aus Kradblatt 12/23 von Torsten Thimm und Bernhard Jänicke
Fotos: Thimm / Jänicke / BMW

Neue GS-Evolutionsstufe

Mehr Offroad oder mehr Straße? Konfiguration der BMW R 1300 GS nach Belieben …
Mehr Offroad oder mehr Straße? Konfiguration der BMW R 1300 GS nach Belieben …

Die Vorstellung der neuen BMW R 1300 GS wurde von vielen GS-Fans heiß erwartet. In dieser Ausgabe präsentieren wir euch daher gleich zwei Fahr­eindrücke. Einen von Torsten Thimm, der ja öfter für uns schreibt und einen von Kradblatt-Leser Bernhard Jänicke. 

Die BMW GS, mittlerweile seit gut 30 Jahren ein Mythos der internationalen Motorradgeschichte und zugleich ein Modell, das von BMW immer wieder aufs Neue gehegt, gepflegt und neu erfunden wird. Sie ist und bleibt nun mal die eierlegende Wollmilchsau der Marke, ist Benchmark wie auch technischer Vorreiter in vielen Gebieten und zugleich Blaupause für die Mitbewerber im Segment der Reiseenduros. 

Torsten bei der Präsentation im Odenwald
Torsten bei der Präsentation im Odenwald

Aber mal ehrlich, wer hätte vor 100 Jahren gedacht, dass das Boxerprinzip mit seinen ausladenden Formen einmal „DAS“ Motorkonzept bei BMW im Motorradbau werden würde? Wahrscheinlich genauso wenige wie diejenigen, die geglaubt haben, dass dieses Konzept heutzutage 145 PS Spitzenleistung bei 7.750 Umdrehungen und 150 Nm Drehmoment bei 6.500 Umdrehungen auf den Asphalt drückt. Es hat sich viel in der Entwicklung getan und mit modernen Werkstoffen und einer Flüssigkeits-/Luftkühlung sind solche Leistungen auch bei steigenden Umweltauflagen möglich. Dabei ist der komplett neu entwickelte 1300er Motor nun auch wirklich ein echter 1300er. Es gibt keine krummen Hubraumzahlen mehr, wie noch zuvor bei den 1250er Modellen. Die beiden Kolben haben 106,5 Millimeter Durchmesser und ziehen ihre Bahnen auf 73 mm Länge (bei der 1250er waren es 76 mm). 

Dabei versprechen nicht nur die nackten Maximalzahlen richtig Dampf im Kessel. BMW hat es mit dem neuen Motor geschafft, auch im mittleren Drehzahlbereich noch einmal zuzulegen. Hier stehen jetzt stets deutlich spürbar rund 125-130 Nm Drehmoment an. Das zaubert dem Fahrer gerade im kurvig-bergigen Gelände ein breites Grinsen unter den Helm, zumal der Motor die Gasbefehle der rechten Hand über das elektronisch gesteuert Gas so sauber umsetzt, dass sich kein Fahrer vom kraftvollen Antritt der Maschine überfordert fühlt – auch wenn er mal einen Gang zu viel runterschaltet. Das 6-Gang-Getriebe und die Kupplung lassen sich leicht bedienen. Gegen Aufpreis gibt’s einen bidirektionalen Schalt­assistenten (nur zusammen mit dem Dynamik Paket, 1.610 €).

War das Beschleunigen zu Zeiten der letzten Boxergeneration noch mit sattem Boxersound untermalt, so ist es bei der neuen GS leider ganz anders. Der typisch sonore Klang geht in der Auspuffanlage verloren. Die kommenden gesetzlichen Vorschriften und andere Einschränkungen sorgen sogar dafür, dass selbst mit der verbauten Akrapovič-Anlage (sie ist sogar noch zwei Dezibel leiser als das Original) kein Klangvolumen mehr zu erzeugen ist. Das Thema Motorsound in Verbindung mit Emotionen ist daher für mich persönlich eines der größten Mankos der neuen Maschine. Wobei es mir nicht um ohrenbetäubenden Lärm mit Auspuffklappen geht, sondern einfach um einen guten Sound. Somit halten sich für mich zumindest in diesem Bereich die Emotionen trotz der fulminanten Werte in Grenzen und das „HEYYYYY“-Gefühl fehlt mir leider ein wenig, auch wenn der Rest des Paketes passt.

Armaturen und Cockpit der BMW R 1300 GS
Armaturen und Cockpit der BMW R 1300 GS

Zum Rest des Paketes gehört in dem Fall die Ausstattung. Hier punkten die Bayerin schon mal gleich in Sachen Grundausstattung. Für 19.100 Euro gehören vier Fahrmodi (Road, Rain, Eco und erstmalig auch Enduro) zum Programm. Weitere Modi gibt es gegen Aufpreis. Die Abstimmung ist gelungen, wobei man sich an den ECO-Modus erst einmal gewöhnen sollte, da er beim Beschleunigen Kraft aus dem Antriebsstrang nimmt und somit sparsamer fährt. Mal eben schnell damit überholen, macht im ECO keinen Spaß. 

Großes Farb-TFT mit umfangreichen Infos
Großes Farb-TFT mit umfangreichen Infos

Ergänzt wird die Grundausstattung der R 1300 GS durch die aktualisierte Dynamische Traktionskontrolle (DTC), die bei der Probefahrt nicht einmal muckte, das schräglagenoptimierte ABS Pro, eine Berganfahrhilfe, die echt praktisch ist, den adaptiven Tempomat (Dynamic Cruise Control mit Bremsfunktion), Spurwechsel- und Kollision-Warnassistent (die kleinen Dreiecke in den Spiegeln kennen wir ja bereits von den Autos), Keyless Ride, MSR, RDC, Griffheizung, die polarisierende LED-Ausstattung, das bekannte 6,5 Zoll große Vollfarb-TFT-Display mit Bluetooth Anbindung, Navigation und der bekannten Connectivitiy, USB-Anschluss und 12 V Bordspannungssteckdose, einstellbare Handhebel und intelligenten Notruf. 

Wer mehr möchte – ich nehme an, 2/3 der GS-Käufer wollen das – der bekommt es natürlich und so wandert der Preis je nach Ausstattung ziemlich schnell auf über 30.000 €. Bei meiner eigenen Wunsch-Konfiguration landete ich bei knapp 29.000 €, obschon mir die Pure bereits reichen würde. 

Jetzt als EVO: der Paralever
Jetzt als EVO: der Paralever

Beim Fahrwerk geht BMW keine Kompromisse ein. Die R 1300 GS verfügt ab Werk über ein hochmodernes, elektronisch geregeltes Fahrwerk, Dynamic Suspension Adjustment genannt (DSA, ersetzt das alte ESA). Das Fahrwerk passt in Abhängigkeit von gewähltem Fahrmodus, von Fahrbahnzustand und der Fahrweise die Dämpfung und Federrate dynamisch – also fortwährend – an. Das Resultat ist bemerkenswert. Zusätzlich sorgen die neuen EVO-Telelever (Gabel) und EVO-Paralever (Schwinge) für mehr Stabilität und sehr guten Fahrkomfort. Durch das ebenfalls neu entwickelte Rahmenkonzept wirkt die Maschine insgesamt kompakter und in der Seitenansicht nicht mehr so zerklüftet wie ihre Vorgänger. Bei der Entwicklung des neuen Rahmens wurden erstmals zwei unterschiedliche Komponenten miteinander verbunden. Der Blechschalen Hauptrahmen, der in Teilen optisch einem Deltaboxrahmen der 1990er Jahre ähnelt, nimmt vorne den mittragenden Motor und das Frontend auf. Hinten wird er durch einen alles verdeckenden Aludruckgussrahmen ergänzt. Das spart Gewicht, senkt die Produktionskosten und wird manchen wegen der Geschlossenheit gefallen. Andere GS-ler werden wohl die sichtbare, optisch leichter wirkende Stahlgitterkonstruktion des Vorgängers am Heck vermissen. Mit 237 kg vollgetankt und einer Zuladung von 228 kg kommt die Neue auf das gleiche zulässige Gesamtgewicht wie die 1250er, ist aber insgesamt 12 kg leichter als das alte Modell.

Auch der Telelever trägt jetzt ein EVO im Namen
Auch der Telelever trägt jetzt ein EVO im Namen

Und leichter ist bekanntlich besser! Gerade auf den engen und zugleich kurvigen Strecken in meinem heimischen Odenwald, mit teils unsauberem Asphalt, spielt die neue GS ihre Stärken aus. Während man als Fahrer den breiten Lenker entspannt bewegt, rollt die Maschine unbeeindruckt über schlechten Belag und gleichzeitig präzise dorthin, wo man sie haben will. Das Wedeln macht, dank ihrer Handlichkeit, unsagbar viel Spaß. Und auch das satte Drehmoment des Motors hat hier ein Wörtchen mitzureden. Seine kräftige Mitte war auf der Testrunde einfach überzeugend und am Ende erzeugte es das gewisses „MEHR MEHR“ im Kopf.

Bei so viel Vortrieb sei auch noch erwähnt, dass die Bremsanlage der GS ebenfalls sehr gut funktioniert. Die Druckpunkte sind klar definiert und fangen auch nach mehrmaligem starken Abbremsen bergab nicht zu wandern an. Zusammen mit dem ebenfalls optimierten ABS bietet das System ein hohes Maß an Sicherheit im Kopf und natürlich auch auf der Straße.

Optik? Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, oder doch? Nennen wir die Abkehr vom klassischen Frontgesicht, mit Karl Dall Blick, hin zur neuen Lichteinheit einfach mal eine provokant polarisierende Veränderung. Eine die gefällt, oder eben nicht. Auf jeden Fall entsteht in Verbindung mit dem steileren Schnabel und dem elek­trisch höhenverstellbaren Windschild eine weniger zerstückelte Frontpartie, die zugleich seitlich betrachtet harmonischer in die Tank/Sitzbanklinie übergeht. Designtechnisch praktisch gelöst ist dabei der Übergang von der Sitzbank in den Tank. Man spart sich mit dem auf den Tank fortgeführten Sitzbankbezug ein Tankpad. Wie lange dieser Kunstlederbezug dort hält, wird die Praxis zeigen. Das nicht abschließbare Ablagefach vor dem Tankdeckel ist praktisch und nimmt unter anderem den Schlüssel, die Sonnenbrille oder andere Utensilien auf. An der Frontpartie wandern die Blinker von der althergebrachten Position in die Handprotektoren. Wie das im Gelände und bei einem Sturz dann ausgeht wird BMW sicherlich ausgiebig getestet haben – in Internet-Foren ist es schon jetzt ein heiß diskutiertes Thema. Skeptiker bekommen die vorderen Blinker auf Wunsch auch an den klassischen Befestigungspunkten angebracht geliefert. 

Handy-Fach mit USB Anschluss im Tank
Handy-Fach mit USB Anschluss im Tank

Auch am Heck wurde Hand angelegt und es regiert neben dem schon erwähnten, jeweils farblich abgestimmten Aludruckgussrahmen, schwarzer Kunststoff. Rücklicht und Blinker bilden am Nummernschildausleger eine Einheit, dazwischen gibt es einen dicken Kunststoffblock. Der wird es schwer machen am Heck der GS groß etwas zu verändern, denn so wie es aussieht, gehört er – wie sein großes schwarzes Gegenstück oberhalb des Scheinwerfers – zum Riding Assistent mit Active Cruise Control (ACC), zur Frontkollisionswarnung (Front Collision Warning FCW) und dem Spurwechselwarnungssystem (SWW), welche laut BMW für noch sichereres und komfortablereres Motorradfahren sorgen sollen. In Anbetracht dessen, dass gefühlt 2/3 der GS-Maschinen sowieso meistens im Vollkofferbetrieb gefahren werden, fällt das nackte Heck am Ende wohl weiter gar nicht mehr so auf. 

Apropos Koffersystem: Vario Koffer und Vario Topcase mit integrierter USB-Lademöglichkeit und Beleuchtung sowie Einbindung in die Funk-Zentralverriegelung für maximalen Komfort sind hier die Neuerungen. Im Hinblick auf Technik und Funktionalität setzt das neue Vario-Gepäcksystem einmal mehr Maßstäbe (sagen die Verantwortlichen). Elektronische Geräte, wie Smartphone, Tablet oder Laptop können jetzt im Gepäckinnenraum des linken Vario-Koffers geladen werden. Dort befindet sich eine USB-A-Buchse, die das Laden über das Bordnetz mit einer Ladeleistung von bis zu 15 W ermöglicht. Ein weiterer USB-A-Anschluss befindet sich im Topcase. Zudem sorgt die integrierte Beleuchtung für bestmöglichen Komfort beim nächtlichen Be- oder Entladen. Durch die zweistufige Volumenverstellung der Vario Koffer und des Vario Topcases wird insgesamt ein Fassungsvermögen von maximal rund 97 Ltr. erreicht. Das sollte für ausgedehnte Reisen reichen. 

Die neuen Vario-Koffer sind perfekt integriert
Die neuen Vario-Koffer sind perfekt integriert

Dass eine GS komfortabel ist, haben die Vorgängermodelle reichlich bewiesen und auch die Neue hat dieses Gen vererbt bekommen. Die beiden Sitzbankteile sind in der Komfortvariante beheizbar und lassen in Sachen Bequemlichkeit kaum Wünsche offen. Durch die Höhenverstellbarkeit des Sitzes und verschiedene lieferbare Polsterstärken ist die GS zudem großen wie kleineren Fahrern zugänglich. Das adaptiv höhenverstellbare Fahrwerk kommt als neues Feature gegen 500 € Aufpreis (nur zusammen mit dem Dynamik Paket) hinzu und spart so die von Werk aus tiefergelegten Varianten der GS. 

Ausziehbar und damit mehr Volumen: Vario-Koffer
Ausziehbar und damit mehr Volumen: Vario-Koffer

Wie üblich wird all die Elektronik über die Lenkerenden bedient. Diese sind auch bei der R 1300 GS vollgepackt mit Schaltern, Bedienwippen und dem BMW typischen Drehrad. Auch wenn all die Funktionen mit der Zeit intuitiv ablaufen werden, bedarf es schon einer gewissen Einarbeitung, bis man wirklich alles herausgefunden hat. Bei der Testrunde war das alles leider so nicht möglich. Allerdings konnte ich neben den tollen Fahreigenschaften feststellen, dass die Frontscheibe den Windstrom sehr gut an meiner Helmabrisskante vorbeigeführt hat und das sogar bei 160–170 km/h auf der Autobahn. Die Spiegel mit ihrem aufleuchtenden orangenen Dreieck warnen frühzeitig beim Spurwechsel und auf dem 6,5 Zoll Display hat man stets den Überblick über die Funktionen der Maschine. 

Den Benzinverbrauch nach WMTC gibt BMW mit 4,8 Liter je 100 km an. Nach oben und unten ist da bekanntlich immer Luft. Die Wartungsintervalle liegen bei 10.000 km. Neu hinzu kommt lt. Wartungsplan allerdings der Tausch der Kardanwelle im Zuge der 80.000er Inspektion. Wie die Zeitschrift MOTORRAD Ende Oktober berichtete, sollen auch bei den R-Modellen mit wassergekühltem Boxer-Motor ab Bj. 2013 die Wellen sicherheitshalber jetzt bei 60.000 km getauscht werden.

Fazit: Die neue BMW R 1300 GS polarisiert und ganz ehrlich, das soll sie auch. Manchmal muss man Altes zerstören, um Neues schaffen zu können (wir erinnern uns z.B. an den Sprung von der 2- zur 4-Ventiler GS). Wäre das nicht so, gäbe es wohl längst keine GS und evtl. sogar BMW-Motorrad nicht mehr. 

Die neue Optik tut dem Fahrspaß keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Sieht man einmal vom sehr verhaltenen Sound ab, ist der neue Motor eine echte Wuchtbrumme. Fahrwerk und Bremsen lassen keinerlei Wünsche offen, ebenso wenig wie die Reisetauglichkeit. Der Grundpreis von 19.100 Euro ist angesichts der Ausstattung und mit Blick auf die Mitbewerber fair. 

Bleibt die Frage, ob ich als R 1250 GS Besitzer tauschen und mir stattdessen eine 1300er in die Garage stellen soll? Nun, das hängt natürlich davon ab, was der Geldbeutel hergibt und inwieweit ich mich mit dem neuen Outfit der Maschine identifizieren kann. Eins ist klar: einen Rückschritt in Sachen Technik mache ich mit der Neuen nicht. Fahrt sie am besten selbst mal Probe.

Torsten Thimm

2. Meinung – Probefahrt bei BMW Bergmann & Söhne in Neumünster

Bernhard bei der Präsentation der BMW R 1300 GS
Bernhard bei der Präsentation

Mein erster Blick auf diese Maschine war wohlwollend. Schon bei der Betrachtung der Videos und Bilder im Internet muss ich bekennen, dass das die erste GS von BMW ist, die ich wirklich sehr hübsch fand. Sie wirkt gefälliger, graziler und schlanker als die, in meinen Augen, klotzigen, klobigen und allzu üppig ausgefallenen GS-Vorgänger. 

So stand sie also vor mir und ich durfte sie eine halbe Stunde fahren. Gott sei Dank war das Wetter regnerisch und der Andrang der an der Probefahrt Interessenten sehr gering. Viele waren mit dem Auto gekommen. 

Neu ist die ganze Software, die mir Hauke, einer der Bergmann-Verkäufer, Gott sei Dank einstellte. Das Wichtigste, der Motor An- und Ausschalter, befindet sich jetzt am rechten Lenkerende, links neben dem Gasgriff. Für die Bedienung und Einstellung wird der neue Besitzer dieses Motorrades sicherlich eine geraume Zeit benötigen, bevor er zumindest das Notwendigste so eingegeben hat, dass es für ihn richtig passt! 

Ich setzte mich auf das Motorrad und kam, obwohl ich nicht gerade klein bin, gerade noch mit den Fußspitzen auf den Boden. Alles andere, wie Sitzbank, Lenkereinstellung, Blick auf das Cockpit, Scheibenhöhe (elektrisch einstellbar) und Spiegeleinstellung passte so ganz gut. 

Beim Belasten des Motorrades mit meinem Körpergewicht sank es merklich tiefer ein, als ich es von meiner BMW R 1250 R gewohnt war. Beim Auf-und-abBewegen meines Körpers fiel mir auf, dass der Federweg sehr groß sein musste. Bei diesen Wipp-Bewegungen blieb das Motorrad vorn und hinten stets gleichmäßig in der selben waagerechten Position und Federung wie Dämpfung verhielten sich dabei vorbildlich gleichförmig und abgestimmt. 

Nach Starten des Motors war ich zunächst überrascht. Es ist nicht mehr das tiefe, dumpfe und laute BMW boxertypische Grollen von Motor und Auspuff zu hören. Diese sind offenbar mit technischen Mitteln wesentlich gedämpft worden. Dafür hört man etwas lauter die mechanisch und heller klingenden Geräusche des Triebwerks. 

Beim Losfahren stellte sich, wie bei den Vorgängern, der gleiche Effekt ein. Wohl auch durch den sehr breiten Lenker geschuldet, fühlte sich die Maschine in dem Moment äußerst leicht händelbar an, fast wie bei einem Fahrrad.  Schnell fühlt man sich auf diesem Motorrad wie „zu Hause“. Alles lässt sich gut händeln und bedienen, der Motor läuft rund, arbeitet sanft, mit kaum merkbaren Vibrationen in allen Drehzahlbereichen, beinahe einem Elektromotor gleichend. Das Motorrad strahlt Ruhe aus, die sich schnell auf den Fahrer überträgt. Trotz nasser Fahrbahn und viel nassem Herbstlaub fühlte ich mich stets sicher, entspannt und geborgen. 

In Vollausstattung knackt man im Konfigurator locker die 30.000 € Marke
In Vollausstattung knackt man im Konfigurator locker die 30.000 € Marke

Mir kommt es beinahe so vor, als ob es egal wäre, welchen Gang man für eine bestimmte Geschwindigkeit wählt. Bei etwa Stadtgeschwindigkeit könnte man wohl jeden x-beliebigen Gang wählen, ohne dass der Motor ruckelt oder unruhig würde. In allen, vor allem unteren Drehzahlbereichen, ist ein ruckelfreies und gewaltiges Beschleunigen problemlos möglich. Im Vergleich zu meiner R 1250 R kommt mir das Fahrverhalten allerdings etwas „gemächlicher“ und „langatmiger“ vor. Vielleicht liegt es daran, dass die R 1300 GS deutlich spürbar länger übersetzt ist als meine R 1250 R. Von der bin ich es gewohnt, dass sie beim Beschleunigen mit gefühlt unbändiger ungezügelter Kraft zornig nach vorne will, als ob sie überhaupt nicht mehr zu halten wäre und die Pferde mit ihr durchgingen. Dazu, wenn ich dann das Gas wegnehme, geht sie so „in den Keller“ und nimmt so abrupt an Geschwindigkeit ab, dass ich öfters von folgenden Motorradfahrern darauf aufmerksam gemacht werde, dass mein Bremslicht nicht ginge. Hier verhält sich die neue GS gefühlt zunächst etwas bedächtiger. 

Etwas später auf der Autobahn wollte ich es aber nun doch etwas genauer wissen. Der Verkehr ließ es zu und ich zog die Gänge nun höher um schnell zu beschleunigen und hier zeigte sie mir endlich, dass sie noch sehr viel mehr drauf hat. Volle Kraftentfaltung ohne Ende, na siehst du, es geht doch! 

Das Getriebe lässt sich, auch ohne das Betätigen der Kupplung, extrem gut mit sehr kurzen und exakten Schaltwegen leise betätigen, nur beim Einlegen vom Leerlauf in den ersten Gang wird der wieder mit einem altbekannten „BMW-KLACK“ laut und deutlich vom Getriebe quittiert. Mir ist übrigens nur ein einziges BMW Boxermotorrad bekannt, das diese Eigenschaft nicht hat. Bei der BMW R nineT hatte ich während meiner Probefahrten dieses Phänomen nicht feststellen können. 

Die Landstraßenfahrt mit der Neuen war ein Genuss. Man fährt mit der GS, wie ich es auch schon von den GS-Vorgängern kenne, unaufgeregt, souverän und mit stoischer Normalität eine Kurve nach der anderen ab, als wenn es das normalste wäre. Sei es eine spitze Kurve, sei es eine lange schnelle Kurve oder sei es eine Straße mit holpriger und mangelhaft ausgebesserter Asphaltoberfläche, mit purer Selbstverständlichkeit und mit kaum spürbaren Stößen im Fahrwerk wird alles hinter sich gelassen. Dieses saubere Durchfahren, auch von problematischen Straßen ist, nach meiner laienhaften Einschätzung, sicherlich unter anderem dem Teleleversystem von BMW zu verdanken. Bei dieser Probefahrt wurde mir wieder bewusst, wie toll eigentlich diese Federungsart ist. Selber bin ich, angefangen von der BMW R 1100 S über die luftgekühlten BMW R 1200 R viele Kilometer mit Telelever gefahren und war immer voll zufrieden. 

Seit BMW die zusätzliche Motorkühlung mit Flüssigkeit versehen hat, blieb leider nur noch Platz für eine, natürlich auch nicht schlechte, Upside-down-Telegabel, die ihre Arbeit sicherlich sehr gut verrichtet. Auch wird von Experten der große Vorteil dieser Telegabel ins Feld geführt, dass die Rückmeldung von der Fahrbahn wesentlich besser und intensiver sei. Aber, liebe Telegabelfans, bitte nicht böse werden, dies ist meine persönliche Meinung: offen gestanden, war es mir doch lieber, wohl gefedert und gedämpft mit dem Telelever um die Ecken zu „gleiten“, als mit der Telegabel um die Ecken zu „stochern“. Das wurde mir jetzt, nach einigen Jahren plötzlich wieder klar! 

Bevor ich bei BMW Bergmann in Neumünster losfuhr, hatte Hauke „Pi mal Daumen“ die elektrisch verstellbare Scheibe an meine Körperhöhe angepasst. Das kam tatsächlich genau hin. Bei der gefahrenen Geschwindigkeit von 190 km/h spürte ich keinerlei Fahrtwind und das Visier meines Helmes lag so günstig, dass der über der Oberkante der Scheibe fließende Luftstrom die Regentropfen wunderbar zur Seite fetzte. Das Motorrad selber lag auch bei dieser Geschwindigkeit ruhig und souverän auf der Straße, gab keine spürbare Stöße durch Unebenheiten weiter und vermittelte mir den Eindruck, dass man selbst bei diesem Regenwetter ruhig und entspannt noch etliche 100 Kilometer zurücklegen könnte. 

Resümee: Endlich eine hübsche GS von BMW, die ich leiden mag. Wunderbares Fahrwerk, das alle Unebenheiten „wegbügelt“. Lässt sich sehr gut, auch ohne Kupplung schalten. Sehr gutmütiger, starker, laufruhiger, flexibler und durchgängig drehmomentstarker Motor. Bietet bequeme und komfortable, körpergerechte und ermüdungsfreie Sitzmöglichkeit. Ein Motorrad für alle Gelegenheiten, einfach eine „eierlegende Wollmilchsau“, für Gelände (bin ich leider nicht gefahren), lange schnelle Reisefahrten auf der Autobahn oder schnelle Kurvenhatz von allen möglichen Kurven. 

Es hat mir sehr gut gefallen, war ein schöner Tag in Neumünster, ein großes Dankeschön an die Firma Bergmann & Söhne!

Bernhard Jänicke