aus Kradblatt 1/23 von Torsten Thimm

Sie ist einfach wunderschön gezeichnet, die Brixton Cromwell 1200, das ist unbestreitbar. Der in zwei Farben lackierte Tank reflektiert die Sonne, die ganz nebenbei auch die vielen kleinen Details und ihre klassische Linienführung eindrucksvoll in Szene setzt. So präsentiert sie stolz ihre verchromten Tankembleme, den Schriftzug und den „Kompass“ auf den Motordeckeln sowie das Geburtsjahr der Marke 2016 in Form einer Plakette auf dem Heckfender. 

Stimmiger Retro-Style: Brixton Cromwell 1200
Stimmiger Retro-Style: Brixton Cromwell 1200

Mit der Cromwell 1200 dringt Brixton nach den 125ern und der 500er Crossfire nun in ein Segment vor, dass nicht so leicht zu erschließen ist. Immerhin haben sich Mitbewerber wie Triumph, BMW und auch Kawasaki seit Jahren dort etabliert. Doch die Brixton hat eine gute Chance, denn sie versteht es bereits im Stand, die Synapsen im Kopf zu kitzeln und das Adrenalin ansteigen zu lassen. 

Landstraßensurfen mit der Cromwell 1200
Landstraßensurfen mit der Cromwell 1200

Schnell stellt sich also die Frage, wie sie wohl fahren wird. 1222 ccm, 83 PS Leistung bei 6550 Umdrehungen, 108 Nm Drehmoment bei 3100 Umdrehungen sprechen definitiv für jede Menge Spaß auf der Landstraße. Das alles ist verteilt auf 235 Kilogramm pures Metall und ein wenig Kunststoff. Das Ganze zum Preis von 10.999 Euro (UVP inkl. Transportkosten). Günstiger kann man ein solches Heritagebike neu aktuell nicht bekommen, was die Neugierde nur noch erhöht. Denn ganz nebenbei punktet sie mit guter Ausstattung, wie kompletter LED-Beleuchtung inklusive Tagfahrlicht, einem ABS und einer abschaltbaren Traktionskontrolle von Bosch, einem Tempomat, einer Warnblinkanlage, zwei sauber konfigurierten Fahrmodi (ECO und SPORT), einer Antihoppingkupplung, einstellbaren Handhebeln, Stahlflexleitungen und einem USB-Anschluss am digitalen Cockpit. 

Ziemlich schnell sitzt man daher in 800 mm Höhe auf einer kantig straff, aber zugleich auch bequem gepolsterten Sitzbank. Der konisch geformte Lenker kommt dem Fahrer förmlich entgegen und gleichzeitig liegen die etwas dickeren Brixton Griffgummis sehr gut in den Händen. Tankabschluss und Kniewinkel passen ausgezeichnet für Größen von 170 cm bis 182 cm und auch der Bodenkontakt mit den Füßen stimmt. Was soll da also noch schiefgehen? 

Cockpit im Eco- (links) und im Sport-Mode (rechts)
Cockpit im Eco- (links) und im Sport-Mode (rechts)

Zündung an, die Startsequenz im rund gestalteten Cockpit läuft durch. An der Dominanz, der zwar digital aber klassisch dargestellten Zeiger sieht man, dass sich die Menschen hinter der Marke Gedanken darüber gemacht haben, was zum Retro-Style der Brixton passt. Im ECO-Modus sieht der Fahrer die volle Bandbreite der Informationen im Instrument vor sich, während im Sportmodus nur das Nötigste (Geschwindigkeit, Drehzahl, Tankinhalt und Temperatur) angezeigt wird. Beides sieht schick aus, auch wenn der Switch zwischen den Modi mit der von Brixton gewählten Ein-Schalter-Lösung zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig ist: Schalter drücken, zählen … 21, 22, 23, 24 ggf. auch 25 und dann erst loslassen und der Wechsel gelingt. Nach einem Stopp und Restart ist automatisch wieder der ECO-Modus eingestellt. 

Funktionelle aber wenig hübsche Schalter
Funktionelle aber wenig hübsche Schalter

Ja, die Schalterarmaturen – das wäre auch tatsächlich der erste Kritikpunkt bis hier hin. Die Schalter sind zwar funktionell, aber leider auch das von anderen Herstellern genutzte Allerweltsmaterial. Hier hätte sich, da Schalter eine direkte Verbindung zwischen Mensch und Maschine bilden, die gleiche Liebe zum Detail wie beim Rest der Cromwell durchaus ausgezahlt. Vor allem hätte man den Blinkerschalter an der richtigen Stelle anbringen können. Honda fing leider irgendwann damit an, Hupe und Blinkerschalter zu vertauschen und leider haben die Entwickler das bei der Brixton adaptiert. Als Mensch mit kurzen Fingern, muss man den Daumen schon strecken, um den Blinker zu bedienen. Mal abgesehen von diversen Treffern dazwischen auf dem Hupenschalter, ist sowas einfach nur nervig.   

Gar nicht nervig hingegen ist der Druck auf die Starterwippe. Der trotz hübscher Verrippung flüssiggekühlte SOHC-Reihen-Twin erwacht dabei mit sattem Klang zum Leben und blubbert gar fröhlich mit seinem hubzapfenversetzten Zündzeitpunkt vor sich hin. Um die Glücksgefühle, die einen dabei durchströmen zu beschreiben, muss man es einfach selbst erlebt haben. Man spürt förmlich bereits im Stand die Kraft der Maschine, ähnlich wie beim Anblick eines Kaltblutes und das ist – Entschuldigung – einfach geil. 

Brixton Cromwell 1200Kupplung ziehen, sanft gleitet der Schalthebel in den ersten Gang und die Fahrt beginnt. 2, 3, 4, 5, 6 das Getriebe lässt sich selbst im noch kalten Zustand butterweich durchschalten und die Brixton folgt agil, ja im Grunde schon beinahe sportlich den Kurven der Landstraße. Genau das ist nämlich ihr Revier und erhöht das Grinsen unterm Helm immens, während der Adrenalinpegel steigt. Brixton gibt als Höchstgeschwindigkeit 198 km/h an, aber wen interessiert das? 

Die serienmäßigen Pirelli Phantom Reifen (schmale 110/90-18 vorne und 150/70-17 hinten) könnten sicherlich noch mehr Schräglage vertragen, allerdings setzt die vom Hersteller durch die Fußrasten begrenzte Schräglagenfreiheit dem Ganzen seine Grenzen. Hin und wieder kratzt es und die Funken fliegen durch die Kurven. Doch sollten wir dabei nicht vergessen, dass wir auf einer klassisch gestylten Maschine und keiner Rennsemmel unterwegs sind. 

Rundum LED-Beleuchtung, bewährter Pirelli Phantom Reifen
Rundum LED-Beleuchtung, bewährter Pirelli Phantom Reifen

Mit dem, was die Cromwell und ihr klassisch konstruiertes Fahrwerk von Kyaba können, findet man immer eine passende und zugleich sichere Linie. Und wenn es trotzdem einmal eng werden sollte, reicht ein Griff in die Bremsen und die Lage klärt sich ebenfalls recht schnell. Brixton vertraut auf Markenware von Nissin. Die Zangen beißen vorne gut dosierbar in 310er Scheiben und werden hinten von einer 260er Scheibe unterstützt. Das passt zur Cromwell und daher schauen wir uns das Fahrwerk noch einmal genauer an. Die Abstimmung der 41 mm dicken, konventionellen Telegabel (sie hat 120 mm Federweg) und der in der Federvorspannung einstellbaren Stereo-Federbeine (sie haben 87 mm Federweg) ist gelungen. Warum? Nun, sie bietet eindeutig einen guten Kompromiss zwischen Komfort und der passenden Sportlichkeit für dieses Bike. 

Damit ist die Brixton Cromwell 1200 in ihrer Klasse im Vergleich zu den Mitbewerbern eine der agilsten und zugleich handlichsten Maschinen, woran natürlich auch der Twin seinen Anteil hat. Zieht man am E-Gas, fühlt sich das im ECO-Modus noch leicht verzögert, ja fast ein wenig mechanisch an und erinnert ein bisschen an früher, an gut abgestimmte Flachschiebervergaser (leider ohne das kultige „Zwitschern“). Im SPORT-Modus zeigt die Brixton dann jedoch ihr zweites Gesicht. Sie wechselt dabei vom mechanisch entspannten in den elektronisch gespannten Modus und schiebt dabei vehement voran bis in den Begrenzer (wenn man das denn will). Nötig ist das allerdings nicht, denn der Spaß am Fahren liegt auf der Drehmomentwelle ab 3.100 Umdrehungen viel weiter darunter. Zudem eignet sich der SPORT-Modus trotz einer guten Abstimmung nur bedingt für die Fahrt durch Ortschaften oder die langsame Gang­art. Die Brixton hängt mir hier einfach etwas zu direkt am Gas und ist zugleich leicht nervös, sodass der ECO-Modus die durchweg bessere Wahl fürs gemütliche Cruisen ist.

Verspielter Scheinwerfer mit Tagfahrlicht
Verspielter Scheinwerfer mit Tagfahrlicht

16 Liter fasst der Tank der Cromwell und die reichen bei einem gemessenen Verbrauch von 4,6 bis 4,9 Litern/100 km für gut und gerne 300 Kilometer Reichweite. Dabei ist es beim Klang, der aus Edelstahl gefertigten Auspuffanlage, eine wahre Freude, diesen Sprit zu verbrennen. Ja, Emotionen übertragen sich beim Motorradfahren einfach durch ganz verschiedene Faktoren und neben der Optik der Maschine und der entspannten Sitzposition gehört für mich auch der gute Ton (tiroltaugliche 89 dB) einfach mit dazu. Wenn man dann beim Fahren die Zeit vergisst, weil die Maschine den Befehlen folgt und man zu einer Einheit verschmilzt, weiß man automatisch, dass man alles richtig gemacht hat. Der Genuss rückt unwiderruflich in den Vordergrund und am Ende bist DU mit deiner Maschine, der Straße und der Natur vereint. Mir jedenfalls erging es auf der Brixton bei jeder Ausfahrt so. 

Fazit: Für mich steht fest, die Brixton Cromwell 1200 ist ein durchweg gelungenes Motorrad. Sie verkörpert den Begriff Heritage ganz ausgezeichnet und ist zudem in ihren Komponenten gut bis sehr gut verarbeitet. Sieht man einmal von den vielleicht etwas niedrigen Fahrerfußrasten und dem vertauschten Blinkerschalter ab, gibt es an ihr nichts zu mäkeln. Die Fahrleistungen und vor allem die Fahr­eigenschaften sind meiner Ansicht nach zum Teil sogar besser als bei vergleichbaren Maschinen der Mitbewerber. Wobei der mit Mahle-Kolben bestückte 1200er Motor ebenso wie die gut abgestimmten Federelemente ihren Anteil am Gesamteindruck hinterlassen. In manchen Fällen ist eben eine gut abgestimmte Telegabel gegenüber einer aufwendigeren USD-Variante doch die bessere Wahl und sie passt bei der Brixton natürlich optisch auch viel besser ins Bild. Außerdem überzeugt die in Österreich entwickelte Maschine mit ihrem fairen Preis. Auf die Wunschliste setze ich einen Hauptständer und noch ein paar mehr Farben. Ebenfalls wäre eine schwarze Variante, die sich nicht in „Schwarz in Schwarz mit Schwarz“ zeigt toll, denn Kontraste haben noch keinem Motorrad geschadet. Ansonsten kann ich nur jedem raten, die Brixton einmal selbst zu fahren und sich ein eigenes Bild davon zu machen, was sie kann. Probefahrten gibt’s bei den Brixton-Vertragshändlern.

Brixton Cromwell 1200