aus bma 1/12 – Fahrbericht
von Henry Lee Finch
Montag morgen, 8.30 Uhr, Redaktionskonferenz bei lauwarmem Kaffee, die Testmaschinen werden frisch zugeteilt. Der Chef macht klare Ansagen: das schwarze Supermoto-Dingsda von Borossi geht dabei in meine Obhut und für mein bevorzugtes Kurvenreservat im tiefsten Schwarzwald fühle ich mich bis auf Weiteres gut versorgt. Allerdings will der Chef diesmal im Test kein Wort über Anbremsdrifts, Wheelie-Tauglichkeit und Stoppies finden – sonst erschlägt ihn wieder eine Flut böser Mails der Warnwesten-Erbsenzählerfraktion. Schon klar, wo der Durchschnittsbiker Ü40 ist und man ja allerorten Vorbildfunktion ausüben soll, geht das mit halbstarkem Spaßbretzeln in der StVO nicht mehr zusammen.
Solchermaßen frisch auf journalistische Meinungsfreiheit gedrillt, nähere ich mich der BT 450. Unverkennbar die Ähnlichkeiten zum japanischen Wettbewerb, was schon mal nicht verkehrt sein kann. Optik, Technik und Verarbeitung überzeugen auf Anhieb; die Proportionen entsprechen dem Ideal einer aktuellen Supermoto. Dabei handelt es sich im Grunde um eine für den Straßenbetrieb domestizierte Wettbewerbsmaschine, die ebenso als Enduro und MX angeboten wird. Aluminiumrahmen und Schwinge, massive Federelemente an Front und Heck, wassergekühlter Vierventil-Viertakter mit E- und Kickstart, offene Leistung gut 50 PS – alles entspricht dem Status Quo der Liga, allerdings zu einem Einstandspreis, der die Stollenfraktion aus Japan und Österreich alt aussehen lässt: Runde 5000 Euro sind ein echter Kampfpreis, auch Sturz- und Ersatzteile bewegen sich im Bereich monetärer Schonkost. Simple Erklärung: Borossi entwickelt in Europa und schickt seine Qualitätskontrolle zur Fertigung nach Asien – so lassen sich auch handverlesene Stückzahlen günstig realisieren. Selbst bei Offroad-Insidern erntet die Marke Borossi zumeist Schulterzucken – hierzulande noch nahezu unbekannt und mit Exotenstatus behaftet, allerdings mit spektakulären Buggies auch im Wettbewerb erfolgreich.
Szenenwechsel: von 1980 bis etwa Mitte der Neunziger prägten Yamaha XT, Honda XL oder Suzuki DR das Straßenbild und die Motorradszene. Einfache, verlässliche Dampfhammer mit genug Leistung, ganzjahrestauglich und zäh. Die Technik beherrschbar und im Unterhalt genügsam. Feldwege und leichtes Gelände gingen auch ok, Fernwehphantasien nach Afrika gab es gratis und auf der Hausstrecke konnte man trotzdem wackelnde Bigbikes ärgern – Top Sache sowas, nur leider mittlerweile ausgestorben. Interessant, dass seinerzeit die Rallye Paris-Dakar die Entwicklung zu den heute bekannten Riesenenduros einleitete und man sich vom schlanken Ideal der Einzylinder verabschiedet hatte. Die traurigen Überreste der Endurotradition erinnern doch bestenfalls an zweirädrige SUVs – ein ernsthafter Ausflug ins Gelände wirkt wie Godzilla auf Verdauungsspaziergang in New York – es passt halt nicht zusammen. Die Tradition der Einzylinder erlebt derzeit jedoch ein knackiges Revival. Dabei hat sich die 450er-Klasse als Kompromiss an Leistung und Drehvermögen auch im Geländesport etabliert.
Die Borossi bietet in luftigen 90 cm (unbelastet) einen gut arrangierten Arbeitsplatz mit konifiziertem Alulenker, alle Bedienungsorgane sind intuitiv zu erfassen. Gas, Kupplungs- und Schaltbetätigung flutschen wie selbstverständlich. Armseelig dafür das „Infotainment“, bestehend aus mechanischem Tacho und 3 Kontrolllämpchen. Manueller Benzinhahn und Lenkerchoke bedient, Starterknopf oder eben klassisch gekickt, spontan startet der moderne Single. Der bassige Auspuffsound passt schön zum kernigen Motorlauf, allerdings ohne mit übermäßigen Vibrationen zu nerven. Antritt aus dem Drehzahlparterre und Drehvermögen distanzieren jede Parallele zu klassischen XT & Co., der moderne Sportmotor gefällt zudem mit kompakten Abmessungen und perfekter Gussoberfläche.
Die Federelemente, voll einstellbar mit 48er Upsidedown-Gabel und hebelangelenktem Zentralfederbein bieten mit rund 300 mm Federweg genug Reserven für den Ritt auf und abseits der planierten Republik. Die Bremsanlage aus hydraulisch betätigter Scheibe vorn und hinten hält die vollgetankt 120 kg plus Dompteur dabei sicher im Zaum, für wirklich harte Asphaltmanöver gibt es optional auch eine 320er Bremsscheibe und 4-Kolbensattel gegen Aufpreis. Der eingeTÜVte Motor hat offiziell 22 kW, aber die obligate Nachmessung bestätigt sogar 27 kW bzw. 36 PS – Abgas- und Lärmgesetzgebung sei Dank, sogar Katpatrone und Sekundärluftsystem sind an Bord. Der Hersteller bietet als Trost ein reichhaltiges Tuningsortiment, z.B. statt Krawatten zu Weihnachten gibt’s dann mal einen Carbonauspuff für Vati!
Der Ritt auf der Borossi macht jedenfalls deutlich, wie selbstverständlich ein leichtes und gutmütiges Sportgerät im Alltag Freude bereitet. Auf dem zernagten und geflickten bundesrepublikanischen Straßenteppich ist man stressfrei schnell und sicher unterwegs, Fahrspaß gibt es auch bei moderatem Landstraßenspeed. Lediglich Tempomachen auf der BAB und Soziusbetrieb scheiden aus, Gepäcktransport und ähnlich profane Beschäftigungen ebenso.
Soziusbetrieb? Fehlanzeige. Allerdings ist laut Hersteller für 2012 ein entsprechendes Modell geplant, mit reduzierten Federwegen und umgänglicher für Normalgebrauch, sozusagen als Max Mustermann-Edition. Dann wäre auch ein größerer Tank statt 8,5 Liter wünschenswert – so bleiben die Etappen auf maximal 200 km beschränkt.
Aber auch so wird man sich an zahlreichen Aluminium- und Edelstahlteilen erfreuen, den wasserdichten Kabelsteckern und all jenen durchdachten Details, die den Umgang versüßen und auch beim Betrachten Spaß machen. Etwa geschraubtes Rahmenheck, Diodenrücklicht- und Blinker, klappbare Hebel usw. wie beim professionellen Gerät, allerdings ohne kapriziöse Hightech und eben alltagstauglich.
Im Quervergleich zu XT, XL und DR hat es bei der Borossi punkto Materialauswahl -und Güte, Gewicht und Fahrwerkstalenten ein Riesensprung gegeben, ohne dass die Preise davon galoppieren.
Wer zusätzlich günstig Geländesport oder Supermoto im Wettbewerb oder auf Hobbyniveau betreiben möchte, ist bei der BT 450 an der richtigen Adresse. 4998 Euro (Enduro), 5198 Euro (Supermoto) oder 4598 Euro (MX) jeweils zzgl. 150 Euro Lieferkosten bedeuten Kampfpreis, per geringem Aufpreis mit 3-Jahresgarantie.
Bleibt die Frage, ob so ein Exot noch in fünf Jahren am Markt ist, wie es mit Teileversorgung und Händlernetz aussieht. Hier heißt es natürlich abwarten, der deutsche Importeur gibt jedenfalls derzeit richtig Gas und die Aufbruchsstimmung ist spürbar – die Technikcrew besteht definitiv aus echten Fans und bis zur nächsten INTERMOT 2012 sind weitere Highlights in der Pipeline.
Und der liebe Chefredakteur? Ehrlich – im Testbetrieb waren die Räder immer hübsch am Boden, versprochen.
Und was man nach Feierabend mit der Borossi macht, ist ja eh Privatangelegenheit.
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Kommentare
2 Kommentare zu “Borossi BT 450”
Hallo Endurofreunde.
leider kann ich von meiner Borrossi bt 450 lx nicht viel Gutes berichten.
positiv:
Preis, Aussehen (Honda CRF 450), straßenzugelassene 30 PS, sehr leicht
negativ:
Starter nach 1.000 km defekt,
schlechte Materialqualität (u.a. Rost an den Schrauben)
Sitzbankhalterung ist ungeeignet (rutscht ständig raus)
Startverhalten schlecht
Chokehebel am Lenker
Ständer schlägt gegen die Schwinge
Licht nicht einstellbar
Motor geht bei Neutralgang und Ständer ausklappen aus
Sitzbank sehr hart
Bremsen schwach
Fahrwerk ist ruppig
Höchstgeschwindigkeit bei 125 km/h
Motor wird sehr schnell heiß
Hitzeschutz am Auspuff ist Makulatur
Wiederverkaufswert sehr gering
sehr wenig Händler und Werkstätten
Motor hat kein Ölsichtfenster
hoher Verbrauch (Max-Reichweite um die 90 – 110 km)
rundum: das Motorrad ist billig
Borossi BT 450
Super. Das ist der richtige Weg. mal ganz ehrlich – wer kann noch über 8000,- Euro für eine Zugelassene Supermoto zahlen? Sicher, die Technik, das Finish der KTM SMC ist TOP, dennoch sehe ich den Zug in die falsche Richtung fahren. Für 8000,- kaufe ich mir eine TOp gebrauchte 1000er, einen Vierzylinder mit Leistung und Technik im Überfluss. Ein Einzylinder darf sich Preislich nicht in solchen Regionen tummeln, soll er sich auch in Zukunft einer großen Beliebtheit sicher sein. Wir sind alle keine Helden, diejenigen, die eine 50 PS Supermoto mit 120 KG Leergewicht ans Limit bringen, sind sehr sehr rar. das Potential ist – auf öffentlichen Strassen – nicht wirklich auszuloten. Und wer wohnt schon neben einer Kartbahn? Wenn man ganz realistisch denkt und so selbstbewußt ist, keinen Wert auf das gekaufte Image einer großen Marke legt, der kommt mit der Borossi mehr als Klar. Ich finde das Teil Hammer, überlege ernsthaft, mir solch ein Spaßgerät neben die 900 Hornet in die Garage zu stellen. Wenn ich dann noch lese – Option auf 3 Jahre Garantie – HAMMER!! Da gibt es eigentlich nichts mehr zu überlegen. Ganz abgesehen davon – die Optik war schon bei den CRF Honda Supermotos der Kracher. Und bleibt demnach auch hier so. Denke die einschlägigen Decors für die CRF werden hier auch passen. Resüme – für einen ehrlichen Preis eine Supermoto, die anscheinend nicht nur Alltagstuglich ist dank E Start, sondern auch von der Technik auch für ernsthafte Treiber interessant ist – und dabei auch noch toll aussieht. Es fehlen mehr solcher Angebote.