aus bma 06/07

von Klaus Herder

BMW K 1200 R Sport„Nein, wir beabsichtigen nicht, an unserem ABS-System in nächster Zeit etwas zu verändern. Ja, wir sind mit der Bosch-Anlage immer noch sehr zufrieden und halten einen Bremskraftverstärker auch beim Motorrad für sinnvoll.” So oder so ähnlich klang es vor noch gar nicht so langer Zeit aus München, wenn Kritik am nervig fiependen und eher lausig zu dosierenden (zugegebenermaßen aber wirkungsvollen), dafür aber wenigstens aufpreispflichtigen Bremssystem mit Blockierverhinderer geübt wurde. Tja, diese inbrünstig abgegebenen Statements waren nichts anderes als gepflegte Verkohlung, denn wie die BMW-Pressemappe zur INTERMOT 2006 stolz verkündet, wurde mit dem neuen Partner Continental-Teves bereits seit Anfang 2003 eine völlig neue ABS-Generation entwickelt.
Genau dieses garantiert bremskraftverstärkerfreie System wird in der K 1200-Baureihe erstmals an der neuen „R Sport” verbaut. Und eben diese Anlage hat maßgeblichen Anteil daran, daß die halbverschalte Neue die bislang beste große K ist. Aufpreispflichtig (1080 Euro) ist natürlich auch der neue Blockierverhinderer, und man fragt sich unweigerlich, ob die Entwicklungs- und Lohnkosten in Japan denn tatsächlich so sehr viel niedriger sind (Bei einer bereits von Haus aus 3500 Euro günstigeren Yamaha FZ1 Fazer ist das ABS serienmäßig an Bord…), aber BMW-Fahren war halt immer schon etwas teurer. Egal, das teilintegrale BMW-ABS von Conti-Teves, bei dem bei Betätigung des Handbremshebels vorn und hinten, mit dem Fußhebel aber nur hinten verzögert wird, ist jeden Euro wert. Brachialer und dabei mit geringer Handkraft sauber dosierbar ankerte zuvor noch kein BMW-Stopper. Da nervt kein Fiepen mehr, die Regelintervalle sind kaum spürbar, und die Rückmeldung stimmt. Da hebt kein Hinterrad ab, da erzielen selbst völlig unsensible Bremshebelwürger allerfeinste Verzögerungswerte.

BMW K 1200 R SportHalt! Stop! Definiert sich ein Motorrad eigentlich darüber, wie toll es bremst? Wenn überhaupt, dann doch nur zu einem sehr kleinen Teil. Und bei einer 163 PS starken Maschine, die laut Fahrzeugpapieren 264 km/h laufen kann, sollte eine anständige Bremsanlage doch eigentlich eine (serienmäßige) Selbstverständlichkeit sein. Fangen wir in Sachen K 1200 R Sport also noch mal von vorn an: Die vierte und jüngste K 1200 schließt die Lücke zwischen der nackten, (zu) aggressiv gestalteten K 1200 R und der vollverschalten, für den typischen BMW-Kilometerfresser etwas zu sportlich geratenen K 1200 S. Die „R Sport” ist eigentlich nichts anderes als eine R mit Bikini-Oberteil. Die mit dem Scheinwerfer des Sportboxers R 1200 S bestückte Halbverschalung kostet praktisch 460 Euro, das ist die Differenz zur nackten R (13640 Euro). So imposant die mit 19 Litern vollgetankt immerhin 246 Kilogramm schwere K 1200 R Sport auch wirken mag, so leicht macht sie es sogar relativ kleinen Fahrern, sich auf Anhieb wohl und sicher zu fühlen. Die absolute Sitzhöhe beträgt zwar klassenübliche 820 Millimeter, doch die in Tanknähe recht schmal geschnittene Sitzbank ermöglicht auch Kurzbeinern einen entspannten Ampelstopp und gibt ihnen und allen anderen viel Platz zum sportlichen Turnen. Der Fahrer sitzt leicht vorderradorientiert und dabei trotzdem deutlich aufrechter und entspannter als auf der vollverschalten Sportschwester S. Eine Sozia ist auf beiden Modellen bestenfalls durchschnittlich bequem untergebracht. Zumindest für BMW-Verhältnisse ist der Platz in der zweiten Reihe ziemlich schmal, hart und dadurch nicht übermäßig komfortabel. Das Cockpit liegt gut im Blickfeld, die (immerhin serienmäßigen) Stahlflex-Bremsleitungen und die nicht zur ansonsten tadellosen Verarbeitung passenden, billig und bastelig gemachte Verkleidungshalterung leider auch. Der Kupplungshebel dürfte ruhig etwas näher am Griff liegen, und die Spiegelausleger könnten durchaus noch etwas länger sein. Doch das ist Maulerei auf hohem Niveau, eigentlich paßt alles recht gut, doch die nächste Modellpflege braucht schließlich auch ein paar Ansatzpunkte.
BMW K 1200 R SportDer von einer Einspritzanlage mit Kaltstartautomatik befeuerte Reihenvierzylinder startet tadellos und läuft sofort mit moderater Leerlaufdrehzahl rund. Was bereits im Stand auffällt: Der Vierventiler tönt ausgesprochen kernig aus seiner Edelstahl-Auspuffanlage. Wer es jetzt unbedingt wissen will (und den Motor bitteschön auf Betriebstemperatur gebracht hat) legt den ersten Gang ein und lädt mit der rechten Hand voll durch. Nach 3,2 Sekunden stehen 100 km/h an. Geschaltet werden muß dafür nicht unbedingt, der erste Gang reicht bis 113 km/h. Diese natürlich völlig überflüssige, trotzdem eine gewissen Spaßkomponente nicht entbehrende Übung läßt sich übrigens auch von weniger routinierten Fahrern bewerkstelligen. Der ellenlange Radstand von 1571 Millimetern und die geglückte Gewichtsverteilung sorgen dafür, daß das Vorderrad immer hübsch dort bleibt, wo es hin gehört. Am Boden. Wer seinen pubertären Gelüsten weiter freien Lauf läßt, erreicht übrigens nach sehr beachtlichen 8,7 Sekunden Tempo 200. Dafür muß natürlich im Sechsganggetriebe gerührt werden. Und das macht bei der K neuerdings und überraschenderweise sogar Spaß. Im BMW-Selbstverständnis war natürlich auch die bisherige Schaltbox eine tolle Sache (siehe Thema Bremskraftverstärker), aber trotzdem konnten sich die Münchener dazu durchringen, den Schaltmechanismus samt Schaltwalze zu überarbeiten. Das Wechseln der Gänge dürfte zwar – speziell im Vergleich zu japanischen Produkten – immer noch etwas leichtgängiger vom Fuße gehen, doch für BMW-Verhältnisse klappt das Schalten jetzt sehr angenehm und vor allem leise.
Ganz und gar nicht leise tönt der 55 Grad nach vorn geneigt eingebaute Reihenvierer. Unter 3000 Touren gibt sich der seidenweich und fast ohne spürbare Vibrationen laufende Motor noch handzahm, doch bereits knapp darüber holt er die 100-Nm-Drehmomentkeule raus, die er bis zur Höchstdrehzahl von 10250 Touren nicht mehr losläßt. Bei 8250 U/min liegen fette 127 Nm an, und genau in diesem Bereich gibt es auch den bösesten, herrlich heiser fauchenden Vierzylinder-Sound. Den kennen wir schon von der nackten R, die R Sport klingt mindestens genauso böse.
BMW K 1200 R SportZiemlich böse und gar nicht angenehm waren zumindest bei frühen K 1200 auch die recht heftigen Lastwechselreaktionen, verbunden mit einer oftmals eher unbefriedigenden Gasannahme. Damit ist nun Schluß. Zumindest bei dem von uns gefahrenen Exemplar und mit etwas Glück auch bei allen anderen ab Modelljahr 2007 gebauten K 1200-Modellen. Ein überarbeitetes Mapping (neudeutsch für die Abstimmung der Zünd- und Einspritzelektronik) macht’s möglich. Weichere Gasannahme, sanfterer Motorlauf, weniger Lastwechselgenerve – die Sache wirkt tatsächlich Wunder. Die BMW reagiert wie ein gut abgestimmter Japo-Hobel auf Befehle der Gashand. Und das ist eigentlich das größtmögliche Kompliment. Sogar deutlich besser, nämlich absolut stabil und linientreu, als manches Fernost-Produkt rennt die BMW, wenn es mal richtig flott zur Sache geht. Ihr Fahrwerk ist ein Fels in der Brandung. Da rührt und wackelt absolut nichts. Auch nicht in Kurven.
Wenn die Bahn frei ist, ist eine Dauer-Reisegeschwindigkeit von über 220 km/h völlig entspannt machbar. Maßgeblichen Anteil daran hat auch die famose Verkleidung. So bastelig befestigt das Teil auch aussehen mag, so aerodynamisch perfekt ist es den Designern gelungen. Brust und Schultern bekommen vom Sturm gar nichts mit, der Helm wird natürlich angeströmt, liegt aber völlig turbulenzenfrei im Wind – so muß das sein.
Die in „Weißaluminium-Metallic” und „Cosmic Blue” lieferbare K 1200 R Sport kostet 14100 Euro. Ohne Fracht (exakt 262,16 Euro), ABS und alle anderen netten Features der wie immer umfangreichen Sonderausstattungs- und Sonderzubehör-Preisliste. Nicht zu vergessen: Die erstmals lieferbaren „High Performance Parts”, netter Carbon-Schnickschnack, der den wichtigen Auftritt erst komplett macht. Das ist eine Menge Holz, und über den angeblich sagenhaften Werterhalt von BMW-Motorrädern herrschen mittlerweile auch ziemlich differenzierte Meinungen. Für meist deutlich weniger Geld gibt es prima Japan-Ware, die auch nicht langsamer ist. Diesen ganz speziellen Vierzylinder-Punch in Kombination mit diesem megastabilen Fahrwerk und einer gehörigen Portion Ich-bin-wichtig-Image gibt es aber womöglich nur bei BMW. In Sachen K 1200 gilt jedenfalls: Nie war sie so wertvoll wie im Falle der K 1200 R Sport. Unter anderem auch deshalb, weil sie endlich ausgefiept hat.