aus Kradblatt 8/23 von Torsten Thimm, ttmotorbikeblog.com

Beschleunigter Tourenspaß …

Mit der BMW R 1250 RS an den Gardasee
Mit der BMW R 1250 RS an den Gardasee

Sportliche Touringmaschinen begleiten Motorradfahrer seit Jahrzehnten im Alltag und auf Reisen. Doch im Laufe der Entwicklung wurde es irgendwann ruhiger in der Klasse der Sporttourer, denn die neu aufgekommenen „SUV-Maschinen“ wie Ducati Multistrada, BMW S 1000 XR, Kawasaki Versys 1000 und Yamaha Tracer 9 (um ein paar zu nennen) rückten wegen ihrer höheren Flexibilität in den Fokus der Kundschaft. Ob das am Ende vielleicht auch am Altersdurchschnitt der Fahrer liegt und daran, dass die meist älteren Knochen eben einfach nicht mehr ganz so krumm sitzen möchten wie früher, kann man außerdem vermuten. Jedenfalls sind derzeit nicht mehr allzu viele Hersteller am Markt, die noch reine Sporttourer anbieten. BMW gehört mit der R 1250 RS dazu, Suzuki mit der GSX-S 1000 GT und Kawasaki mit der Ninja 1000 SX. 

Doch haben diese Maschinen in Zukunft gegenüber der schon genannten Konkurrenz überhaupt noch eine reelle Chance auf dem Markt? Auf dem Weg zum und um den Gardasee konnte ich das ausgiebig testen und gebe hier eine Antwort auf diese Frage.

BMW R 1250 RS DIE BMW R 1250 RS. Es ist ein sonniger Morgen Mitte Mai, die Autobahn liegt bereits hinter mir, als ich die R 1250 RS bei BMW in Garching in Empfang nehme. Die Vollausstattung ist bei diesen Pressefahrzeugen meist üblich und treibt den Basispreis von ursprünglich 15.990 Euro (exklusive Überführungskosten) leicht auf über 20.000 Euro. Dafür bekommt man einen Luxus-Sporttourer, der es im wahrsten Sinne des Wortes in sich hat. 1254 ccm, 136 satte Boxer-PS, 143 Nm Drehmoment bei 6.250 Umdrehungen, verteilt auf fahrfertige 243 kg. Insgesamt darf die RS 460 kg transportieren und kommt mit ihrem 18-Liter-Tank bei einem gemessenen Verbrauch von 4,5 bis 4,7 Litern je 100 Kilometer im Fahrbetrieb über 350 Kilometer weit. Für mich sind das Rumpfdaten, die nach viel Spaß und dem BMW markeneigenen Slogan „Freude am Fahren“ klingen. 

Die Sitzposition ist trotz Stummellenker auf den ersten Blick entspannt und so lassen sich auch die nächsten Kilometer der Kennenlernphase durch die bayerische Landschaft fahren.

Optionaler Rohrlenker ab Werk
Optionaler Rohrlenker ab Werk

Auffällig ist dabei die Leichtigkeit, mit der sich die RS auf jedem Straßenbelag und in Kurven bewegen lässt, zugleich rücken aber die Lenkerhälften immer mehr in meinen Fokus. Denn auf den zweiten Blick sind diese für meine Körpergröße von 172 cm und meinen „männlichen Körperbau in der Mitte“ leider ca. 2,5 bis 3 cm zu weit vorne montiert. Das führt auf Dauer unweigerlich zu Verspannungen im Rücken und in den Schultern und zu einem Kribbeln in den Händen. Nicht wirklich schlimm, aber doch spürbar. Abhilfe könnte hier der als Zubehör ab Werk erhältliche Rohrlenker schaffen, der flexibler und weiter hinten montiert werden kann. 

Und wenn wir schon beim Meckern sind: die montierte Scheibe mit der dunklen Tönung sieht wirklich sehr gut aus, bietet aber leider in den beiden einstellbaren Positionen bei meiner Körpergröße und Sitzposition ab ca. 100 km/h vor allem eins: pfeifende Windgeräusche an der Abrisskante zum Helm. Abhilfe wird auch hier in Form anderer Ausführungen angeboten, eine Probefahrt ist vor dem Kauf also anzuraten. Ansonsten ist die Ergonomie insgesamt gesehen, mit Ausnahme der beiden aufgeführten Punkte, perfekt und sehr reisetauglich. Zusätzlich zu anderen Sitzkissen und Scheiben bietet BMW noch verstellbare Fußrasten an, die das Motorrad so für verschiedene Körpergrößen nutzbar machen.

BMW typische Bedienung und SOS-System
BMW typische Bedienung und SOS-System

Nicht nur auf der Autobahn, auch auf den Landstraßen auf dem Weg zum Gardasee, lebt der Boxer auf, denn aus dem Keller einen Pass hinauf und entspannt auf der Drehmomentwoge durch Spitzkehren zu brummen, das liegt ihm einfach. Ein willkommenes Feature ist dabei der Schaltassistent, der sehr gut funktioniert – er arbeitet allerdings nicht ganz so geschmeidig, wie der mancher Mitbewerber. Das heißt, man muss ab und zu mit dem Fuß etwas nachziehen oder drücken. 

Dafür lässt die Bremse keinerlei Wünsche offen und verzögert bei Bedarf dank Kurven-ABS auch in Schräglage sicher. 

Sicherheit wird auch ansonsten bei der RS großgeschrieben, was die eingebaute Traktionskontrolle und die vier Fahrmodi zeigen. Letztere arbeiten von dynamisch bis ultrasanft (Dynamic, Road, Rain und ECO) und sind wie gewohnt gut auf den Einsatzzweck abgestimmt. Wobei ECO – wenn man vorher Dynamic gewählt hatte – schon deutlich spürbar die Leistung zurücknimmt und man ein wenig aufpassen muss, dass man sich z. B. bei Überholmanövern nicht vertut.

TFT-Display mit vielen Infos und Connectivity
TFT-Display mit vielen Infos und Connectivity

Schaut man sich die R 1250 RS genauer an stellt man fest, dass sie zudem mit geradezu fulminanter Ausstattung aufwarten kann. Die linke Lenkerarmatur und das 6,5″ große TFT-Farbdisplay sprechen da wahre Bände. Natürlich gibt es die volle BMW-eigene Connectivity, plus Tempomat, Heizgriffe, elektronische Fahrwerksverstellung usw. Um tatsächlich herauszufinden, was alles möglich ist und geboten wird, waren die drei gemeinsamen Tage mit ihr allerdings definitiv zu kurz, denn mein Fokus lag natürlich darauf, mit dem Motorrad zu fahren. Technikbegeisterte werden vor Freude frohlocken und sich gerne in die virtuelle Welt der Bits und Bytes ihrer BMW einfinden, da bin ich mir sehr sicher. Mit den Anfang Juli auf den BMW Motorrad Days in Berlin vorgestellten BMW Motorrad ConnectedRide Smartglasses lässt sich das Ganze noch toppen.

Fahrspaß garantiert
Fahrspaß garantiert

Die ersten beiden Touren über dem Monte Baldo und rund um das Tremalzomassiv waren die reine Freude und mehr als einmal hatte ich ein dickes Grinsen unterm Helm. Nach dem eng geschnittenen Monte Velo sind wir an unserem letzten Mittag vor der Heimreise in Arco gelandet. Motorrad abstellen, Knöpfchen drücken fertig. Keyless Go hat schon manchmal seine Vorteile, auch wenn man zum Öffnen der Seitenkoffer immer noch den Schlüssel benötigt. 

Die BMW-Koffer wirken am Motorrad optisch zunächst eher klein, aber zu meiner Überraschung schlucken beide einen kompletten Helm und während der Reise reichlich Gepäck. Ergänzt werden kann das Ganze bei Bedarf noch mit einem passenden Topcase aus dem Zubehörprogramm, doch das wäre für den aktuellen Trip zu viel des Guten gewesen. Das Eis in Arco war superlecker und eindeutig eine Kugel zu viel, aber Urlaub ist ja auch zum Genießen da und so genossen wir später am Tag die Rückfahrt entlang der Westuferstraße nach Malcesine mit dem angenehm sonoren Klang des Boxermotors unter mir und dem See zur Rechten.

Es muss nicht immer eine GS sein …
Es muss nicht immer eine GS sein …

Fazit: Die BMW R 1250 RS ist ein rundum gelungener Sporttourer mit eigenständigem Charakter und wenig Kritikpunkten. Sie spielt von ihrer Ausstattung und damit auch vom Preis her eindeutig in der Premiumliga. Dafür bekommt der Kunde aber auch eine ganze Menge geboten. Neben der guten serienmäßigen Ausstattung bieten sich über das BMW-Zubehör verschiedene Möglichkeiten zur Individualisierung – sowohl sportlicherer wie touristischerer Art. Das kommt vor allem bei körperlich nicht ganz genormten Kunden (wie mir) gut an, denn die Möglichkeit, Lenker, Sitzpolster, Scheiben und sogar die Fußrasten anzupassen, öffnet die RS für eine breite Masse an Kundschaft. Gleichzeitig sorgt die Variabilität für Bequemlichkeit und damit für einen hervorragenden Reisekomfort allein oder gerne auch zu zweit. Bei all dem hat man zudem das gute Gefühl, ein Motorrad zu fahren, das eben nicht an jeder zweiten Ecke steht – wie z. B. die omnipräsente BMW GS. Bei Bedarf kann man mit der RS auch mal das Messer zwischen die Zähne nehmen, wenn es schneller zur Sache oder ans Urlaubsziel gehen soll. Um abschließend die Eingangsfrage zu beantworten: Ich bin der Meinung, dass Sporttourer bei all dem Gebotenen durchaus eine Zukunft haben, denn sie sind ebenso vielfältig nutzbar wie die eingangs erwähnten SUV-Maschinen, bieten jede Menge Fahrspaß und sind preislich eine interessante Alternative zu den Dickschiffen unter den Reisetourern. Außerdem passen sie perfekt zu nicht ganz so großen Menschen, die mit den anderen beiden Klassen in Sachen Handling und Höhe doch manchmal ihre Schwierigkeiten haben.

Style Triple Black gegen 670 € Aufpreis inkl. Tankblende und Motorspoiler (links); Basis-Lackierung Lightwhite uni. In blau-weiß (Style Sport, 515 €) ist die Soziusabdeckung inkl.

Probefahrten und mehr Infos gibt es bei den BMW-Vertragshändlern.