BMW S1000RMit der S 1000 R hat BMW ein leistungsstarken Naked Bike im Sortment. Volker konnte sie im 2. Anlauf überzeugen und auch seine Frau fährt jetzt eine R. Lest selbst wie es dazu kam …

aus Kradblatt 1/16
Text: Volker Schütte
Bilder: Schütte, BMW (2)

Erfahrungsbericht BMW S 1000 R – Erfolg macht sexy…

BMW S1000R linksIm Spätsommer 2014 hatte ich die erste Begegnung mit der S 1000 R. Ich war damals noch leidenschaftlicher Nuda-Fahrer und mein Händler stellte mir die BMW während einer Inspektion als Ersatzfahrzeug zur Verfügung. Es war ein sonniger Tag, ich hatte das Leder schon mal an und es war gerademal 16 Uhr also auf zu einer kleinen Hausrunde.
Fazit meiner ersten Begegnung: viel zu viel PS, eigentlich immer zu schnell, aber ein herrlicher Druck bereits tief im Keller und ein ganz fantastisches Fahrwerk, das ein so noch nie erlebtes gutes Gefühl auf dem Vorderrad produziert.

Bei diesem Gefühl ist es dann über den Winter geblieben. Als ich aber im Frühjahr 2015 das erste Mal wieder durch das Bergische Land hoppelte – die Straßenbeläge sind dort derzeit alles andere als bandscheibenfreundlich – und dann zusätzlich weitere Probleme mit der Ersatzteilversorgung bei Husqvarna drohten, war die BMW wieder ganz präsent und ich inserierte die Nuda kurzerhand zu einem recht hohen Preis.
Eine Woche später stand ein Interessent mit Hänger und der Kohle in bar vor der Tür und lud das Moped nach einer Probefahrt unverhandelt auf – und weg war sie.

Mein Luxus-Problem: schon seit Monaten hatte ich, 3 Tage später über Christi Himmelfahrt, für eine Tour mit Freunden Übernachtungen in den Ardennen gebucht. Die längste Zeit für die Lösung dieses Problems hat dann die Qual der Farbwahl in Anspruch genommen, denn mein Händler hatte die BMW in Blackstorm-Metalic, Racing-Red und Lightwhite-Uni im Laden stehen. Keine 2 Stunden nach dem Verkauf der Nuda war ich stolzer Besitzer einer nagelneuen weißen S 1000 R mit einem kurzen Heck von Wunderlich und inkl. der obligatorischen Pakete „Sport“ (Fahrmodi Rain, Road + Dynamic, Dynamic Pro, DTC, Schaltassistent und Geschwindigkeitsregelung) und „Dynamic“ (elektronisches Fahrwerk DDC, beheizte Griffe, LED-Blinker und einen Motorspoiler in Fahrzeugfarbe).
Obligatorisch deswegen, weil diese Zutaten aus dem Extra-Kasten nicht unerheblich zu dem Alleinstellungsmerkmal dieses Motorrades beisteuern und der Verlust beim Wiederverkauf einer Maschine ohne diese Pakete wahrscheinlich deutlich höher ausfällt als der Paketpreis.

BMW S1000R rechtsMittwochnachmittags holte ich das Moped, in Betrieb genommen und zugelassen, vom Händler ab, direkt am nächsten Morgen ging es früh mit unseren Freunden in die Ardennen. Auf den ersten 60 Transfer-km über die A1 bis Blankenheim kam ich dann erstmalig in den Genuss des Tempomats bzw., wie BMW es nennt, der Cruise-Control. Was ist das für ein herrlicher Luxus! Ermöglicht wird dieser durch elektronisch gesteuerte Drosselklappen, d. h. die Dosierung der Zugkraft erfolgt nicht mehr via Seilzug, sondern eben elektronisch. Neben einer traumhaft präzisen und nahezu lastwechselfreien Gasannahme wurde dadurch quasi als Abfallprodukt so ein „sinnloses“ Extra wie der Tempomat möglich: Keine verkrampfte Gashand mehr bei Autobahn- oder Bundesstraßenetappen, selbst in der Stadt mache ich häufig davon Gebrauch, unter 80 km/h auf der Landstraße auch gerne mal freihändig. Durch Betätigen einer Bremse oder minimalem Zug an der Kupplung deaktiviert sich der Tempomat, nach einer Beschleunigung nimmt er mit Gaswegnahme die vorher eingestellte Geschwindigkeit wieder auf.

Apropos Gas wegnehmen: das macht ja fast mehr Spaß als Gas geben! Denn bei der S 1000 R wird nicht einfach nur der Hahn geschlossen. Nein, dieses Motorrad spritzt dann winzige Benzintröpfchen in den Brennraum, so dass sich das Ganze anhört wie ein alter Vergasermotor im Schiebebetrieb. Rollt man bei etwa 3.500 Umdrehungen am besten leicht abschüssig durch eine Ortschaft, bin ich geneigt den Gashahn immer wieder einen Millimeter zu öffnen und zu schließen, um dieses herrliche Gebrabbel zu erzeugen. Vor Jahren wäre so etwas bei BMW undenkbar gewesen, heute perfektionieren die Bayern sogar die Unvernunft.

BMW S1000R UrlaubNach der Autobahn ging es aber endlich in die Kurven der Eifel und Ardennen. Hier ist die S 1000 R zu Hause, und schon nach wenigen Landstraßen-km – bei vorherigen Mopeds benötigte ich dazu eine deutlich längere Kennenlernphase – war der Hinterreifen rund gefahren. Meine Frau schimpfte beim ersten Stopp dann auch mit mir, dass ich es mit dem neuen Moped doch bitte etwas langsamer angehen lassen solle. Ich habe das – schwör! – überhaupt nicht gemerkt. Die BMW vermittelt von Anfang an ein unglaubliches Vertrauen. Kombiniert mit dem herrlichen Druck aus dem Keller war ich selbst beim Cruisen in den Kurven, aber vor allem aus diesen heraus, anscheinend recht flott unterwegs. „Genervt“ hat lediglich die dauernde Blinkerei im Cockpit. Zum einen ausgesprochen selten verursacht durch den Schaltblitz, der in der Einfahrphase ab Werk bei 7.000 U/Min beginnt zu „stroboskopen“ (wird bei der 1.000-km-Inspektion zurückgesetzt). Zum anderen hatte ich trotz trockener Straße aus Respekt vor der Leistung bei Abfahrt den Rain-Modus aktiviert, der die Leistung von 160 auf 130 PS und von 112 auf 104 Newtonmeter Drehmoment reduziert und das Gas weicher annimmt. Das war ein Fehler, denn was ich nicht wusste: dieser Modus hat auch Einfluss auf die Assistenzsysteme. So besitzt die S1R einen Schräglagensensor, der in Verbindung mit der dynamischen Traktionskontrolle (DTC) in „Rain“ ab einer Schräglage von 38° die Leistung reduziert. Dankbar bei Nässe, im Trockenen doof. Denn bei mehr Schräglage griff die Elektronik bei meiner trockenen Ausfahrt grundlos ein und die Anzeige im Cockpit begann entsprechend zu flackern. Naja, ich hätte mich im Vorfeld auch ruhig mal ein wenig einlesen können …

BMW S1000R HecktraegerNun gut, nach der Inspektion und im Road-Modus war es erstmal vorbei mit diesem Geflackere, wobei ich mit jedem zusätzlich gefahrenen km immer mal wieder gerne die Elektronik und damit das Geflackere beim zügigen aus der Kurve Herausbeschleunigen provoziert habe: zum einen hält dann die Wheelie-Kontrolle das Vorderrad am Boden, zum anderen verhindert die Traktionskontrolle ein Wegrutschen des Hinterrades und eliminiert damit u. a. den gefürchteten Highsider. Aber Obacht: wir reden hier von Fahrassistenz- und nicht von Hirnersatzfunktionen. Im Gegensatz zum Rennstreckeneinsatz ist das DTC auf der Landstraße im Grenzbereich mit Vorsicht zu genießen, denn bei sich dann negativ veränderndem Untergrund (Unebenheiten, wechselnde Belege, Bitumenstreifen, Rollsplit, Nässe etc.), schlimmstenfalls in Kombination mit einer digitalen Gashand, rettet auch keine Elektronik mehr!

BMW S1000R TanktascheNeben „Rain“ und „Road“ stehen weiterhin noch die Fahr-Modi Dynamic und Dynamic pro zur Verfügung, die allen Pfeiffers und Rossis dieser Motorradwelt eine noch sportlichere und assistenzfreie Fahrweise ermöglichen.

Würde dieses Motorrad maximal 7.000 U/Min drehen, könnte ich es guten Gewissens als Einsteiger-Moped empfehlen. Mit der Leichtigkeit eines Fahrrades läuft hier alles rund und quasi selbstverständlich, die lineare Kraftentfaltung macht berechenbare Freude in jeder Drehzahllage. Über 7.000 U/Min ist die S1R aber alles andere als einsteigerfreundlich. Die ungeheure Kraft, die dann bis 12.800 Umdrehungen freigesetzt wird, führt selbst erfahrene Biker an ihre Grenzen und ist in meinen Augen auch nur auf abgesperrter Strecke voll auszukosten.
Nur dieser PS-starke Motor erlaubt es derart elastisch in unteren Drehzahlen ans Werk zu gehen. Nur dieser ist aber auch dafür verantwortlich, dass sich die Fuhre oben rum dann so entwickelt, wie sie ausschaut: in ein überschäumendes Biest.

Apropos Aussehen: Hier präsentiert sich eine vor Kraft strotzende und gleichzeitig mit 207 kg leichtgewichtige technische Perfektion. Die Frontmaske mit dem Terminator-Blick verleiht ihr eine absolute Eigenständigkeit. Italienisch-chic ist anders, aber das war wohl auch nie der Anspruch.

 

BMW S1000R CockpitDie Bedienung ist BMW-typisch einfach, alles sitzt übersichtlich am rechten Fleck. Das Cockpit wird dominiert von einer großen Drehzahluhr (Danke, BMW die „Balkendiagramme“ bei der Konkurrenz gehen gar nicht!), in die in das untere rechte Viertel ein rechteckiges Display hineinragt mit zentraler Geschwindigkeits- und Ganganzeige. Drum herum finden sich allerlei Infos über Fahrmodi, Dämpfereinstellung, Stufe der Griffheizung und Tankfüllstand. Sehr nett ist die Trip-Funktion, die auf Knopfdruck vom tatsächlichen km-Stand auf 2 individuell rückstellbare km-Anzeigen, den Durchschnittsverbrauch oder die aktuelle Reichweite wechselt. Letztere meldet sich automatisch, zusammen mit einer orangenen Tankleuchte, bei etwa 80 verbleibenden km und zählt dann rückwärts (eine Tankfüllung reicht je nach Fahrweise für 200 – 250 km, ich benötige im Schnitt knapp unter 6 Ltr./100 km). Für die Rennstrecke liefert das Mäusekino über einen separaten Taster noch Infos über Rundenzeiten etc. wie bei der RR. Die Beleuchtung des Cockpits passt sich automatisch der Umgebungshelligkeit an und ist damit immer gut ablesbar.

Die Sitzposition empfinde ich mit meinen 1,75 m als angenehm. Ich komme im Stand mit beiden Stiefeln plan auf den Boden, der Kniewinkel in Aktion ist moderat. Der normale Windschutz erlaubt dauerhaftes bequemes Reisen auf der BAB bis 130 km/h aufrecht und bis 170 km/h geduckt, dann wird es stürmisch. Mit Scheiben aus dem Zubehör geht beides bis zu 40 km/h schneller.

Angeblich läuft die S1R bei 258 km/h in den Begrenzer. Ich persönlich bin bisher nicht über 220 km/h hinausgekommen, weil es mir einfach keinen Spaß macht Sturm zu ernten. Bis dahin war die Stabilität, wahrscheinlich auch Dank des minimal verlängerten Radstandes im Vergleich zur RR, uneingeschränkt sehr gut. Der lenkungsgedämpfte Super­bikelenker greift breit, aber angenehm und erlaubt ein nahezu kraftfreies Einlenken. Die Haltung ist grundsätzlich vorderradorientiert, aber aufrecht genug, um genick- und handgelenkschonend unterwegs zu sein.

BMW S1000R FrontHandgelenke und Wirbelsäule können sich aber auch bei dem Elektronischen Dämpfersystem (DDC) bedanken, welches einen Großteil an Unebenheiten filtert, bevor diese die Knochen malträtieren können. Zudem hält das System die Pneus immer satt auf dem Asphalt. Stellung „Hard“ bin ich noch nie gefahren und ist auch nur für topfebene Untergründe wie die Renne programmiert. „Normal“ deckt sicher über 90 % aller Straßenzustände ab und „Soft“ ist für die Flickenteppiche unserer Teerlandschaft gedacht. Letztere funktioniert gut unter Last. Wenn man jedoch bummelt, wirkt das Fahrwerk manchmal etwas schwammig.
Händisch können die Dämpfer noch dem eigenen Körpergewicht angepasst werden, was vor allem bei leichten oder sehr schweren Piloten empfehlenswert ist, um alle Vorteile des DDC genießen zu können.

Somit taugt dieses Motorrad nicht nur für die Jagd auf der Kurzstrecke, sondern ist durchaus tourentauglich, wenn man nicht gerade 600 km oder mehr auf der BAB abspulen will. Entsprechend werden vom Perfektionisten BMW im Zubehör ein Tankrucksack und eine Textilhecktasche für die Soziussitzbank angeboten. Beide Gepäckaufbewahrungen sind wasserdicht, lassen sich schnell befestigen und reichen locker für eine Tour von 10 Tagen.
Die BMW kann wirklich vieles gut, aber am besten kann sie Kurven. Der Radius spielt dabei kaum eine Rolle. Die Rückmeldung und Stabilität ist so gut, dass ich auch bei hohem Tempo souverän Schräglagen fahre, die ich mich mit vorherigen Mopeds nie getraut hätte. Gleichzeitig lenkt das Gefährt auf der Landstraße nur durch ein wenig Gewichtverlagerung und leichten Druck am breiten Lenker spielerisch ein, Wechselkurven werden zu Leckerbissen und Korrekturen anstandslos verziehen. Selbst durch engste Kehren lässt sich die S 1000 R problemlos zirkeln. Dieser Spagat zwischen Agilität und Stabilität, unterstützt von ganz fantastischen Bremsen, ist grandios gelungen und ganz hohe Technikschule, Chapeau BMW!

Gibt es an diesem Moped überhaupt etwas auszusetzen? 

BMW S1000R AuspuffDas Moped ist – und ich mag es gerne krawallig – unzüchtig laut! Ab 120 km/h vibrieren die Rückspiegel sehr stark. Über 140 km/h braucht man die aber eh nicht mehr, denn wenn man sich duckt ist auf Grund des veränderten Winkels maximal ein Flugzeug darin zu erkennen. Bei über 30 °C Außentemperatur beginnt sich die Hitze des Sammlers unangenehm an der linken Fußraste zu stauen. Im Gegensatz zum Bremshebel ist der Kupplungshebel nicht einstellbar. Warum ist es nicht möglich auch in ein filigranes Heck Haltegriffe zu integrieren?! Neben der Sicherheit für einen Sozius ließe sich dort ohne Probleme Gepäck verzurren und das Moped im Stand deutlich besser rangieren. Beim Freihändigfahren mit Tempomat ist (bei zwei S 1000 R und 3 unterschiedlichen Bereifungen) einen leichter Rechts-Drall spürbar. Reine Gewöhnungssache, aber der Wendekreis beim Rangieren hat PKW-­Dimensionen.

In der Summe aller Dinge handelt es sich bei der S 1000 R nicht einfach nur um einen gestrippten Supersportler. Die Überarbeitung ist derart gut gelungen, dass dieses Motorrad im Alltag eines Hobbyfahrers der Doppel-R, bis auf den Einsatz im Hochgeschwindigkeitsbereich, in jeder Hinsicht überlegen ist. Hauptverantwortlich dafür ist das, vor allem im unteren Drehzahlbereich, deutlich drehmomentstärkere Triebwerk, durch das sich dieses Motorrad ganz entgegen der Supersportgene herrlich schaltfaul bewegen lässt und damit inkl. aller geschilderten Vor- und Nachteile durchaus Tourentauglichkeit beweist. Zudem steht die R, mit der Hightech der Schwester und deren erlesenen Zutaten versehen, allein auf weiter Flur im Vergleich zur nackten Konkurrenz und ist mit einem Listenpreis von 13.350,00 € (plus Überführung plus Zubehör) für BMW-Verhältnisse geradezu ein Schnäppchen.

BMW S1000R DoppelpackNoch ein schönes Kompliment zum Schluss: Meine Frau hat sich auf Grund wohl gepflegter Vorurteile gegenüber BMW lange geweigert, mein Moped zu fahren. Stattdessen ist sie unter Murren und Knurren mit ihrer CBR 600 F hinter mir hergehechelt und hat mich zur Strafe in den Pausen beschimpft, dass ich immer zu schnell aus den Kurven herausbeschleunige. Nachdem ich sie quasi auf mein Moped gezwungen habe, wollte sie nicht mehr absteigen, hat kurzerhand ihren Sportler verkauft und den schwarzen S 1000 R-Vorführer unseres Händlers übernommen. Jetzt – es ist halt alles immer eine Frage der Perspektive – bekomme ich in den Pausen immer Mecker, warum sie sich die BMW überhaupt gekauft hätte, weil ich seitdem immer nur blöd vor ihr herschleiche. Ihr O-Ton zum Moped: „Das Ding fährt so geil, da ist das Aussehen scheißegal“.
Wie heißt es noch so schön? Erfolg macht sexy!