aus bma 10/10 – Fahrbericht
von Patric Birnbreier
BMW belohnte seine treuesten Kunden passend zum 30 jährigen GS-Geburtstag mit genau dem, was sich Boxer-Fans wohl am sehnlichsten gewünscht hätten, wenn sie tatsächlich so kühn gewesen wären, von einem serienmäßig eingebauten 110 PS Boxermotor zu träumen, der ihre GS mit satten 120 Newtonmetern aus dem Eck schleudert.
Wir dürfen bei dürrem Nieselregen des Morgens kurz vor sieben in München einfliegen, um gleich den Supereimer der 2010er GS-Reihe aus dem BMW Presse-Testfuhrpark auszuklinken. Die neue BWM R 1200 GS in Adventure-Ausführung, welche die netten Damen und Herren in der bayerischen Metropole für uns zurecht gelegt haben, ist fetter gestopft als der Erntedank-Truthahn des amerikanischen Präsidenten. Mit allem, wovon Tourenbegeisterte feuchte Träume kriegen könnten. ABS, ASC, Enduro-ESA, Alukoffer, Griffheizung, LED Zusatzscheinwerfer, Bordcomputer, 33 Liter Riesentank, Handprotektoren und so weiter und so fort. Aber vor allem: Mit dem neuen Boxer-Aggregat. Das bewährte Triebwerk des erfolgreichsten Motorrades der Welt wurde mit einer ganzen Reihe an High-Performance Zutaten verfeinert. High-Performance wird bei BMW mit HP abgekürzt und ist Motorradfahrern mit Hang zum Besonderen und lockerem Portemonnaie bereits von solch exklusiven Eisen wie der Megamoto oder der HP-2 Sport bestens bekannt. Nun dürfen also auch die „ganz normalen“ BMW-Fahrer Blut lecken und in den Genuss der hoch gezüchteten Teile kommen, die die Pferdchen des altehrwürdigen Boxerantriebes ordentlich auf Trab bringen. Und das ist auch gut so. Der nun Doppelnockenwellen gesteuerte Boxer sorgt nämlich mit größeren, Schlepphebel betätigten, Ventilen, optimierten Brennräumen und Kanälen, neuer Luftführung und einem komplett neuen Schalldämpferinnenleben, nebst Abgasklappe, für extra fülliges Drehmoment und ein neues Drehzahllimit von boxermäßig sagenhaften 8.500 U/ min. Der stärkste und drehfreudigste Enduro-Boxer aller Zeiten also. Ausgestattet mit dem fettesten Sound, den BMW jemals einem Straßenendtopf entweichen ließ.
Es brummt…
Das fahrfertig 256 Kilo schwere und 91 cm hohe Reisemonster vom Hauptständer zu hieven, fällt auch Redakteuren mit Gardemaß nicht leicht und die versammelte BMW Projektleiterschar grinst wissend, als sie dem, mit den Füßen in der Luft zappelnden, Hilfsabenteurer den Tipp geben, die Adventure doch lieber „daneben stehend“ abzubocken. OK, überredet! Dann klappt’s auch gleich besser mit dem Aufsteigen. Linker Fuß auf die Raste und beim Losfahren elegant den rechten über das straff bezogene, durchgehend verlegte und bequem gepolsterte Sitzkissen geschwungen. Ich hab’s eilig. Schließlich drohen Dunkelheit und der heutzutage offenbar modern gewordene Starkregen im Spessart. Eine 370 Kilometer Etappe bis nach Hanau ist angedacht. Die Betonung liegt dabei auf EINE. Ohne Pipipause, ohne Beine vertreten und vor allem ohne Tanken. Denn das Fahrer-Informations-Display (FID) im schicken, neu gestalteten und vor allem auf das neue Drehzahllimit aktualisierte Cockpit, verspricht gleich mal eine „Restreichweite” von 583 Kilometern.
Na dann auf die linke Spur eingefädelt und mit sattem Brumm aus dem Drehzahlkeller im Sechser die Tachonadel auf knapp 200 eingestellt. So rennt der neue Boxer mitsamt dem ganzen Toureneisen und dem gut eingepackten Fahrer auf dem Rücken, völlig locker und unbeeindruckt Richtung Nürnberg. Der Windschutz hinter der mit neuer Verstellmöglichkeit versehenen Scheibe ist mehr als gut und vor allem der Nässeabweis funktioniert fast perfekt. Denn kurz nach Nürnberg schüttet es wie aus Kübeln. Das Außenthermometer warnt dazu vor Temperaturen von unter 2,5 Grad Celsius. Glättegefahr! Und das Anfang September. Doch nicht auf der Adventure. Die fährt weiter wie auf Schienen. ASC und ABS sind aktiviert. Die Heizgriffe auch! Also runter von der Bahn und rauf auf die Landstraße.
Tausche Ohrensausen gegen Boxersound…
Echt phänomenal, wie die neue GS ihre Arbeitsleistung hinausposaunt. Dumpf und frech rotzt der Boxer hinten raus. Aus jeder Ecke das füllige Drehmoment unten rum nutzend, marschiert die Adventure trotz voller Beladung mehr als beeindruckend vorwärts. Je höher der Gang, umso besser. Ähnlich schön war’s nur mit der HP-2 Enduro. Und dann dieses Fahrwerk. Einmal motorisiert in Bewegung, „Adventure schieben“ ist immer noch kein Vergnügen, verwandelt sich das Ungetüm in ein leichtfüßig galoppierendes Rennkamel. Kurvenradien werden hier offenbar per Gedankenübertragung vom breiten Lenker angenommen und umgesetzt. Wer einmal diese Symbiose mit einer GS eingegangen ist, wird zu einem nicht abzuhängenden Verfolger auf der Landstraße oder, noch wahrscheinlicher, zum Pacemaker jeder Reisegruppe. Sänftenartig aber mit glasklarer Rückmeldung von der Straße, agiert das Telelever-Einarmschwingen-Konglomerat unter dem Fahrer. Jederzeit während der Fahrt per ESA-Knopfdruck anpassbar auf Bodenbelag und Fortbewegungsmodus. Wer sowas als unnötige technische Spielerei abtut, mag in den Augen von echten Enduro-Puristen Recht haben, hat aber wohl keine Ahnung, wie nervig ein zu hart abgestimmtes Fahrwerk auf schlechten Landstraßen werden kann. Da reicht bei der BMW ein Knopfdruck und der Wechsel auf die „Comfort“ Einstellung. Schon wird jedes Schlagloch glatt gebügelt und die GS klebt förmlich am rutschig feuchten Asphalt. Und nun, bei Einbruch der Dunkelheit, kommen auch die Energie sparend mit LEDs ausgerüsteten Zusatzscheinwerfer zu ihrem Einsatz. Beste Straßenausleuchtung. Und bestimmt wird man jetzt nicht mehr übersehen.
Motorradbau in Perfektion…
Für einen Tester, der stets bestrebt ist, Fehler und Unzulänglichkeiten zu entdecken und anzuprangern, ist die neueste Ausbaustufe der R 1200 GS weiß Gott kein dankbares Versuchsobjekt. Die Weißblauen bewegen sich mit diesem Apparat so nah an der Perfektion des Motorradbaus, dass man den anderen Herstellern, die sich in diesem Segment versuchen, schon fast ein paar Päckchen Tempo-Taschentücher zustecken möchte, um die Tränen der Verzweiflung zu trocknen. Hatten wir beim letzten Vergleich noch dem Triumph-Tiger den geileren Motor zugesprochen, zerschmettert BMW nun auch diese letzte Schwäche mit dem DOHC-Triebwerk und weckt mit dem neuen Sounddesign echte Emotion. Emotion, die der Vorderradabhebeerkennung endlich zu ihrer Daseinsberechtigung verhilft, denn so leicht gingen Powerwheelies mit einem Motorrad dieser Gewichtsklasse noch nie von der Gashand. Aus der Ecke heraus einfach gut einschenken und die GS geht wie von selbst aufs Hinterrad. Gut, wenn da der Begrenzer einhackt. Wer das Vorderrad gern länger schont, kann die Fahrhilfen ganz einfach per Knopfdruck aus und, nach dem ersten Schreck, auch gern wieder einschalten. ABS und ASC übrigens auch unabhängig von einander.
Such den Fehler:
Aber bei der nächsten Modellüberarbeitung wünscht sich der pingelige Motorradtester dann doch unbedingt noch eine Bremshebelverstellung, die ihre Position beibehält. Denn immer wieder vibriert sich dieses kleine Schräubchen heraus und verschiebt den Druckpunkt der Bremse zum Lenkergriffgummi hin. Immer wieder und wieder. Nervig! Und noch eine Schwäche offenbart die Adventure kurz vor Testende in der Nähe von Trondheim. Das Zündschloss ist über Nacht eingefroren. Und zwar ganz fies weit weit unten im Kunststoff-Korpus. Aufwärmen mit Feuerzeug unmöglich. Schon wegen der ganzen Elektronik drumherum. Auch ein, klassisch per Feuerzeug, heiß gemachter Schlüssel funktioniert da nicht. Erst der Heißluftfön kann das Schloss auftauen. Also, liebe Nordkap-Adventure-Reisende, packt euch lieber einen Fön ein, der per Bordsteckdose betrieben werden kann. Denn sonst strandet ihr eines Morgens jenseits des Polarkreises. Gefangen vom eigenen Zündschloss!
Preise und Ausstattungen:
Der Grundpreis für die normale R 1200 GS beträgt 13.000 Euro, die Adventure kostet 14.550 Euro. Wie bei unserem Testmodell in Vollausstattung, also mit Safety und Touring Paket, kommen noch mal 3.000 Euro hinzu. Macht also 17.500 Euro für den Eintritt in den Enduro-Adventure-Himmel. Zum Wonnemonat Mai kredenzte BMW der Adventure-Gemeinde zudem die 30 Jahre GS Sonderedition in sportlichem Rot-Weiß. Aber dann fehlt jetzt auch wirklich nix mehr für die weite Reise auf zwei Speichenrädern. Außer der Zündschlossheizung.
Eine kleine ErfolGSgeschichte:
Damals, im Herbst 1980, präsentierte BMW Motorrad mit der R 80 G/S eine Maschine, die zwei sehr spezielle Einsatzgebiete in sich vereinigte: Gelände und Straße. Mit der einzigartigen Kombination aus Straßen-, Touren- und Geländetauglichkeit, ohne Abstriche bei der alltäglichen Nutzung, wurde die R 80 G/S zum konzeptionellen Vorreiter der von BMW neu geschaffenen Motorradgattung der Reiseenduros.
Auch im Rennsport bewiesen die R 80 G/S und ihre Nachfahren rasch ihre Qualitäten. Gleich beim ersten Einsatz 1981 gelang Hubert Auriol der Sieg bei der gleichermaßen prestigeträchtigen wie herausfordernden Rallye Paris – Dakar. Nur einer der motorsportlichen Erfolge, die BMW Motorrad mit einer GS in den folgenden drei Jahrzehnten feiern durfte.
Die herausragenden Talente der Boxer GS Modelle – Fahrdynamik, Offroad-Kompetenz, Komfort und Stehvermögen – wurde von BMW Motorrad in den vergangenen 30 Jahren stetig gepflegt und weiter entwickelt sowie erfolgreich auf andere BMW Motorrad Baureihen übertragen.
So bereicherte 1993 mit der F 650 erstmals eine BMW Enduro mit Einzylindermotor den Markt. Während die F 650 ihre fahrdynamischen Qualitäten aus konzeptionell bedingten Gewichtsvorteilen und dem kräftigen Antritt des 47 PS starken Einzylinders bezog, fand zeitgleich bei den BMW GS Modellen mit Boxer-Triebwerk die Wachablösung statt.
Mit der BMW R 1100 GS präsentierte BMW Motorrad nicht nur die erste GS mit Vierventil-Boxer und 80 PS Leistung, sondern wies auch fahrwerkstechnisch neue Wege im Feld der großen Reiseenduros. Erstmals bei einer Enduro fungierten Motor und Getriebe als tragende Elemente des Chassis und machten einen Hauptrahmen damit überflüssig. Während die BMW Hinterradführung, der Paralever, bereits Jahre zuvor bei den Modellen mit Zweiventil-Boxer die Antriebsreaktionen des Kardanantriebs eliminierte, schufen die BMW Ingenieure mit dem Telelever nun auch eine innovative Art der Vorderradführung. Mit ihrem Brems-Nickausgleich und dem höchst feinfühligen Ansprechverhalten setzten sie hier neue Maßstäbe. Zudem wartete die neue R 1100 GS als erste Enduro überhaupt mit ABS auf – ein Sicherheitsplus, über das heute sämtliche BMW Motorräder mit Ausnahme der G 450 X verfügen.
Neben zahlreichen Neu- und Weiterentwicklungen, darunter die ab dem Jahr 2000 in Berlin gefertigte F 650 GS, die als erster Einzylinder mit elektronischer Kraftstoffeinspritzung, Katalysator und ABS-Bremsanlage ausgerüstet wurde, markieren die 2007 vorgestellten Modelle F 650 GS und F 800 GS einen weiteren, herausragenden Meilenstein in der BMW GS Geschichte. Mit ihrem leistungs- und drehmomentstarken Zweizylinder-Reihenmotor und dem verwindungssteifen Gitterrohrrahmen interpretieren sie das Thema BMW GS auf ihre eigene, jedoch ganz BMW typische Art. Mit diesen neuen Modellen präsentierte BMW Motorrad nicht nur die Nachfolger für die überaus erfolgreiche F 650 GS mit Einzylinder-Motor, sondern erweiterte das Enduro-Angebot in der Mittelklasse.
Das vorläufig letzte Highlight setzte BMW Motorrad im Herbst 2009 mit der Vorstellung der modellgepflegten BMW R 1200 GS. Nunmehr mit dem noch drehfreudigeren DOHC-Boxer mit zwei obenliegenden Nockenwellen pro Zylinder ausgestattet, wartet sie mit 81 kW/110 PS Leistung und nochmals gesteigerter Fahrdynamik auf.
Mit den Sondermodellen „30 Years GS“ der BMW R 1200 GS, R 1200 GS Adventure, F 800 GS und F 650 GS würdigt BMW Motorrad die Erfolge der GS Modelle im Serienmotorradbau und im Motorsport gleichermaßen. Letzterer gab nicht zuletzt den Ausschlag für die attraktive optische Gestaltung der Editionsmodelle – in den Hausfarben von BMW Motorrad Motorsport vor 30 Jahren.
Mehr BMW-Fahrberichte findet Ihr <hier>.
—
Kommentare
Ein Kommentar zu “BMW R 1200 GS (Mod. 2010)”
Habe die BMW R1200 GS B.j. 2010
Binne sehr,sehr mit zufrieden.
Sie ist mir zügig/schnell/belastbar,genug.
Was ich besionders mag, ist das der Dämpfer
links geblieben ist. Fahre nur mit einer kl. rechten Seitentasche für kl. Einkäufe mal, wie z.B. n‘ fläschchen Wodka und so.