aus bma 11/03

von Detlef Sydlowski

BMW K 1200 LT„Mir kommt keine BMW in die Garage…niemals!” höre ich mich noch sagen. Denn alles was die Münchner zu bieten hatten gefiel mir nicht. Wie konnte ich auch ahnen, dass das mein größter Irrtum war.
Augerechnet BMW brachte 1999 das Motorrad heraus, auf das ich insgeheim schon gewartet hatte, die K 1200 LT. Bisher hatte ich nur japanische Motorräder, und da ich ein Langstrecken- bzw. Vielfahrer bin, sollte die nächste Maschine ein großer Tourer sein.
Als ich dann die ersten Berichte über die neue „extreme” BMW las, die nicht aus dem Baukastenprinzip heraus entstanden war, sondern eine völlige Neukonstruktion darstellte, war es fast Liebe auf den ersten Blick. Es war, als ob jemand meine Träume gekannt hätte und diese dann eins-zu-eins umgesetzt hatte.
Alles was ich mir wünschte war vorhanden: stufenlos elektrisch verstellbare Scheibe, höhenverstellbarer Sitz, Sitz- und Rückenheizung, Tempomat, Bordcomputer, Warnblinker, Stereoanlage mit acht Lautsprechern, eine Lampe im Cockpit zum Kartenlesen, ABS, Kat, ein Rückwärtsgang (bei acht Zentnern Lebendgewicht auch bitter nötig) und im Topcase sogar ein beleuchteter Schminkspiegel, hinter dem sich ein kleines Staufach verbirgt. Absolut toll ist, dass der Sozius seine Heizung und seine Lautsprecher mittels eigener Schalter selbst regulieren kann.

Dann kam der Tag der Probefahrt. Satte drei Stunden überließ mir der Händler das Motorrad und ich wurde von der Handlichkeit des „Dickschiffs” doch sehr überrascht. Sie fuhr wie von selbst und durch den tiefen Schwerpunkt glitt sie fast selbstständig durch die Kurven. Phantastisch war auch der Durchzug, bei 50 km/h im fünften Gang zog sie satt und ruckfrei bis zur Höchstgeschwindigkeit durch.

Also, Frau abholen und hoffen… ja, sie war hin und weg. Damit war das Todesurteil über unsere Ersparnisse gesprochen. An einem Freitag war es dann soweit: ich konnte meinen Traum abholen, der soviel Nonsens hat, den keiner braucht. Allerdings gewöhnt man sich schnell an den Schnickschnack und möchte bald nichts davon missen.
BMW K 1200 LTZum Einfahren ging es auf eine 3000 Kilometer lange Deutschlandtour, auf der sich der Eindruck bei der Probefahrt voll bestätigte: selbst unter Volllast (immerhin 600 Kilogramm) ließ sie sich problemlos durch alle Kurven und Kurvenkombinationen dirigieren. Selbst bei Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn schluckt sie jede Unebenheit und Längsrillen bringen sie nicht im geringsten aus der Ruhe. Wenn man die K 1200 LT mit großer Scheibe hat und diese bei Hochgeschwindigkeitsfahrten voll ausfährt, kann man sogar noch gut Musik hören. Das liegt daran, dass man bei der Stereoanlage vier Einstellungen hat: von „immer gleiche Lautstärke” bis „schnell lauter werden wenn die Drehzahl steigt”. Das spart das ewige Nachregulieren per Hand. Eine weitere Erleichterung ist der Tempomat, der bei Geschwindigkeiten zwischen 40 und 160 km/h eingeschaltet werden kann. Besonders lernt man sowas zu schätzen, wenn man auf langen Autobahnfahrten nicht immer den Gasgriff mit aller Gewalt umklammern muss.
Bei der BMW wird die gewünschte Geschwindigkeit eingestellt und nicht, wie bei einigen anderen Marken, die Drehzahl. Das hat den Vorteil, dass man bei Bergauf- oder Bergabfahrten immer die gleiche Geschwindigkeit beibehält, da die Drehzahl angepasst wird. Bei eingestellter Geschwindigkeit kann man mittels einer Vorrichtung am Schalter um jeweils 2 km/h nach oben oder unten korrigieren. Sollte man beim Abbiegen oder überholen einmal vergessen den Blinker auszuschalten, auch kein Problem: nach ca. 250 Metern Geradeauslauf stellt er sich ganz automatisch ab.
Ein Bordcomputer zeigt dem Fahrer, je nach Wunsch, Außentemperatur, Durchschnittsgeschwindigkeit, Durchschnittsverbrauch und die daraus resultierende Restreichweite bis auf 15 Kilometer genau. Das letzte ist besonders wichtig, da die Tankanzeige im Cockpit „zum Mond” geht und man keinen Reserveschalter hat.
Dann kam der absolute Hammer: der Verbrauch beim Fahren zwischen 80 und 100 km/h pendelte sich bei vier Litern ein. Das macht bei dem 24 Liter-Tank eine Reichweite von fast 600 Kilometern. Selbst in den Bergen stieg der Verbrauch kaum an, da die BMW Sensoren hat, die Veränderungen des Luftdrucks messen und dann das Gemisch entsprechend abändern. Bei längerer Autobahnfahrt mit Tempo 140 liegt der Verbrauch bei etwa 5,6 Litern.
TopcaseMeine K 1200 LT ist ausgestattet mit einer höheren Tourenscheibe und Trittbrettern für den Sozius. Ein Träger für das Topcase, um auf dem selbigen noch Gepäck zu befestigen, war selbst ein Jahr später noch nicht zu bekommen. Im Zubehörhandel besorgte ich mir dann einen Träger für eine Gold Wing, der dann auf das Topcase montiert wurde. Wie sich später herausstellte, eine gute Entscheidung. Als von BMW ein solcher Träger für sage und schreibe 540 DM angeboten wurde, stellte sich heraus, dass man auf diesem Stück „Zierplastik” keine größeren Gepäckstücke befestigen kann, da sonst das integrierte Bremslicht verdeckt wird und eventuell beschädigt wird.
Auf den nächsten Touren stellten sich dann doch Mängel ein. In den Alpen, oberhalb von 2100 Metern, verlor die BMW im Stand mal mehr-mal weniger Kühlflüssigkeit. Die Befestigung des Schminkspiegels im Topcase besteht aus zwei dünnen Plastikstäbchen, die schnell durch die Vibrationen durchbrechen. Der Verschluss des Topcase selbst ist ziemlich schwergängig. Dies kann man abstellen wenn man ein zwei Millimeter großes Plättchen einbaut.
Bei der 20.000 Kilometer-Inspektion wurde ein Federbein und der Gaszug als Garantiefall gewechselt. Ach ja, an das laute Klacken beim Schalten werde ich mich wohl nie gewöhnen, dieses Getriebe ist eine Zumutung.
Bei der Erstbereifung von Bridgestone bin ich geblieben, da die Haltbarkeit der Reifen zufiedenstellend ist. Man sollte den Luftdruck allerdings vorn auf 2,9 Bar und hinten auf 3,2 Bar erhöhen, denn dadurch erreicht man besseres Handling und erhöht die Lebenserwartung der Reifen.

Scheibe hoch
Scheibe hoch

Scheibe runter
Scheibe runter

Zu den ganz besonderen Eigenheiten der K 1200 LT gehört es, dass man sie nur auf dem Seitenständer stehend volltanken kann. Eigentlich überflüssig, da man sie auch vollgepackt leicht auf den Hauptständer wuchten kann. Im Falle eines Umfallers braucht man sich keine großen Sorgen zu machen, denn Dank der Sturzbügel und der Schutzleiste hinten kann fast nichts passieren und das Aufheben erleichtern sie auch noch.
Außer den Inspektionen, die alle 10.000 Kilometer anstehen, hat meine BMW keine Werkstatt zu sehen bekommen. Für m
ich steht fest, dass diese Kaufentscheidung ein echter Volltreffer war, auch wenn es sich um eine BMW handelt.

Nach nunmehr dreieinhalb Jahren und den 94.000 Kilometern, auf denen sie mich durch ganz Europa begleitet hat muss ich sagen, dass meine Liebe und mein Vertrauen zu dieser BMW ständig gestiegen sind. Und hätte ich nicht aus Zeitgründen 11.000 Kilometer mit dem Autoreisezug zurückgelegt, dann wären die 100.000 Kilometer längst geschafft.
Vergessen ist der Hohn und Spott der Kollegen und Freunde, weil mir ja nie eine BMW in die Garage kommt und noch dazu so ein rollendes Wohnzimmer. Man wird halt älter, reifer und bequemer und manchmal kommt eben eine BMW dabei heraus.