beim Wannsee rollen wir vom Autoreisezug, die 600 Kilometer von München aus wollten wir uns mit den 250 Kubik und den paar PS doch nicht antun. Und dann geht es, ein paar Zweitaktschwaden hinter uns lassend, raus aus Berlin Richtung Zossen. Hier empfängt uns schon ein Merkmal der Mark Brandenburg – die schnurgeraden Alleen. Glücklicherweise sind mittlerweile die alten DDR-Straßen – bucklig und kopfsteingepflastert – fast alle erneuert und geteert. Zossen ist zunächst ein Ort entlang der Straße, bis es links hinein nach Wünsdorf geht. Hier war schon immer Militär und zuletzt die größte russische Garnison. Besichtigen kann man hier die alten Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Zeppelin heißt die große Anlage, ein gigantischer Betonklotz unter der Erde, damals ein Nachrichtenbunker mit modernster Technik. Museumsführer Werner Borchert erklärt mit echt Berliner Schnauze die verschiedenen Räume, hinter ihm her ein Trupp Senioren, die mit ihren Taschenlampen in die letzten Winkel leuchten.

Kommt man wieder an das Tageslicht und streift durch das Waldgelände, fallen einem zuckerhutartige Betontürme auf – Luftschutztürme der Bauart „Winkel“ mit einer Höhe von 23 Metern. Ein Museum auf dem Gelände klärt über den russischen Soldatenalltag in der Garnison auf, wir aber gehen rüber zum Motorradmuseum. An die 80 Motorräder, Mopeds und Roller aus DDR-Fertigung hat dort der Sammler Rainer Steckler zusammengetragen. Erwähnt sei hier nur das seltene Fabrikat ETS 250 Eskort, damit war die Motorrad-Eskorte für den Staatsrat der DDR ausgestattet: 30 Stück wurden gebaut (1973), hatten einen fünften Kriechgang wegen der geringen Geschwindigkeit der Autokolonnen und fuhren ein anderes Gemisch, damit der Staatsgast nicht in Ohnmacht fiel.

Motorrad-Bunkertour durch Mecklenburg-VorpommernWir aber düsen mit unserem 1:50-Gemisch in Richtung Süden, runter nach Sachsen, dort sitzen die Jungs vom Militär-Museum Kossa auf ihrem Bunker. Die Fahrt geht ruhig über die Dörfer, in dem Örtchen Jessen sehen wir mit Erstaunen Weinberge! Der Winzer allerdings hat zu und so trollen wir uns weiter zum nächsten „Highlight“: Die Elbfähre bei Pretzsch. Völlig unproblematisch geht es zusammen mit ein paar Radlern rauf auf das Ding und im Nu sind wir drüben – der Fluss ist hier nicht sehr breit. Am anderen Ufer aber beginnt eine mehr hügelige Landschaft und die Kurven – für jeden Zweirad-Biker nicht der Rede wert – lassen uns mit unseren drei Rädern ganz schön arbeiten. Schließlich geht es links in das Örtchen Kossa und hinter dem Bahnübergang gleich links in die „Pampa“ – über Betonschwellen rattern wir Richtung Bunker durch den Wald. Wie üblich steht oben nur eine Baracke, die „Geheime Kommandosache“ ist natürlich unter der Erde. Wir genehmigen uns erst mal eine Bockwurst und ne Tasse Kaffee, der Sommer in Deutschland kann mittlerweile ganz schön kalt sein. Dann traben wir zu einem Verschlag, hinter dem man höchstens die Latrine oder Gartenwerkzeug vermutet, er ist aber der Eingang zu einem unterirdischen Gefechtsstand. 48 Mann Personal hielten die Anlage mit Direktverbindung nach Moskau ununterbrochen einsatzbereit.

Motorrad-Bunkertour durch Mecklenburg-VorpommernAls das elektrische Rolltor am Eingang des Geländes hinter uns wieder zurollt, rollen wir mit unseren drei Gespann-Rädern gen Osten. Torgau an der Elbe ist das erste Etappenziel, eine interessante Stadt mit Fluss-Hafen und Schloss und vor allem deshalb bekannt, weil sich hier 1945 die Russen und die Amerikaner die Hand geschüttelt haben, bevor sie mit dem Kalten Krieg begannen. Ein Denkmal zu der Geschichte finden wir nicht, aber Militärkram gibt es allemal: Findet doch am heutigen Sonntag hier in Torgau das „I. Militärfahrzeugtreffen“ statt und zwischen Russen-Panzer, Bockwurst, Flak-Geschütz und NVA-Trabbi schieben die Muttis ihre Kinderwagen durch den Matsch. „Technik, Technik, Technik!!!“ ist das Motto des veranstaltenden Vereins, der mit Militarismus laut Handzettel angeblich nichts am Hut hat.

Wir drehen eine Runde in der Altstadt und knattern schließlich auf der Brücke über die Elbe. Entlang der Alleen geht es Richtung Cottbus, gut 170 Kilometer entfernt und nahe der polnischen Grenze. Über uns ziehen die Wolken, mal blinzelt die Sonne, mal deutet sich ein Schauer an. Die Straße ist sehr gut ausgebaut und wir genießen das ruckelfreie Fahren und den verkehrsarmen LKW-freien Sonntag. Ansonsten auf einer zweirädrigen Honda sitzend, ist dies meine erste größere Tour mit einem Gespann, doch das DDR-Gefährt erweist sich als durchaus robust und springt meist auch an. Auf jeden Fall ist es aber ein Hingucker, vor allem Ältere raunen an den Tankstellen: „Mensch, die hatte ich doch auch mal…“.

Bei Senftenberg beginnt der berüchtigte Braunkohleabbau, und aus ihm ist auch der Senftenberger See entstanden. Der sieht heute als Naherholungsgebiet gar nicht schlecht aus. Rechts ab von der Straße bei Nimtsch gibt es zudem ein nettes Ausflugslokal, in dem die Fischsuppe 2,50 Euro kostet und man draußen sitzen kann. Wir rasten dort und als wir später am Seeufer auch noch ruhen wollen, kommt ein wenig Regen auf. Hilft nichts, rein in den Beiwagen und rauf auf die Maschine und wir knattern weiter Richtung Cottbus.

Motorrad-Bunkertour durch Mecklenburg-VorpommernCottbus ist eine Stadt, die man vom Namen her kennt und das war es auch schon, stopp – richtig! Die spielten sogar mal in der Bundesliga. In der ersten Liga mitspielen kann auch das Stadttheater von Cottbus – ein herrlicher Jugendstil-Bau aus der Jahrhundertwende. Früher arbeiteten hier fast 80.000 Menschen im Tagebau und der Textilindustrie, heute sind von diesen Arbeitsplätzen noch rund 7000 geblieben – die Stadt schrumpft, die Menschen ziehen weg. Seinen Arbeitsplatz verloren hat vor 15 Jahren auch Bernd Jacob. Der 52-Jährige begrüsst uns am Eingang des Militärhistorischen Museums Kolkwitz, gut zehn Kilometer westlich Cottbus. Der Mann ist Experte, was den hiesigen Bunker anbelangt, war doch der Oberstleutnant der letzte Kommandant des „Gefechtstandes der Luftstreitkräfte“, wie die Anlage offiziell heißt. Draußen steht unser blaues DDR-Gespann und wir gehen rein in den grünen DDR-Bunker. Und hier gibt es wirklich eine interessante Geschichte zu sehen und zu hören. Wie an einer riesigen, meterhohen transparenten Tafel die einfliegenden Flugzeuge aufgezeichnet wurden, das Direkt-Telefon nach Moskau, die Abhörzelle der Stasi. Wie im Film, nur echt. Wer will, kann die Führung auch mit original DDR-Liedgut haben, Lautsprecher gibt es in jedem Raum.

Die letzte Etappe unserer Bunker-Tour beginnt. Vollgetankt und aufgepackt rollen wir nach Nordwesten, dem Spreewald entgegen. Der ist bekannt für seine Gurken und als lohnendes Ausflugsziel, Menschen in Kähnen auf Wasserkanälen zeigt das entsprechende Werbefoto. Als wir dort sind, kommt das Wasser freilich von oben, es regnet fleißig und die Kähne sind mit Planen bedeckt. Wir essen eine Bockwurst und befinden uns damit im kulinarischen Tief dieser Motorrad-Tour, in die Wurst haben sie Gurken hineingeschnetzelt und das ganze schmeckt ebenso fad wie das dazu gereichte labbrige Weißbrot. Innerlich vergrämt aber wenigstens durch den Cafe erwärmt trete ich den Kickstarter durch und richte das Vorderrad nach Norden aus – der große Atombunker bei Harnekop ist unser letztes Ziel.

Auch diese Anlage liegt weit ab im Niemandsland, die Fahrt geht vorbei an ein paar kleinen Dörfern, dann zeigt das Schild nach links. Über mit Löchern versehene Betonteile gelangen wir schließlich in ein Militärgelände. Vor einem mit Stacheldraht gesicherten Tor machen wir halt, bis man uns einlässt.

Motorrad-Bunkertour durch Mecklenburg-VorpommernDas ganze ist als Schulungsgebäude getarnt, doch im Keller des Gebäudes befindet sich der Eingang zum Großbunker. Unsere Führerin, Gabriele Felletschin, ist eine zierliche Frau und wenn sie die zweieinhalb Tonnen schwere Bunkertüre öffnen will, muss sie ihr ganzes Körpergewicht zum Einsatz bringen. Dann geht es hinab, 21 Meter tief in die Erde.

Hier, 37 Kilometer östlich von Berlin, war zu DDR-Zeiten die „Hauptführungsstelle des Ministeriums für Nationale Verteidigung“ untergebracht. Im Kriegsfalle wäre aus den drei Etagen des Bunkers die Mobilmachung der Streitkräfte und der „Gegenschlag“ organisiert worden. Heute ist der Bunker in Privatbesitz und der „Förderverein Denkmal Bunker Harnekop“ bietet täglich Führungen durch die Anlage. Heute ist Mittwoch und in Harnekop hat sich der frühere Feind zu einer Führung angemeldet: Zwei Dutzend Feldjäger der Bundeswehr werden durch die Bunkeranlage geschleust. Zusammen besichtigen wir das Lagezentrum mit den Monitoren und Kartenwänden, die Privaträume des Verteidigungsministers mit der türkisblauen Sitzgarnitur aus den 1970er Jahren, die Fernmelde- und Computerzentralen mit den „Robotron“-Monitoren. Auf der zweiten Etage befinden sich der Versorgungstrakt mit Küche und Kantine, auf der dritten Etage ist die Technik für Luft, Wasser und Strom untergebracht. Die Anlage – eine der modernsten Schutzbauten der DDR – wurden von 1971 bis 1976 erbaut und war für 455 Personen ausgelegt, die bis zu 25 Tage im Bunker bleiben konnten.

Zwei Stunden dauert die Führung, dann sind wir wieder oben. Die Jungs von der Bundeswehr werden ihren Besuch hier mit einem Grillabend ausklingen lassen. Wir aber wollen zurück nach Berlin-Wannsee und dabei mit dem Gespann noch am Reichstag vorbeischauen. Vor dieser Rückreise aber genehmigen wir uns noch ein paar Löffel Erbsensuppe nach „Original-Rezept der NVA“.

 

Tourenbeschreibung:

Berlin-Wannsee – Wönsdorf bei Zossen – Kossa bei Bad Düben (Sachsen) – Kolkwitz bei Cottbus – Harnekop bei Straußberg – Berlin-Wannsee Gemächliche Tour über Land- und Nebenstraßen, rund 600 Kilometer in fünf Tagen. Anfahrt: Berlin ist über die Autobahnen aus allen Himmelsrichtungen erreichbar, aus dem Süden empfiehlt sich der Autoreisezug von Lörrach, München-Ost oder Salzburg nach Berlin-Wannsee, einfache Fahrt eine Person plus Motorrad ab rund 80 Euro.

Bunkeradressen:

– Bunker in Wönsdorf (Ausschilderung „Bücherstadt“ folgen) bei Zossen Verschiedene Bunkeranlagen der Wehrmacht und der Sowjets, täglich Führungen (14.00 Uhr / 9 Euro), manche nur mit Voranmeldung. Motorradmuseum Tel. 033702-9600 www.buecherstadt.com

– Bunker-Museum Kossa (bei Bad Düben), Gefechtsstand aus DDR-Zeiten, Führungen Dienstag bis Sonntags jeweils 10.00 und 13.00 Uhr / 10 Euro Dahlenberger Straße 1, 04849 Kossa, Tel. 043243-22120, www.bunker-kossa.de

– Militärhistorisches Museum Kolkwitz Gefechtsstand der Luftstreitkräfte der NVA. Jeden 3. Samstag im Monat von 9.00 bis 12.00 Uhr geöffnet / 6 Euro, www.lausitzer-museenland.de

– Am Technologiepark, 03099 Kolkwitz (westlich Cottbus), www.kbf-gs31.de, Tel. 0355-28530 , Atombunker Harnekop

– Großer Bunker des DDR-Verteidigungsministeriums für den Ernstfall, Führungen am Wochenende und täglich 12.00 Uhr /10 Euro Lindenallee 1, 16269 Harnekop, Tel. 033436-35727, www.atombunker-harnekop.de