aus bma 1/10

Text: Vic Macay
Fotos: PNPhoto.de

BMW Testride - Foto: www.PNPhoto.deIm Hype um die rennsportlichen Erfolge und die bevorstehende Serieneinführung des neuen BMW-Superbikes S 1000 RR ist irgendwie gänzlich in Vergessenheit geraten, dass die Bajuwaren bereits zuvor durchaus supersportliches Material mit Sieg-Ambitionen auf die Felgen gestellt haben. Dabei schlägt das Herz der Bayern im Boxer doch am lautesten und so präsentierten die Weiß-Blauen bereits Ende 2007 die Krönung dieser Motorengattung. Dass man dem Boxer an sich, völlig entgegen seiner Pronomen auferlegten Bestimmung, bislang nicht besonders viel Sportlichkeit attestierte, hat dabei sicherlich etwas damit zu tun, dass die Macher in München und Berlin ihn bis dahin ungebührlich niedergebunden haben. Blechern und leise vor sich hin hüstelnd, bittet dieser Motor mehr um Verzeihung als voller Inbrunst nach Vergeltung zu schreien. Dabei sollte man die Perfektion, die in einem Schnabeltier oder einer mehrmaligen Alpenkönigin stecken nicht schmälern, aber ins Sportlerherz trafen mich diese Bikes nie. Unter dem Diktat von Marketingstrategen, die lieber einen weichgespülten Chopperverschnitt über das deutscheste aller Triebwerke stülpten, war für freistaatliche Freiheitskämpfer, die im Herzen nach sportlicher Wiedergutmachung gegenüber der japanischen Übermacht trachteten, nichts zu richten. Der Tag, an dem der reine und offene Boxer jedoch für Gerechtigkeit auf den Straßen und Rennstrecken sorgen sollte kam, und so stellten BMW mit der HP2 Sport das edelste Renneisen bayerischer Motorenmanufaktur in die Startaufstellung des Langstreckensports – überaus erfolgreich zugleich. 133 PS aus 1170 Kubikzentimetern Hubraum mit bis zu 9300 Umdrehungen, die höchste Evolutionsstufe der Gattung „motorus boxerus“ und eine Ode an das technisch Machbare. Kein Anbauteil aus kostentechnischen Erwägungen verbaut, sondern einfach nur das edelste in Prepack-Carbon gehüllt. This is it!

 

In freier Wildbahn gehört die HP2 Sport zu den absoluten Raritäten und hat ein freundlicher Weiss-Blauer ein solches Teil für deutlich über 20 Kilo im Showroom stehen ist Aufsitzen meist verboten – an Ausfahren gar nicht zu denken. Anders bei Team Motobike, die im Herzen Badens am LuK Driving Center und bundesweit auf verschiedenen Rennstrecken bis hin in den spanischen Süden exklusiv so genannte „BMW-Testrides“ anbieten. Das Team um den sympathischen Allgäuer Albin Kirchengast stellt einen ganzen Fuhrpark an verschiedenen BMW-Modellen zur Verfügung, darunter auch die HP2 Sport und ihre HighPerformance-Schwester Megamoto. Das LuK Driving Center liegt als modernes Fahrsicherheitszentrum auf dem ehemaligen Militärflughafen bei Baden-Baden, dem Baden-Airpark. Das Ambiente könnte, wie das Wetter am Veranstaltungstag, kaum besser sein. Ein alter Hangar, als Location für alle möglichen Events umgebaut, bietet ein wesentlich gastfreundlicheres Bild, als so manche karge Boxengasse, die wohl Normalfahrer doch eher abschreckt. Und das sind die Adressaten dieser Veranstaltung; normale Straßenfahrer, die einfach mal etwas anderes ausprobieren und dabei unter fachkundiger Anleitung an ihrer Fahrtechnik feilen wollen. Und „Normalos“ sind auch die Zielgruppe dieser Veranstaltungen. Zwar schadet es nicht, wenn man gekonnt an der Kurbel dreht, doch es geht nicht um Zehntel schinden oder Platzierungen, weshalb es auch keine Zeitmessung oder Rennwettbewerbe gibt. Die BMW-Testrides sind eine Variante der Fahrertrainings, die Team Motobike ebenfalls im Angebot hat.

BMW Testride - Foto: www.PNPhoto.deGleich zu Anfang steht die obligatorische Fahrerbesprechung. Der Chef persönlich begrüßt die Teilnehmer und stellt sein Team vor. Allesamt erfahrene und namhafte Instruktoren und überdies mit Jürgen Fuchs ein absolutem Ausnahmefahrer unter ihnen. Chefinstruktor Clark übernimmt die Unterweisung in den wichtigsten Grundregeln und auch ein paar formelle Dinge dürfen nicht fehlen. An dieser Stelle übrigens der Hinweis: Die bereitgestellten Maschinen sind allesamt Vollkasko versichert. Ein Aspekt, der einem auch das OK der Finanzministerin zuhause einbringt. Den Umstand der Selbstbeteiligung von 3000 Euro für die edlen HP- und 1000 Euro für die übrigen Modelle vermittelt man am besten in einem genuschelten Nebensatz. Am Vortag mussten zwei Teilnehmer diese Leistung in Anspruch nehmen und so ergeht der ernste – aber leider wirkungslose – Hinweis es diesen doch bitte nicht gleich zu tun. Vergebens: Am Ende dieses Tages werden vier Maschinen auf der Halde stehen und ihre Fahrer mit einem fetten Minus auf dem Konto, aber zumindest unversehrt, nach Hause fahren. Der Testfuhrpark steht aufgereiht an der Strecke und besteht aus den HPs und nagelneuen K 1300 R und –S, sowie der einsteigerfreundlichen, aber überaus effektiven F 800 R. Sechs mal 20 Minuten wird übrigens an diesem Sonntag gefahren. Samstags stehen den Teilnehmern deren sieben Einheiten zur Verfügung. Grund hierfür ist das Aufbegehren einer so genannten „Bürgerinitiative“. Zur Erläuterung: Das sind Leute, die günstiges Bauland im Bereich von Flughäfen und Rennstrecken erwerben, um dann für sich Ruhe und Beschaulichkeit zu reklamieren. Kein Kurs, der sich nicht mit so etwas konfrontiert sieht.

BMW Testride - Foto: www.PNPhoto.deEin Schildbürgerstreich! Zurück zum Hochleistungsboxer. Ein rauer Geselle, der mich zunächst vor die Herausforderungen der klassischen BMW-Armaturen stellt. Anstelle des Anlassers erwische ich die schändliche Blinkerbetätigung und verschenke wichtige Sekunden beim Versuch diese zurückzunehmen. Derweil zieht der Chef auf seiner Vorserien-Doppel-R davon und ich habe Mühe ihm zu folgen. Auch deshalb, weil ich auf der schnellen Gegengeraden irgendwie nicht recht in die Gänge komme, den vorhandenen Schaltassistenten völlig vergesse und unbeholfen mit der Kupplung zu schalten versuche. Hat man sich aber erstmal mit diesem Bauteil angefreundet, holt es mit jedem Gangwechsel bare Zehntel – unter Volllast ein kurzes Zucken am Schalthebel und mechanisch fast lautlos und latenzfrei wie ein vollautomatischer Gasdrucklader reißt die Elektronik die nächste Stufe rein.

Auf dem schnellsten Stück des kleinen, technisch anspruchsvollen Kurses reicht es einem bis in den Fünften und damit deutlich über 200 Sachen, bis man hart runterbremst und ins Kurvengeschlängel abbiegt. Und beim Anbremsen macht sich gleich die nächste Feature bemerkbar: Das Telelever/Paralever-Fahrwerk. Die vordere Hebelgabel nickt nicht ein wie eine Konventionelle, sondern gibt einem in der Bremszone diese schienenhafte Sicherheit, die bedingt auch zu Lasten des Haftgefühls an der Vorderhand geht. Die Racing-Monoblocks aus dem Hause Brembo stauchen die Fuhre gnadenlos zusammen – ganz einfach das Beste, was es für Geld zu kaufen gibt. Beim Herausbeschleunigen aus den engen Radien auf dem Übungskurs kommt dann noch eine Besonderheit der HP2 Sport zum tragen. Im Gegensatz zum üblichen Kettenheck anderer Sportler überträgt der Bayernboxer seine Kraft mittels Kardan über die Einarmschwinge. Wo es konventionell einnickt und pumpt, kann es auf welligem Geläuf schon mal an der Hinterhand hakeln. Hat man sich auf die Eigenheiten dieses Geschosses erstmal eingestellt, ist mit dem Sportboxer Unglaubliches möglich. Dabei kommt dem Fahrer eine überragende Ergonomie zugute, die sich in den entscheidenden Punkten genau einstellen lässt. Von Törn zu Törn im Schatten der tollen Instruktoren werden die Teilnehmer immer flotter und im vorletzten Umlauf begebe ich mich hinter Jürgen Fuchs persönlich auf den Kurs.

BMW Testride - Foto: www.PNPhoto.deDas erlebt man nicht jeden Tag: Angeführt von einem der wenigen erfolgreichen deutschen Grand Prix-Starter die Limits immer weiter hochzuschrauben und mit einem beherzten Dreh am Quirl durch die Beschleunigungszone zu tönen. Alles von der Maschine und sich abverlangen, während der Meister in einem mächtigen Wheelie davonzieht. Am Ende adelt den Hobbyrenner Jürgens erhobener Daumen und du weißt, dass du es gut gemacht hast. Daten und Fakten dieses Fahrerlebnisses lassen sich zur Not über das Dashboard in den Laptop saugen – „Dash-was?!“, werden sich jetzt einige Fragen. Wem „Dash“ nur als Waschmittel bekannt ist, dem sei es so erklärt. Das „Waschbrett“ aus dem Hause 2D ist ein multifunktionelles Informationssystem, wie es in keinem WM-Team fehlen darf. Erstklassig.Man kann es Team Motobike eigentlich nicht hoch genug anrechnen, auf welch erlesenem Material und mit welchen ausgewählten Lehrmeistern man hier auf Kurs gebracht wird.

Mit Babette Schneider zum Beispiel steht auch eine der schnellsten deutschen Motorradfrauen im Aufgebot, die mich persönlich als Einzelinstruktorin in den letzten 20 Minuten betreut, mich anführt, aber auch von hinten meine Linie studiert und später korrigiert. Die Knieschleifer tragen deutliche Spuren dieses Tages davon und die Fortschritte sind spürbar, dennoch gibt mir Babette noch einige gute Ratschläge mit auf den Weg.

Das Angebot stimmt und so wundert es kaum, dass viele Teilnehmer dieses Tages auch eine weite Anreise auf sich genommen haben. Als Beispiel seien hier die zwei jungen Paare aus Berlin genannt, die mit dem Billigflieger direkt aus der Hauptstadt an die Strecke eingeflogen sind.

BMW Testride - Foto: www.PNPhoto.deEin Geschenk der Mädels an ihre motorradbegeisterten Männer. Dass die Jungs dabei Blut geleckt haben, stört sie keineswegs, denn sie haben für sich schon die nächste Veranstaltung auf der Sonneninsel Mallorca ausgeguckt – auch wieder mit Team Motobike! Ein letztes Mal mache ich dem Boxer meine Aufwartung, knie mich nieder und verbeuge mich vor diesem Motor. Er ist mir an diesem Tag ans Herz gewachsen. Nirgendwo sonst ist ein Zylinder so sehr Zylinder wie hier. Die immer präsente Kammer des Feuers, Tabernakel des Urknalls, sicher ummantelte Gewalt der Explosion. Noch einmal: 115 nm Drehmoment, 133 Pferde – einhundertdreiunddreissig! Das Endurance-Bike aus dem Wettkampf distanziert sich in der Leistung um nicht einmal 10 Zähler. Eigentlich schade, dass die Tage des Boxers im Sporteinsatz bereits gezählt sind. Auch bei Team Motobike steht das neue Superbike S1000RR schon in den Startlöchern. 2010 werden 25 Bikes dieses Typs den „Testridern“ zu Verfügung stehen. Neben weiterhin 15 HP2 Sport! Die Legende wird einige Jahre ohne jedes Update und Modellpflege bleiben, unverändert vom ersten bis zum letzten Tag. Und dann wird sie eines Tages plötzlich und still verschwunden sein. BMW will es so. Und vom Himmel ertönt ein leises „Lujah sog i!“<