aus bma 04/03

von Isa Seidler-Waasner

Ich habe 1975 meinen Motorradführerschein gemacht, hatte zunächst jedoch kein Geld für eine Maschine. Aber der Motorradvirus hat mich nie losgelassen, und im April 1998 habe ich mich zunächst kurzentschlossen noch mal in einer Fahrschule für einige Auffrisch-Stunden angemeldet. Das war auch gut so, denn der erste Ausritt endete schon beim Start fast im nächsten Vorgarten.
Ich wollte ein Motorrad zum Fahren und nicht zum Basteln. Außerdem sollte es moderne Sicherheitsaspekte erfüllen (ABS) und nicht Abgase produzieren, die den Hintermann mit dem Tode ringen lassen. So schwebte mir eine BMW vor. Doch nach einer ersten Proberunde auf einer R 850 R bekam ich etwas Muffensausen, und so wurde aus dem Traum erst einmal eine Yamaha XV 535 mit 44 PS. Zum Üben war sie gut, aber nach einem halben Jahr, hatte ich das so genannte „Sofa-Gefühl”, das war schrecklich. Also führte mich mein Weg wieder zu BMW und ich kaufte mir zunächst dann doch eine R 850 R, schwarz-silber und mit ABS.
Doch in meinem Hinterkopf spukte immer noch eine Maschine mit Verkleidung. Und als dann vor zwei Jahren die neue R 1150 RT herauskam, bestellte ich sie mir angesichts des guten Wiederverkaufspreises meiner 850er. Ich griff in die Vollen und bestellte mir die Maschine in Vollausstattung, d.h. inkl. Radio, Wegfahrsperre, Diebstahlwarnanlage und heizbaren Griffen.
Als sie dann endlich beim Händler auf dem Hof stand, bekam ich es ein bisschen mit der Angst zu tun. Hatte ich mich nicht vielleicht doch übernommen? Schließlich sind 280 Kilogramm Motorrad in Relation zu meinem Körpergewicht von 56 Kilo und einer Größe von knapp 1,80 Metern eine Menge Holz. Meine ersten Fahrmeter waren dann auch alles andere als elegant, und die erste Betankung wurde zur Mutprobe. Beim Nachhausefahren fing es dann auch noch an zu regnen, und als ich in unserer Garage stand, dachte ich, das Teil bekomme ich nie auf den Hauptständer. Jetzt, nach der zweiten Saison, ist aller Anfangsschweiß vergessen. Alles eine Sache der Übung.
Die Bremsen: Männer behaupten ja immer, dass das Integral-ABS fürchterlich sei, weil es so schwer dosierbar ist. Wer natürlich wie Arnold Schwarzenegger den Handbremshebel an sich reißt, braucht sich über das brachiale Bremsergebnis nicht wundern. Ein bisschen zarter tut es auch. Im übrigen reicht der Fußbremshebel bei einer „normalen Vollbremsung” völlig aus. An das ständige Surren des Bremskraftverstärkers musste ich mich allerdings erst gewöhnen. Heute nehme ich es gar nicht mehr wahr.
Scheinwerfer und Armaturen: Leider war der Scheinwerfer anfangs so undicht, dass ich dort nach den ersten Fahrten Fliegen drin hatte. Zur Behebung bietet BMW eine Dichtung für das Scheinwerferglas an. Kleine Fliegen hält das aber immer noch nicht ab. Auch die Armaturen sind nicht wasserdicht. Während eines Harzurlaubs bahnte sich der Dauerregen seinen Weg bis in den Drehzahlmesser. Zwar ist er auf Garantie ausgetauscht worden, aber der neue beschlägt ebenfalls. Das Fahrerinformations-Display (FID) mittlerweile übrigens auch.
Batterie und Elektrik: Bei einer größeren Urlaubsfahrt nach Bayern sprang „Frieda”, wie ich mein Motorrad getauft habe, am dritten Tag nicht mehr an. Die Batterie war leer. Aus Dingolfing musste der BMW-Service kommen, und ich stand zwei Tage ohne Fahrzeug da. Es wurde festgestellt, dass ein Kurzschluss die Batterie gekillt hatte. Wodurch dieser entstanden war, konnte aber nicht festgestellt werden. So bekam die Maschine eine neue Batterie. Im Winter war aber auch die neue Batterie nach nur zwei Wochen Standzeit wieder entladen. Mein Händler holte das Motorrad ab, fand allerdings auch keine Ursache. Es wurde vermutet, dass die Wegfahrsperre den Saft abgezogen hatte. Entladen hat sie sich bis jetzt nicht wieder, aber vorsichtshalber habe ich mir ein Batterieladegerät gekauft.
Die größte Katastrophe war aber ein kompletter Ausfall der Elektrik während der Fahrt. Alle Anzeigen waren plötzlich tot. Das ABS, die Bremskraftverstärkung und nicht einmal der Anlasser funktionierten. Nach mehreren Startversuchen und noch mehr Flüchen habe ich dann eine viertel Stunde auf der Straße gewartet, bis sich „Frieda” irgendwie wieder einkriegt hat. Nach erneutem Versuch sprang sie wie ein Hanomag aus der Steinzeit an. Eine riesige schwarze Qualmwolke kam aus dem Auspuff, aber sie fuhr wieder. Es ist Gott sei Dank bisher nicht wieder passiert. Auch in diesem Fall konnte die Werkstatt beim Durchmessen nichts feststellen.
Nachträglicher Einbau von Funk und Blinkerrückstellung: Mein Mann teilt meine Begeisterung für das Motorradfahren nicht. Da wir aber gerne mit unseren Hunden wandern, fahren wir zwecks Tiertransport sowieso mit zwei Fahrzeugen. Um sich besser über die gemeinsame Route austauschen zu können, schaffte ich mir eine Baehr-Funkanlage an, mit der ich über den Helm auch Radio hören kann.
Empfehlen kann ich nur jedem die Blinkerrückstellung von Touratech. Zwar hat der Einbau Schwierigkeiten bereitet, da der Anschluss bei Maschinen mit Integral-ABS anders als bei denen mit ABS ist und Touratech der Werkstatt leider zunächst nicht die neueste Einbauanleitung mitgeschickt hatte. Aber nach einigem Hin und Her hat es dann funktioniert und man vergisst nie wieder, den Blinker nach dem Abbiegen auszumachen. Beim Blinken vor dem Überholen wird die Taste etwas länger gedrückt und beim Loslassen ist der Blinker dann sofort wieder aus.
Größeres Windschild: Nachdem mir leider das Malheur passiert ist, dass ich den Seitenständer beim Abstellen nicht richtig ausklappte, das Motorrad umfiel und mit dem Windschild in unserem Gartenzaun landete, spendierte mir mein Mann für die lädierte Scheibe das größere Windschild. Auch das kann ich nur empfehlen, allerdings bei dem hohen Preis nur, wenn man es geschenkt bekommt.
Gewicht: Obwohl die Maschine für mich z.B. beim Rückwärtsrangieren ziemlich schwer ist und ich aus Sich-erheitsgründen lieber sitzen bleibe, ist sie beim Fahren einfach toll. Im Gegensatz zur R 850 R ist das Kurvenfahren ein Kinderspiel. Allerdings erfordern Fahrten mit großer Steigung und vielen Kehren auf kurzer Distanz viel Kraftaufwand. Ich bin in Bayern z.B. auf dem Oberjoch gewesen. Da habe ich dann gemerkt, dass mir solche Strecken meine Grenzen aufzeigen. Einen Moment habe ich über ein anderes, leichteres Motorrad nachgedacht. Aber nach einigem Probesitzen war mir klar: Nichts geht über die Bequemlichkeit meiner RT.
Was nicht so toll ist: Schwer ist es, im Stand den ersten Gang einzulegen, wenn man nach abruptem Abbremsen aus hoher Geschwindigkeit ohne Runterschalten anhält. Bei hohen Außentemperaturen und heißem Motor kommt sie aus dem Stand an Steigungen ebenfalls nur schwer in die Gänge. Erst habe ich gedacht, das würde nur ich so empfinden (und Männer würden hier jetzt wieder sagen: „Frauen und Technik”). Aber nachdem ich mit mehreren (männlichen) BMW-Fahrern darüber gesprochen habe, weiß ich, dass es ihnen auch so geht.
Fazit: Alles in allem bin ich mit einer Entscheidung für die R 1150 RT zufrieden. Sie vermittelt dank Integral-ABS ein gutes Sicherheitsgefühl und bietet guten Wind- und Wetterschutz. Auf dem bequemen und höhenverstellbaren Sitz lässt sich es lange aushalten. Lob verdienen auch das relativ gute Scheinwerferlicht und die Möglichkeit, alle Handhebel zu verstellen. Und der geregelte Kat ist vor dem Hintergrund der Abgasdiskussion sicherlich auch ein Kauf- und Wiederverkaufsargument. Das von den Männern immer wieder erwähnte Konstantfahrruckeln ist mit einer moderaten und überlegten Fahrweise gut zu regulieren. Ich habe damit jedenfalls kein Problem.
Manchmal werde ich zwar von den Motorradfahrern ein wenig ungläubig gemustert. Der eine oder andere hofft wohl insgeheim, dass ich meine „Frieda” beim Auf- und Abbocken umschmeiße oder beim Losfahren oder Wenden abwürge. Die können von mir aus ruhig weiter warten, denn ich weiß, dass dies Frauen genau so oft oder so wenig wie den Herren der Schöpfung passiert. Für mich jedenfalls steht fest, dass man als Frau sich nicht mit 34 PS und Leichtgewichten begnügen muss – man muss sich nur trauen.
Für mich steht der Spaßfaktor und die Entspannung beim Fahren an erster Stelle. Jedes Motorrad hat sicherlich seine guten und seine schlechten Eigenschaften. Was für den einen nichts taugt, ist für den anderen vielleicht super. Nichts ist perfekt.