aus Kradblatt 9/19, von Volker Nehl
Wiedereinstieg mit der kleinsten Boxer-GS
Unglaublich. Nach 33 Jahren mopedfreier Zeit steht wieder ein Motorrad auf meinem Hof. Eine BMW R 65 GS, Baujahr 1991.
Richtig gelesen! Eine 65, Keine R 80 G/S. Lediglich 1727 Stück hat BMW von 1987–1992 von dem 27 PS Motorrad produziert, z. T. für ausländisches Militär in einer 48 PS Ausführung. Abgesehen vom Motor entspricht das Motorrad der Ur- G/S von 1980.
Ich erwarb das Gerät im Oktober 2017 vom ortsansässigen DRK Verein mit 12.000 Kilometern auf der Uhr. Der Zustand des Mopeds war lediglich brauchbar.
Meine bisherigen Motorraderfahrungen beschränken sich auf 3,5 Jahre und 35.000 km auf einer Kawasaki KL 250, die ich Anfang der 1980er Jahre über die Felder und Straßen geschrotet habe. Diese kostete damals neu 3500 DM. BMW rief zu der Zeit 9000 DM für die 80er G/S auf.
Auf meiner „neuen“ BMW reichten die alten Metzeler Schlappen für die ersten 2.000 Kilometer, zur Wiedereingliederung in die Moppedmobilität, aus.
Anfänglich war ich nur in Siedlungen und auf kleinsten Wegen unterwegs. 70 km/h empfand ich als irrsinnig schnell. Der dann aufgezogene Heidenau K 60 Scout erwies sich auf den folgenden 10.000 Kilometern als guter Kompromiss für Straße und Acker, der allerdings nicht zu nass sein sollte. Übrigens sind noch 50 % des Profils vorhanden. Kein Wunder, 27 PS können die Puschen nicht so schnell auffressen. Ich fahre 2,0 bar auf den Reifen, so, wie es BMW angibt. Heidenau empfiehlt 2,4 bar. Dann wird das Gerät jedoch recht bockig.
Zur Motorleistung: Die GS hat immer Dampf, davon aber auch immer nur wenig. Immerhin sind die 43 Nm bei nur 3500 U/min recht ansehnlich und sorgen dafür, dass der 2-Ventiler schon ab wenig über 2000 U/min souverän losboxert. BMW nennt eine Vmax von 145 km/h. Bei 125 km/h habe ich bisher immer aufgegeben. Ohne Windschild und mit dem breiten Lenker fühlt sich selbst diese geringe Geschwindigkeit an, als bewege man sich in einem Tornado. Bis 110 km/h ist alles OK.
Ich bin ein Fan analoger Instrumente. Das unförmige Gehäuse der GS (G/S) hat mir jedoch noch nie gefallen. Mit zwei zusätzlichen Anzeigen, Voltmeter und Zeituhr, habe ich die schwarze Plastikmonstranz ein wenig kaschieren können. Beide Geräte funktionieren erstaunlich genau.
Um meine mühsam wiedererworbenen Zweiradfähigkeiten weiter auszubauen, absolvierte ich im April 2018 ein Fahrsicherheitstraining. Alles war dort vertreten. Männlich/weiblich, 125er bis 12er GS, 16 bis 60 Jahre. Der Trainer riet allen Teilnehmern, die erlernten Übungen (Achten fahren, Vollbremsungen, etc.) auch in Zukunft regelmäßig zu üben. Dem kann ich nur zustimmen. Wenn ich an meine Slalomanfänge denke und diese mit heute vergleiche, wird mir freudig klar, dass man auch mit Mitte 50 noch neue Bewegungsabläufe erlernen kann. Sicherlich steckte auch noch einiges im Muskelgedächtnis aus der Fahrerei in den 80ern und meine durchgehenden Fahrradaktivitäten sind bestimmt auch vorteilhaft. Fahrradfahren ist überhaupt die Mutter des Zweiradspaßes. Sonnenuntergang, 20 °C, kurze Hose und T-Shirt. Das ist auf dem Drahtesel einfach göttlich.
Der Mini Boxer ist sehr handlich und leicht zu fahren. Der tiefe Schwerpunkt, das akzeptable Gewicht (200 kg vollgetankt), die gute Übersicht (keine Verkleidung) und auch der bullige Motor ermöglichten meiner Tochter und meiner Frau, trotz keinerlei Motorraderfahrung, ein schnelles Erfolgserlebnis. Schon nach wenigen Einfahrminuten konnten beide die ersten Achten auf einem Feld fahren.
Im Zweimannbetrieb bietet die Maschine ausreichend Platz, Bequemlichkeit und Federweg. Bei montierten original Krauserkoffern ist die Fußfreiheit für den Beifahrer etwas eingeschränkt .
Es ist auf jeden Fall von Vorteil, wenn man von der gewaltigen Motorleistung im Zweipersonenmodus keine Wunder erwartet. Was übrigens auch für die Bremse gilt. Die Bremsleistung ist zwar gut, aber die 260 mm Scheibe wünscht alle 4 Finger für minimalen Bremsweg.Auf nasser Straße ist das Vorderrad auf jeden Fall blockierbar.
Der Kraftstoffverbrauch liegt bisher bei 5,3 l/100 km. Der Ölverbrauch unter 0,1 l/1000 km. Zwei Inspektionen hat das Motorrad in meiner Zeit hinter sich. Der Originalendtopf ist an Rostbefall gestorben und wurde durch ein Siebenrock Produkt im Originallook ersetzt. Die Sitzbank wurde neu gepolstert. Zwischenzeitlich aufgetretener unrunder Motorlauf und Startschwierigkeiten konnten durch Vergaserreinigung und Einstellung, sowie Tausch der Kerzen und Zündkabel und Einbau eines überholten Hallgenerators beseitigt werden. Darüber hinaus habe ich selbst auch ca. 50 Stunden Arbeit in die BMW gesteckt. Größtenteils waren es Schönheits- und Sauberkeitsmaßnahmen.
Die bisher längste Reise des Moppeds führte an die Nordsee. Allerdings nicht selbstfahrend, sondern im VW T5. Mit geringem Aufwand lässt es sich in das Fahrzeug hieven und darin verzurren. Wir nutzten die 65er GS dort für Tagesausflüge. Überhaupt sind meine Touren eher kurz. 50 bis 100 km, gerne auch nach Feierabend und vorzugsweise über kleine Straßen und Feldwege, meistens unter 90 km/h. Ich erwäge die Montage eines Windschildes um den „Hochgeschwindigkeitskomfort“ zu verbessern. Da bisher nichts Ansprechendes zu finden war, könnte es ein Eigenbau werden. Oder eine alte 11er GS, da ist das Schild ab Werk verbaut.
Als ich meine GS gefunden habe, war ich etwas enttäuscht, dass es sich nicht um eine 800er mit 50 PS handelte, aber ich habe immer noch einen Riesenspaß mit den 27 Pferden. Und es ist bei meinen bisher erworbenen Fähigkeiten noch viel Luft nach oben, unabhängig von der Motorleistung. Wer eine Kurve nicht sauber und schnell mit wenig Leistung fahren kann, wird es mit viel Leistung nicht besser machen. Aussagen einiger Medien, dass es sich bei einem 50 oder gar 70 PS Motorrad um eine Anfänger Maschine handelt, sind kontraproduktiv. Sie implizieren, dass erst dreistellige PS Zahlen ein mächtiges Motorrad ausmachen. Welcher 350 PS Porsche Fahrer würde sein Auto als Anfängermobil bezeichnen, nur weil es auch noch Bugattis mit 1000 PS gibt?
Mittlerweile hat das Motorrad übrigens 32.000 Kilometer runter, 20.000 davon habe ich in den vergangenen 22 Monaten draufgespult. Die Heidenau K 60 Scout sind nach 18.000 km immer noch drauf, Rest-Profiltiefe vorne 3 mm, hinten 5 mm.
Insgesamt ist die BMW R 65 GS ein sehr zuverlässiges, robustes und handliches Motorrad. Eine Yamaha Ténéré 700 könnte aber noch dazu kommen, die gefällt mir auch sehr gut …
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Kommentare
2 Kommentare zu “BMW R 65 GS”
Hallo, ein wirklich sehr schöner Artikel! Vieles im Text und den gemachten Erfahrungen kann ich nur bestätigen, denn seit Mitte 2021 bin ich auch stolzer Besitzer ein der selten R65GS.
Es macht einfach nur Spaß dieses Kultmoped zu fahren.
Hallo, kann nur unterschreiben, dass die R 65 GS ein sehr zuverlässiges Motorrad ist und man auch mit „nur“ 27 PS viel Spaß haben kann. Ich besitze dieses Motorrad seit April 1989.