aus bma 8/11

Text & Fotos: www.Winni-Scheibe.com

BMW R 60 BobberAls Bauingenieur saniert Dirk Staubach Häuser und Gebäude aller Art. In seiner Freizeit lässt er bei seinen Motorrädern dagegen kaum ein Teil auf dem anderen. Als einen Bobber möchte er seine BMW eigentlich nicht bezeichnen. Funktions-Maschine passt ihm besser.

Irgendwie erinnert die BMW an eine Maschine aus den 1950er Jahren. An eine Zeit als jede Farbe erlaubt war, vorausgesetzt sie war Schwarz. So ganz mit allem beisammen scheint das Kraftrad jedoch nicht zu sein. Fast kommt einem der schreckliche Verdacht, das gute Stück musste bereits als Teileträger herhalten.

BMW R 60 BobberDirk Staubach lacht: „Für mich bedeutet das Motorrad-Hobby mehr schrauben als fahren. Dabei lasse ich meiner Fantasie freien Lauf. Unnötige Sachen werden abgebaut oder durch andere Bauteile ersetzt. Was ich dabei verwende, kann unterschiedlichster Herkunft sein und von gänzlich anderen Marken stammen. Zum einen habe ich ein reichliches Vorratslager, zum anderen besuche ich alle möglichen Oldtimer-Märkte und bringe regel­mäßig etwas mit nach Hause. So wie die BMW im Moment dasteht, bedeutet das allerdings nicht, dass sie so auch bleibt. Nächstes Jahr kann sie schon wieder ganz anders aussehen. Vielleicht mit Doppelscheinwerfer, einem etwas höhren Lenker, anderen Armaturen, einer hochgelegten 2-in-1 Auspuffanlage oder wer weiß was sonst noch.”

Der handwerklich begabte Architekt verlässt sich dabei auf sein Bauchgefühl. Alle Umbaumaßnahmen sollen optisch zusammenpassen. Was dem 45-jährigen aber noch viel wichtiger ist, ohne Glimmer und Gloria müssen alle technischen Ausführungen ihre Funktion erfüllen. Und je weniger es sind, um so praktischer. Ein vorderes Schutzblech braucht kein Mensch, Blinker, die erst ab Baujahr 1962 vorgeschrieben sind, auch nicht und wer Gefühl und gute Ohren hat, braucht auch keinen Drehzahlmesser.

BMW R 60 Bobber CockpitAuf das Bremslicht möchte der Boxer-Fan aus Sicherheitsgründen allerdings nicht verzichten, und für zuverlässigen Motorlauf werkelt eine elektronische Zündanlage hinter dem Stirndeckel. Aber die sieht kein interessierter Betrachter. Die Kritik, dass seine BMW nicht perfekt lackiert, verchromt und poliert ist, lässt Dirk Staubach nicht gelten: „Meine Maschine soll kein Ausstellungsstück sein, sondern etwas zum zuverlässigen Fahren. Möglichst ursprünglich, reduziert auf die drei wesentlichen Dinge wie Fahrwerk, Räder und Motor.”

Zu seinen Schrauberfähigkeiten verrät der Westfale: „Am liebsten erledige ich alle Arbeiten in meiner Werkstatt. Nur was ich mit sägen, feilen und bohren selbst nicht hinbekomme, lasse ich bei Spezis von mir auf Dreh- oder Fräsmaschine anfertigen.”

BMW R 60 BobberAus Zwei mach Eins – Als Basis für den Umbau diente ein aus Holland stammendes R60-Vollschwingenfahrwerk von 1956. Damit wie vorgesehen das R60/7-Triebwerk von 1978 sowie der /7-Kardanwinkeltrieb seine neue Aufgabe meistern konnten, musste die Schwinge um 50 mm verlängert werden. Aus der /6er Modellreihe stammen die Telegabel und das Vorderrad. Technisch nicht notwendig, da aber optisch so gewollt, verkürzte Dirk Staubach die Gabel um 40 mm. Mit diesem Trick liegt das Doppelschleifenfahrwerk nun, horizontal betrachtet, mit den gleichen Abständen zur Fahrbahn. Stam­mt der von Hand schwarz lackierte Tank von einer Harley-Davidson Sportster, müssen als Fundorte für Scheinwerfer, Sattel, hinteres Schutzblech, Motorentlüftung sowie etliche Kleinteile Oldtimer-Märkte benannt werden.

„Als ich Anfang 2009 mit dem Projekt loslegte, hatte ich eigentlich keinen Plan. Nur soviel, es sollte eine puristische Fahrmaschine werden. Dass es die Bobber-Stilrichtung schon vor über 60 Jahren in Amerika gab, wusste ich nur ansatzweise. Die US-Biker hatten damals ihre überladenen Harleys und Indians von allem Ballast befreit. Durch die Diät verfügten die Maschinen plötzlich über eine viel bessere Beschleunigung. Bei den legendären Sprintrennen von Ampel zu Ampel zeigten die wilden Burschen auf ihren skurrilen Bobbern anderen Motorradfahrern, wo der Hammer hing. Mag meine BMW auf andere wie ein Bobber wirken, für mich zählt das Fahrerlebnis und das spielt sich in beschaulichem Tempo ab”, lässt Dirk Staubauch zum Abschluss wissen.

Technische Daten:

Leistung:
40 PS bei 6400/min

Motor:
Viertakt-Zweizylinder-Boxermotor R60/7 von 1978, luftgekühlt, zwei Ventile pro Zylinder, über untenliegende Nockenwelle und Stoßstangen betätigt, Bohrung x Hub 73,5 x 70,6 mm, Hubraum 599 ccm, Verdichtung 9,2:1. Zwei 26 mm Bing-Schiebervergaser, Zubehör-Luftfilter von Louis, Eigenbau-Schalldämpfer. Nasssumpfschmierung ohne Ölkühler, elektronische-Zündanlage mit Fliehkraftversteller, Elektrostarter, Fünfganggetriebe, Endantrieb p. Kardan.

Fahrwerk:
Stahlrohr-Doppelschleifenrahmen R60 von 1956, vorne /6-Telegabel, Baulänge um 40 mm gekürzt, /6 Vorderrad. R60-Schwinge um 50 mm verlängert, Kardan-Winkelantrieb 32/10 und Hinterrad aus der /6-Modellreihe. Vorderrad Metzeler-Reifen 3,25S19, Hinterrad Continental-Reifen 4,00S18, Bremse vorne /6 Duplex-Trommelbremse 200 mm Durchmesser, Bremse hinten /6 Trommelbremse 200 mm Durchmesser. Harley-Davidson Sportster-Tank, Inhalt 12,5 Liter, Gewicht fahrfertig 168 kg.

Preis:
Teilekosten zirka 3500 Euro inkl. Rahmen, Motor etc.