aus bma 11/01

von Jens Schäfer

Warum nur? Warum kauft sich jemand im Jahre 1993 eine neue 750er mit 75 PS zum Preis von 19.990 DM und fährt sie heute immer noch?
Gehen wir zurück in das Jahr 1992. Nach ein paar Jahren der Motorradabstinenz fuhr ich zunächst eine Yamaha XT 600 K, die war günstig in Anschaffung und Unterhalt. Doch die XT überzeugte in Sachen Verarbeitung, Fahrverhalten und Leistungsabgabe nicht. Als ein Bekannter mit einer BMW R 80 GS vorfuhr und ich Rahmenschweißnähte, Gussteile und das Finish der Bayerin mit meiner Japanerin verglichen hatte, war mir klar: Eine Neue musste her! Also Prospekte besorgt und einen Überblick verschafft. Zuerst führte mein Weg zu BMW. Ich schaute mir alle Modelle der K- und R-Reihe an. Doch so direkt traf keine ins Herz. Alles wirkte doch irgendwie sehr nüchtern und funktional. Emotional gelüstete es mich da doch eher nach einer Ducati 900 SS, deren Linienführung für mich italienisches Temperament widerspiegelte.
Aber dann meldete sich doch der Verstand: Zu exotisch für mich. Und da ein Japaner nicht in Frage kam, landete ich irgendwie wieder bei BMW. Nun erinnerte ich mich an ein Modell, das ich nicht so häufig im Straßenverkehr wahrgenommen hatte: Die K 75 S. Ich schaute mir immer wieder Prospekte, Testberichte und technische Daten an. Liebe auf den ersten Blick war es nicht, das stand fest. Aber Anschauen beim Händler kostet ja schließlich auch nichts, und so fasste ich mir dann eines Tages doch ein Herz. Gegenüber der großen Schwester K 100 RS wirkte die Auserwählte recht zierlich. Das lag vor allem an dem um einen auf drei Zylinder reduzierten Motorblock und der wesentlich kleineren Verkleidung. Plötzlich begann mich das ganze K-Konzept zu interessieren. Da war ein Gitterrohrrahmen aus Stahl, mit dem mittragenden und per Einspritzpumpe von Bosch befeuerten Motor, dazu das wie beim Auto angeflanschte Getriebe und schließlich ein wartungsfreier Kardan. Als Sicherheitszulage gab es auf Wunsch das ABS I und serienmäßig eine Warnblinkanlage. Auch die aus Edelstahl gefertigte Auspuffanlage und die Dreispeichenfelgen wirkten solide.
Die Maschine konnte in zwei Sitzhöhen geordert werden: 800 mm hoch mit Seitendeckel und Staufach unter der Bank oder 760 mm hoch. Dafür musste man dann allerdings auf Seitendeckel und Staufach verzichten und bekam einen Übergang zwischen Sitzbank und Tank aus Gummi, der doch irgendwie gewaltig die Linie verdirbt.
Das Motorrad wirkt zwar filigran, erweist sich aber mit dem ABS ausgestattet und mit knapp 240 Kilogramm doch als eher schwerer Brocken. Durch den liegenden Motor und den dadurch hervorgerufenen tiefen Schwerpunkt fällt das beim Fahren aber nicht so ins Gewicht. Ich war kein Leistungsfetischist, so dass mir die gebotenen 75 PS eigentlich reichten. Die Ersatzteillage schien über Jahre gesichert und die Verarbeitung war gut. Es war mir bekannt, dass sich der Wertverlust in Grenzen hielt und das Händlernetz engmaschig geknüpft war. Der Dreizylinder sprach mich außerdem grundsätzlich als Kompromiss zwischen Drehmoment und Drehzahl an. Die (Kopf-) Entscheidung war gefallen, die Funktionalität hatte gesiegt: die K 75 S sollte es sein.
Ich entschied mich für ein Modell in Schwarzmetallic mit ABS und Kofferträgern. Bestellt wurde im Februar ‘93, geliefert wurde im Mai. Auf der Fahrt nach Hause war ich dann sofort auch emotional begeistert. Der Motor läuft sehr seidig und weich, eher wie eine Turbine als ein Kolbenmotor. Das durch den gerade verzahnten Primärantrieb auftretende Säuseln hat mich dabei von Anfang an nie gestört.
Als erstes fiel mir auf, dass der Ölverbrauch recht hoch war. Meine K genehmigte sich mehr als einen 1/2 Liter Öl auf 1000 Kilometer. Bei Nachfragen in der Werkstatt wurde mir gesagt, dass das völlig normal sei und der Verbrauch auf den ersten 10.000 Kilometern noch zurückgehen werde. Gravierender war die Tatsache, dass sich das Getriebe im kalten Zustand manchmal nicht schalten ließ. Bei Kilometerstand 3500 gab es einen außerplanmäßiger Werkstattaufenthalt, um sich der Sache einmal anzunehmen. Nach vier Tagen hatte alles fertig sein sollen.
Als ich die K beim Händler wieder abholen wollte, erwartete mich jedoch nicht meine Maschine, sondern rot-weißes Absperrband und eine gewisse Baustellenathmosphäre. In der direkten Nachbarschaft der BMW-Niederlassung in Hamburg im Offakamp hatte sich eine schwere Gasexplosion ereignet. Die Druckwelle hatte die Schaufensterscheiben der umliegenden Gebäude zerstört. Eine Scheibe war ausgerechnet auf meine K gefallen und hatte sie ordentlich in Mitleidenschaft gezogen. Sie sah aus, als ob eine ganze Jagdgesellschaft mit Schrotflinten darauf geschossen hätte. Selbst Gussteile des Antriebsstranges waren stark zerfurcht, und alle Verkleidungsteile waren in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Schadenshöhe betrug über 10.000 DM.
Nach schlaflosen Nächten und viel Hin und Her stand für mich fest: Ich wollte wieder eine K 75 S haben. Es wurde mir eine in Rotmetallic aus dem Ausstellungsraum mit 0 Kilometern auf dem Tacho, 800 mm hoher Sitzbank, Kofferträgern und ABS angeboten. Da man Motorräder nun einmal nicht bei Fielmann kauft, musste ich allerdings ein paar Mark dazubezahlen.
Meine Neue machte im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin keinerlei Zicken mit dem Getriebe, dafür aber mit den Bremsen. Die vordere rechte Scheibe hatte einen ordentlichen seitlichen Schlag. Hinzu kam, dass die Aufnahme für die Bremsscheibe am Vorderrad schief war. Beides wurde auf Garantie behoben.
In regelmäßigen Abständen treten allerdings bis heute Risse um die Bohrungen der Verkleidungsscheibe auf. Inzwischen ist bereits die dritte montiert (Kostenpunkt: ca. DM 100 pro Stück).
Das Fahrverhalten der K 75 S ist recht ausgewogen. Die BMW bietet zwar kein superhandliches, aber dafür ein bis zur Endgeschwindigkeit (ca. 200 km/h) stabiles Fahrwerk. Der Motor fügt sich harmonisch in das Gesamtbild ein und ist trotz geringerer Leistung gegenüber der Konkurrenz dank der eher kurzen Gesamtübersetzung doch recht spritzig (Beschleunigung 0-100 km/h in ca. fünf Sekunden).
Das ABS funktioniert recht rustikal. Im Regelbereich ist es für den Fahrer deutlich zu hören und zu spüren, aber ich möchte es nicht missen, da es ein dickes Sicherheitsplus besonders bei plötzlichen Panikbremsungen ist.
Auch nach acht Jahren habe ich meine damalige Kaufentscheidung nicht bereut. Die K 75 S kann nichts am besten, aber alles ziemlich gut. Und meine erste K wurde, wie ich erfahren habe, wieder aufgebaut. Sie soll in Süddeutschland von einer Frau gefahren werden.