Auch zu zweit angenehm BMW R 1200 RSBMW hat mit der R 1200 RS einen „klassischen“ Sporttourer mit dem aktuell fortschrittlichsten Boxermotor im Sortiment. Profitiert sie von ihrer späten Geburt? Torsten hat sie für uns gefahren …

aus Kradblatt 10/16
von Torsten Thimm
Fotos: Torsten + BMW

 

BMW R 1200 RS, Modell 2016 – Der Performance Boxer …

Prolog:

BMW R 1200 RS linksLange schon hält mein Freund Klaus seiner Yamaha TDM 850 die Treue. Was in der Tat verständlich ist, da sie ihn bisher noch nie im Stich gelassen hat.

Wo wir anderen Jungs über die Jahre immer stärkere Motorräder anschafften, blieb er beim Altbewährten und rüstete es nach und nach auf. Doch alles hat bekanntermaßen einmal ein Ende und er beschloss, sich etwas größeres und vor allem auch stärkeres zu kaufen.

BMW R 1200 RS rechtsBei 1,96 Meter Körpergröße ist dies jedoch gar kein so leichtes Unterfangen, wie man sich unter Umständen vorstellen mag, denn die Auswahl der infrage kommenden Maschinen hält sich in Grenzen. Da Klaus zudem etwas „speziell“ ist, darf es auch kein EINFACHSOVONDERSTANGEMOTORRAD sein. Und bitte, eine BMW GS geht schon mal gar nicht, denn die steht bekanntlich an jeder Ecke mindestens zwei mal.

BMW R 1200 RS VollausstattungDa Klaus aber nicht nur speziell ist, sondern zudem auch noch im Sternzeichen des Zwilling geboren wurde, verfügt er natürlich auch über ein zweites Gesicht und dies sagt ihm „Ich muss die GS erst testen bevor ich sie wirklich ad acta legen kann“. Und so kam es dazu, dass ich für uns beim nächstgelegenen BMW Motorrad Center einen Testtag organisierte, an dem er die „Eierlegendewollmilchsau der Motorradszene“ und ich endlich einmal die neue R 1200 RS Probe fahren konnte.

Ja und ab hier beginnt dann auch die eigentliche Geschichte, denn seit 2011 bin ich dem Boxervirus verfallen.
Spaßeshalber nenne ich es das beste Tauschgeschäft meines Lebens, als ich zu Bernd Lohrig nach Syke fuhr, ihm meine Triumph Tiger 1050 hinstellte und kurze Zeit später mit der BMW R 1200 R vom Hof rollte. Die Optik dieses Boxers gefiel mir schon 2006 als er erschien und der bullenartige Vortrieb macht einfach höllisch Spaß. Die Ausstattung ist zudem gut und technisch mit ESA und ABS noch überschaubar.

Sitzhoehen Vergleich BMW R 1200 RSSo spulten wir zusammen in den letzten Jahren problemlos gut 70.000 Kilometer ab. Etwas anderes zu kaufen? Bis dato hatte ich keinen größeren Gedanken daran verschwendet. Sehr positiv war es da auch, dass mit der neuen R 1200 R mit dem teil-wassergekühlten Motor mein persönlicher Geschmack nicht wirklich getroffen wurde und ich dieses Modell und damit auch den Wasserboxer wieder schnell aus dem Fokus verlor.

Anders wurde das erst, als 2015 die R 1200 RS die Bildfläche betrat, denn sie gefiel mir wiederum sofort. Mit ihrem altehrwürdigen Namen knüpft sie an die unglückliche R 1200 ST mit dem merkwürdigen Scheinwerfer und Verkleidungskonzept an und führt so das nach Meinung von BMW in den 70er Jahren eigens erfundene Tourensportsegment fort. Sie schließt damit zudem eine recht große Lücke im Modellprogramm von BMW.

Zum Glück hat sie mit der ST (Fahrbericht und Bilder im Archiv unter www.kradblatt.de) nichts mehr gemein und kommt mit einer hübsch gestalteten, in meinem Fall weiß-blauen, Schale daher.

Technisch auf der R 1200 R basierend, wurde sie nur leicht für den sportlichen Tourenbetrieb angepasst. Augenscheinlichste Veränderung, neben der festen Frontverkleidung und den hoch montierten Stummeln, ist der nach vorne versetzte Gabelfuß der USD Gabel, welcher den Radstand um 15 Millimeter verlängert. Beim Rest der Modifikationen hielten sich die Bayern in diesem Fall zurück.

Die Sonne wärmte schon wieder mächtig den Planeten an diesem Vormittag, als wir in voller Montur vor den beiden Testprobanten stehen. Nach einer kurzen, aber ausführlichen Einweisung in die vielen neuen Bedienelemente an den Lenkerenden und mit der Gewissheit, den Zündschlüssel des Keyless-ride-Systems in der Tasche zu haben, starteten wir die Motoren und brachen endlich auf.

Eine passende, auch vom Kniewinkel her bequeme, Sitzposition war schnell gefunden, denn die Taille der RS ist schmal, was in der Folge auch für einen guten Bodenkontakt der Füße sorgt. Durch das BMW-interne Angebot an Sitzbänken ist praktisch für jede Größe das passende Polster zu ordern. Von 760 Millimetern angefangen bis hinauf in „schwindelnde“ 840 Millimeter Höhe geht es. Als Fahrer fühlst du dich dabei sehr gut in die Maschine integriert, ja beinahe schon mit ihr verwachsen. Ebenso ergeht es dem möglichen Sozius auf dem Rücksitz. Selbst die am Anfang etwas entfernt wirkenden Stummel liegen mit einem Mal passend in den Händen und vermitteln ein handlich, sportliches Fahrgefühl, ganz dem Konzept entsprechend.

Auch zu zweit angenehm BMW R 1200 RSJa und der Antrieb? Die Kinderkrankheiten, die die GS noch erleben musste, gibt es nicht mehr. Der Motor zieht ab 2000 Umdrehungen vehement und vibrationsfrei wie ein Ochse aus den Kurven an und erreicht bei 6500 Umdrehungen seine Drehmomentspitze von 125 Newtonmetern. Weitere 1150 Umdrehungen höher liegt dann auch die Spitzenleistung von 125 PS an. Im Vergleich zu meinem alten luft-/ölgekühlten Motor eine fulminante Weiterentwicklung des ureigensten bayrischen Konzeptes. Alles klanglich untermalt vom klappengesteuerten Auspuffsystem, dessen verchromter Endtopf den Sound ins Freie entlässt. Im direkten Vergleich mit der GS ist die RS gefühlt hier die leisere Maschine, was nicht nur auf Reisen sicher kein Nachteil ist.

So geht es raus aus der Stadt, ein kurzes Stück über die Autobahn und dann weiter durchs ländliche Kurvengewirr.
Mit jedem Kilometer wächst Vertrauen in die verbaute Technik und in das Dynamic ESA gesteuerte Fahrwerk. Die Gabel, wie auch das Federbein bügeln nahezu alle Unebenheiten der Fahrbahn glatt, wobei sie durch die elektronische Steuerung nicht 100 % genau so reagieren, wie ein konventionelles Fahrwerk. Ein wenig Telelever und das damit gern genannte Entkopplungsgefühl sind auch hier noch vertreten. Störend ist das nicht, denn das menschliche Gehirn ist ja bekanntlich lernfähig und stellt sich schnell darauf ein.

Schleifender Angstnippel BMW R 1200 RSKurve um Kurve fliegt auf dem aufgeheizten Asphalt vorbei und ein ums andere Mal schrabben die Fußrastennippel funkensprühend über den Boden. Selbst beim Umstellen auf Zweimannbetrieb und dem damit verbundenen anheben des Fahrwerks, ändert sich daran nur wenig. Wirklich schlimm ist das nicht, aber unter der Prämisse das Wort „Sport“ im Namen zu tragen, wäre ein wenig mehr Schräglagenfreiheit schön gewesen.

Klasse ist dagegen die Traktionskontrolle DTC, ein Upgrade der in den Grundmodellen verbauten ASC Variante, die geschmeidig und unauffällig im Falle des Falles das Hinterrad stabilisiert, indem sie die Leistung zurücknimmt. Bei 100 Newtonmetern Drehmoment, ab 2500 Umdrehungen ein durchaus sicherheitsförderndes elektronisches Werkzeug in unserer digital gesteuerten Welt. Wer es nicht haben möchte kann es am linken Lenkerende, wie übrigens auch das ABS, deaktivieren, wobei der Bordcomputer die Einstellungen bei jedem Restart zur Sicherheit wieder aktiviert.

Scheibe Positionen BMW R 1200 RSDas vor mir in die Verkleidung integrierte Kombiinstument ist dreiteilig aufgebaut. Neben dem gut ablesbaren, analogen Tacho, befindet sich das recht vollgestopfte, monochromfarbene digitale Display, sowie eine Reihe von Kontrollleuchten darüber. Das Display wird über die Lenkerschalter rechts und links bedient und verfügt über mannigfaltige Funktionen. Lang ist es her, dass man auf einen Blick alles Gebotene erfassen konnte. Im Falle der voll ausgestatteten RS jedenfalls braucht es durchaus einen zweiten und sogar dritten Blick.

Während auf der rechten Seite der Lenkerarmatur mit dem Start/Killschalter, dem Mode Taster und dem Taster für die Heizgriffe noch alles recht einfach ist, wird es linker Hand wesentlich umfangreicher. Neben dem Knopf für die Hupe und dem immer noch schlabberig wirkenden Blinkerschalter, gesellen sich zwei Schalterwippen für den Tripzähler und die Infofunktion des Cockpits, sowie für das ABS und das Fahrwerk mit dazu. Diese Ansammlung wird durch den Tagfahrlichtschalter und den Taster für die Warnblinkanlage ergänzt, über denen sich dann die beiden Bedienelemente des Tempomaten breit machen. Zu guter letzte befindet sich an dieser Schaltereinheit dann vorne der Lichthupenschalter und das obligatorische Drehrad für die Bedienung des hauseigenen Navigationsgerätes. Leider fehlt auch hier die aus der Vergangenheit so gut funktionierende Fortschrittsblinkerbetätigung, wie sie an meiner alten R noch verbaut ist. Die Haptik der Bedienelemente entspricht meiner Meinung nach nicht der Qualität, den die Marke verdient hätte – alles wirkt ein wenig billig.

Die Linke Hand hat gut zu tun BMW R 1200 RSEinem sportlichen Tourer nicht gerecht empfinde ich auch die nur in zwei Positionen einstellbare Frontscheibe, die leider in meinem Fall den Abstrom in der oberen Position genau an die Visierkante des Helmes fließen lies. Das ist bei der GS mit dem stufenlosen Stellrad besser gelöst und könnte bei einem RS-Upgrade im Lastenheft vermerkt werden.

Keyless ride BMW R 1200 RSDoch genug der Kritik denn es ist eindeutig mehr Licht als Schatten bei diesem Motorrad zu sehen. Das Getriebe, in der Vergangenheit oftmals ein Kritikpunkt bei BMW, funktioniert hier tadellos und selbst das obligatorische „Klonk“ des ersten Ganges bleibt aus. Nettes Gimmick ist der montierte Schalt­assistent, der das Hoch- und Runterschalten ohne Kupplung ermöglicht. Er funktioniert nicht ganz so gut und ausgereift wie das DCT-Getriebe bei den Honda-Modellen, aber immerhin ist er ein Anfang in die mögliche Welt der Automatikmotorräder – für den, der es möchte.

Der Testtag vergeht jedenfalls wie im Fluge und nach vielen sonnendurchfluteten Kurven befinden sich Klaus und ich mittlerweile wieder auf dem Rückweg. Knapp 200 Kilometer stehen auf den Tachos der Maschinen, als wir an die Tankstelle rollen. Bei einem Spritverbrauch von guten 5,0 bis 5,3 Litern und einem 18 Liter fassenden Tank wäre heute noch einiges mehr an Kilometern möglich gewesen.

Kann Reisen und Sport BMW R 1200 RSDas Fazit des Tages
Die RS als vorerst letzte Schöpfung der Wasserboxer profitiert von ihrer späten Geburt. Sie macht ihrem Namen als Performance Boxer alle Ehre und wirkt ausgereift. Der Motor, das Getriebe und auch die Kupplung sind über jeden Zweifel erhaben und für mich persönlich ist sie die harmonischere und vor allem auch schönere Schwester der nackten R. Ein gewisses HABEN WILL Syndrom ist nach dieser Fahrt bei mir deutlich spürbar. Startpreis der Sportlichen sind 13.500 Euro, jedoch wird sie so wohl fast keiner kaufen. Mit den diversen Ausstattungspaketen sind recht schnell die 16.000 Euro überschritten.

Ja und Klaus? Nun er ist tatsächlich ins Grübeln geraten, passte doch die GS eigentlich sehr gut zu seinem Fahrstil und vor allem auch zu seiner Größe. Ein paar kleinere Fragezeichen stehen aber noch auf seiner Stirn. Ob es bei ihm am Ende eine BMW oder doch etwas anders wird, das wird die Zukunft zeigen. Probefahrten helfen nicht nur Klaus bei der Entscheidungsfindung …