Can Am Spyder Roadster

Ein dreirädriges Auto im Motorradmagazin? Oder doch ein verkehrtes Trike? Das ungewöhnliche Fahrzeug von BRP wirft auf jeden Fall die Gretchenfrage auf: Handelt es sich hier um ein Motorrad oder nicht? Helm ist Pflicht. So weit schon mal klar. Auf der anderen Seite reicht wiederum ein PKW-Führerschein für den Spaß.

 

aus bma 11/08

Text: Jens Riedel
Fotos: Riedel / BRP

Can Am Spyder RoadsterEin dreirädriges Auto im Motorradmagazin? Oder doch ein verkehrtes Trike? Das ungewöhnliche Fahrzeug von BRP wirft auf jeden Fall die Gretchenfrage auf: Handelt es sich hier um ein Motorrad oder nicht? Helm ist Pflicht. So weit schon mal klar. Auf der anderen Seite reicht wiederum ein PKW-Führerschein für den Spaß.

Erklärtes Ziel von Bombardier – BRP steht für Bombardier Recreational Products (Bombardier Freizeitprodukte) – war es, die langjährigen Erfahrungen beim Bau von Schneemobilen und Jetskis auch in einem Straßenfahrzeug umzusetzen. An ABS bei Motorrädern haben wir uns ja mittlerweile zum Glück schon gewöhnt. Der Spyder Roadster geht aber noch einen Schritt weiter: Neben der Bremshilfe ist auch eine vom Hersteller gemeinsam mit Bosch entwickelte Stabilitätskontrolle einschließlich Traktionshilfe an Bord. Schauen wir uns das kanadische Dreirad also einmal beim BRP-Vertragshändler Scholly’s in Nienburg etwas näher an.

Beim ersten optischen Eindruck überwiegt klar der Motorradanteil: Die Sitzbank, der Lenker, Gasgriff und Fußschaltung sowie das via Riemen angetriebene einzelne Hinterrad weisen den Spyder Roadster klar als Mitglied der Motorradfamilie aus. Dazu kommt der 60-Grad-V2 von Rotax, der zum Beispiel auch die Aprilia RSV 1000 antreibt. Die 143 PS wurden für das BRM-Mobil auf immer noch mehr als ausreichende 106 PS und zugunsten eines etwas höheren Drehmoments zurückgenommen. Der einzige echte Unterschied zum Bike sind tatsächlich nur die beiden Vorderräder – und der fehlende Handbremshebel. Das Integralbremssystem wird ausschließlich über das Fußpedal betätigt.

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Can Am Spyder RoadsterEs hilft nichts, das Ding muß gefahren werden, um herauszufinden, womit man es denn nun zu tun hat. Also, aufgesessen und ausprobiert. Doch zunächst einmal tut sich nichts. Vor den Start haben die Konstrukteure und Sicherheitsbestimmungen des Herkunftslandes noch eine kleine Aufgabe gesetzt: Aus einem kleinen Fach oben aus dem Armaturenbrett wollen die Sicherheitshinweise gezogen und gelesen werden. So wird man unter anderem darauf aufmerksam gemacht, daß das verbaute Stabilitätssystem nicht verhindern kann, daß der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren und sich überschlagen kann, wenn er „die Grenzen des Fahrzeugs” überschreitet. Denn auch der Can-Am Spyder Roadster ist natürlich beispielsweise nicht gegen Aquaplaning und die Gesetze der Fahrphysik gefeit. „Bleiben Sie mit allen Rädern auf Ihrem Fahrstreifen”, lautet ein weiterer Rat. An den Beifahrer ergeht unter anderem der Hinweis, bitte die Füße auf den dafür vorgesehen Rasten zu lassen und niemals die Feststellbremse zu berühren. Wer es gelesen hat, darf anschließend am linken Lenkerende den kleinen Mode-Knopf für das zentrale Display drücken und signalisiert damit, daß er alles verstanden hat. Erst dann wird die Zündung freigegeben. Natürlich funktioniert das Ganze auch ohne vorheriges Lesen. Nur der Knopf muß halt gedrückt werden.

Der bärige österreichische V-Zweizylinder bietet mehr als ausreichend Leistung, um mit den 316 Kilogramm Leergewicht plus Fahrer flott vom Fleck zu kommen. Der Spyder Roadster eignet sich dank des hervorragenden Triebwerks sowohl für den betont sportlichen Ausritt wie auch für gemütliches Bummeln ab 60 km/h im fünften Gang. Das Drehmoment ist beachtlich. Sobald die Kupplung losgelassen wird schiebt der Can-Am ohne Dreh am Gasgriff bei Leerlaufdrehzahl langsam nach vorne. Selbst im dritten Gang läßt sich der Spyder Roadster ohne Schluckbeschwerden problemlos anfahren. Ordentlich Schub entwickelt der Motor bereits knapp über Standgas. Ab 5000 U/min legt das Rotax-Aggregat dann noch ein paar zusätzliche Schaufeln Kohlen nach. So braucht zum Überholen bei Landstraßentempo selten aus dem höchsten Gang heruntergeschaltet werden. Die Spitzenleistung ist bei 8500 U/min erreicht, der rote Bereich beginnt tausend Touren später. Das maximale Drehmoment von 104 Newtonmetern liegt bei 6250 Umdrehungen an.

Mit einem Beschleunigungswert von respektablen 4,5 Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h hat der Spyder genug Feuer unterm Hintern und braucht sich auch vor Sportbikes und Sportwagen nicht groß zu verstecken. Deren Stunde schlägt dann aber wieder jenseits der 190 km/h, denn bei dieser Geschwindigkeit ist beim Can-Am Schluß mit lustig. Die Elektronik regelt ab um der Vernunft den Vortritt beim Vortrieb zu lassen. Dreiräder haben nun einmal ihre eigenen fahrphysikalischen Gesetzmäßigkeiten. Aus diesem Grund wird der Spyder Roadster – was nahe läge – bei Schollys auch nicht vermietet. Unerfahrene Reiter sollen durch Übermut und vermeidbare Unfälle den Can-Am nicht in Verruf bringen.

Can Am Spyder RoadsterWer ums Eck zirkelt – und das ist wohl das größte emotionale Handicap des Kanadiers – muß auf die gewohnten Schräglagen verzichten. Am ehesten erinnert das Fahrfeeling in Kurven ans Gespannfahren. Wer die Sache dennoch etwas zu übermütig angeht, und es mit demCan-Am bei Richtungswechseln mal so richtig krachen lassen möchte, wird im wahrsten Sinne des Wortes schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die Vehicle Stability System (VVS) genannte Stabilitätskontrolle reagiert rasch, wenn das kurveninnere Rad vor zu hoher Querbeschleunigung kapituliert. Sobald der Reifen abhebt, bremst die Technik auf der anderen Seite der Vorderachse das Gefährt ein und stellt die Fuhre wieder auf alle drei Räder. Das geschieht so unspektakulär, daß der Fahrer es kaum merkt. Gleiches gilt für die mit dem VVS gekoppelte Traktionskontrolle für das Hinterrad. Droht der 15-Zollreifen der Dimension 225/50 die Haftung zu verlieren, greift die Elektronik in das Motormanagement ein und nimmt automatisch etwas Leistung zurück. Leichte Drifts sind dennoch drin, wenn es der Fahrer drauf anlegt.
Die Federung ist relativ straff ausgelegt, die Servolenkung erleichtert das Handling auch bei niedrigeren Geschwindigkeiten. Serienmäßig verfügt das innovative Gefährt auch über einen Rückwärtsgang, der über einen kleinen Hebel links am Lenker vorgewählt und dann über den ersten Gang eingelegt werden will. Automatisch wird dann zusätzlich die Warnblinkanlage aktiviert.

Can Am Spyder RoadsterEin wenig ungewohnt ist der links herum drehende Drehzahlmesser. Das Display in der Mitte der beiden äußeren Analoginstrumenten zeigt zudem parallel Geschwindigkeit und Drehzahl zusätzlich noch einmal digital an. Dort findet sich neben Kilometerzähler und Außentemperaturmesser auch eine Ganganzeige. Das Display erinnert zudem vor jedem Start an die Beachtung der Sicherheitshinweise sowie daran, die Feststellbremse zu lösen.  
Der Fahrerplatz ist mehr als ausreichend dimensioniert. Der Sozius oder die Sozia sitzt in erhöhter Position und neben zwei mächtigen Griffen für die Hände. Die Beine sind etwas angewinkelt, für eine noch komfortablere Sitzhaltung ist kein Platz da, denn die Sitzbank liegt nicht über, sondern hinter dem Motor.

Can Am Spyder RoadsterDer vordere Spoiler leitet den Fahrtwind vor den kaum sichtbaren Flüssigkeitskühler. Die dahinter liegende, ausgeklügelt geschwungene und mächtige Motorverkleidung schützt Beine und Füße des Fahrers vor Nässe und Schmutz, versteckt aber leider auch das komplette Triebwerk selbst. Die kleine Windschutzscheibe entlastet den Oberkörper gut. In der Schnauze des Spyder Roadster steckt zudem ein 44 Liter großer Kofferraum, der ebenfalls zu den echten Alltagsqualitäten des Spyder Roadster zählt. 27 Liter Tankvolumen sind ebenso ein Wort. Drei attraktive Farbkombinationen stehen zur Wahl. Am dezentesten wirkt rot-schwarz, am edelsten silber-schwarz und am schärfsten gelb-schwarz.

Keine Frage, der Can-Am Spyder Roadster bietet dank sinnvoller Regelsysteme eine hohe Fahrdynamik und macht Motorradfahren so sicher wie noch nie. Motorradfahren? Ja, drei Räder sind zwar mehr als zwei, aber auch weniger als vier. Die Anordnung der Bedienelemente und das Frischluftfeeling sind voll und ganz Motorrad. Nur auf das Vergnügen der Schräglage muß verzichtet werden. Ein hoher Preis, den nicht jeder zahlen möchte. Ebenso wenig wie das Sümmchen von 17 299 Euro. Das hat dem Spyder Roadster in manchen Gazetten schon den Ruf eingebracht, teuer zu sein. Eine BMW K 1300 S, Triumph Rocket III oder eine Harley V-Rod beispielsweise sind aber auch nicht billiger – und mit Sicherheit nicht sicherer.

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