aus bma 10/04

von Dietmar Scholz

1Nachdem der Wunsch nach einer BMW der „K-Reihe” immer heftiger wurde und Familienrat und Kontenprüfung die Erfüllung dieses Wunsches nicht von vornherein für unmöglich erklärten, begab ich mich im Frühjahr 2003 auf die Suche nach einem „fliegenden Ziegelstein”, wie die „K” wegen ihres längs eingebauten Reihen-Vierzylindermotors auch genannt wurde. Parallel zum Studium von Zeitungsanzeigen und Internet-Inseraten besorgte ich mir Informationen über die BMW K 100-Modelle aus diversen Zeitschriften, Büchern und Internet-Foren. Im Mai glaubte ich dann genug Informationen gesammelt zu haben, um mich gezielt auf die Suche nach einer K 100 RS zu machen. Nach einigen Telefonaten und der Besichtigung einiger Angebote (… unglaublich, was die Leute für Schrott anbieten) wurde ich bei einem Fahrlehrer in Braunschweig fündig und nach einer kurzen Probefahrt und einem längeren Gespräch in freundlicher Atmosphäre wechselte eine schwarze K 100 RS – Sondermodell „Style”, Baujahr 1987 mit knapp über 145.000 km auf dem Tacho, den Besitzer.
Die Überführungsfahrt von Braunschweig nach Hannover verlief problemlos und diente erstmal der Gewöhnung. Trotz des relativ hohen Gewichts von ca. 250 kg (vollgetankt) läßt sich die „K” sehr einfach handhaben und fährt sich ausgesprochen angenehm. Der Geradeauslauf läßt auch bei Geschwindigkeiten jenseits der 200 km/h keine Unruhe aufkommen und das Kurvenfahren macht dank der schmalen Reifen (vorne: 100/90-18, hinten: 130/90-17) keine Mühe. Die Sitzposition paßt für Fahrer bis ca. 190 cm auf Anhieb, alle Bedienelemente sind sofort zu finden. Einzig gewöhnungsbedürftig ist die BMW-typische Blinkerbedienung – linker Blinkerschalter an der linken Griffarmatur, rechter Blinker und Ausschalter rechts.

Nach Ankunft in der neuen Heimat wurden erstmal alle Öle und Filter gewechselt sowie die Zündkerzen und die porösen Gabeldichtringe erneuert. Die Reifen der „K” waren beim Kauf noch in einem sehr guten Zustand, der Lack der Verkleidung wies erhebliche Steinschlagschäden auf, die Scheibe war blind und die Lackierung an Motor und Gabel so gut wie abgewaschen. Aber diese optischen Schwächen sind nach einer Laufleistung von mehr als 145.000 km durchaus akzeptabel. Wichtiger schien mir, daß der Antrieb (Motor, Getriebe, Kardan) dicht und das Motorrad nicht völlig verölt war, wie bei einigen Gebraucht-Offerten mit deutlich weniger Laufleistung. Die Verkleidungsscheibe und der Spoiler wurden ersetzt (warum bekommt man Teile aus Japan eigentlich wesentlich schneller als aus Bayern?) und die alten Bremsleitungen durch Stahlflex ersetzt.
BMW K 100 RS UmbauDie ersten Touren führten die „K” ins Weserbergland, den Harz, ins Wendland und die Elbe entlang. Bei diesen Touren zeigte sich, daß die Verkleidung zwar einen hervorragenden Wind- und Wetterschutz bietet und selbst bei Autobahnfahrt mit Höchstgeschwindigkeit (ca. 230 km/h) der Winddruck praktisch null ist, der Fahrer aber bei hochsommerlichen Temperaturen auf der Landstraße und erst recht im Stadtverkehr gebraten wird. Desweiteren erlauben die Verkleidungsspiegel bestenfalls einen Blick auf die eigenen Ellenbogen. Dieser Umstand veranlaßte mich, die Verkleidung zu entfernen. So entwickelte sich die „K” in mehreren Stufen zu einem Naked Bike. Der klassische Chrom-Scheinwerfer zierte einst die Suzuki GS 500 E meiner Frau, die Blinker wurden durch Mini-Blinker aus dem Zubehörhandel ersetzt, eine BMW R 100 R spendete die Spiegel und der klobige Original-Auspuff wich einem wesentlich schlankeren (und leichteren) Modell von Termignoni. Bei ebay fand sich auch eine Verkleidung für den Kühler und vor die Instrumente wurde ein kleines Windschild montiert. Die Kofferträger und die Gepäckbrücke wurden entfernt und kommen nur noch bei Bedarf zum Einsatz. Das riesige Rücklicht tauschte ich gegen zwei Mini-Rückleuchten, die sich perfekt in die vorhandene Aussparung im Heck einfügen. All diese Änderungen wirkten sich positiv auf das Gesamtgewicht aus (minus 19 kg) und lassen das Motorrad wesentlich schlanker wirken. Das ohnehin schon beispielhafte Handling hat sich ohne die Verkleidung nochmals verbessert und auf den Windschutz bei Hochgeschwindigkeit kann ich getrost verzichten, da ich mich bevorzugt auf Landstraßen bewege.
BMW K 100 RS UmbauZum Ende der Saison 2003 nach knapp 7000 Kilometern hat sich die „K” als ein problemloses und durchdachtes Motorrad erwiesen und in Anbetracht der Tatsache, daß die Markteinführung vor nunmehr 20 Jahren war und das Konstruktionskonzept aus dem Jahre 1979 stammt, kann man dem Entwicklungs-Team zu seinen Ideen nur gratulieren. Auch heute sind eine automatische zeit-/entfernungsabhängige Blinkerrückstellung, digitale Ganganzeige und Zeituhr, Scheinwerferleuchtweitenregulierung (bei RS, RT, LT), Brems- und Rücklicht-Überwachung, Kraftstoffreserve- und Choke-Kontrollleuchte, ABS (seit 1988), elektronische Benzineinspritzung und G-Kat (seit 1990 bei 16V) keine Selbstverständlichkeit im Motorradbau. Das Prinzip des „Compact-Drive-Systems” kann man auch im Jahre 20 nach Produktionsbeginn als richtungweisend bezeichnen. Der Benzinverbrauch von ca. 5,5 Liter Normal auf 100 km ist Gewicht und Leistung angemessen und läßt Dank des 22 Liter fassenden Tanks Etappen von knapp 400 km zu. Die Reservelampe leuchtet nach einer Fahrstrecke von etwas mehr als 300 km auf, und gibt dem Fahrer noch fast 100 km um nach einer Tankstelle zu suchen.
Auch am Fahrwerk der „K” gibt es nichts zu bemängeln. Der verwindungssteife Gitterrohrrahmen bezieht den Motor als tragendes Teil mit ein und bildet mit Kupplung, Getriebe und der einarmigen Leichtmetallschwinge eine Einheit. Das Federbein ist dreifach verstellbar, die konventionelle Telegabel mit 135 mm Federweg und (bei diesem Sondermodell) serienmäßigem Stabilisator bietet keine Verstellmöglichkeit, spricht aber auf kurze Bodenwellen ebenso fein an wie sie grobe Unebenheiten bestens wegsteckt. Handlichkeit und Spurhaltung sind Dank niedrigem Schwerpunkt ebenso erstklassig wie die drei bestens dosierbaren Scheibenbremsen mit jeweils 285 mm Durchmesser.
Anfang November wurde eine umfangreiche Inspektion durchgeführt, wobei sich zeigte, daß die inzwischen 152.000 km doch Spuren hinterlassen hatten. Die Steuerkette mit Führungen und Spanner, das Flügelrad und die Antriebswelle der kombinierten Öl-/Wasserpumpe, die Kupplung, ein Kurbelwellendichtring, die Ventildeckeldichtung und das Schauglas zur Ölkontrolle wurden erneuert. Weiterhin wurde das Ventilspiel und die Leerlaufdrehzahl eingestellt und das Öl mit Filter und die Kühlflüssigkeit gewechselt. Die Arbeiten an Motor, Kupplung und Getriebe ließ ich allerdings von Fachleuten durchführen.
BMW K 100 RS UmbauIm Dezember wurde die „K” zur „Single-Version” und ich befand, daß ein Motorspoiler zur optischen Vollendung zwingend erforderlich ist. Als Kleinanzeige inserierte ich meinen Wunsch und wenig später erhielt ich eine E-Mail von einem K-Fahrer aus Hamburg, der einen Spoiler (sogar in schwarz) verkaufen wollte. Nach einem Gespräch am Telefon stellte sich heraus, daß Peter, so hieß der K-Fahrer, noch eine Verkleidung suchte und so wurde ein Tauschgeschäft vereinbart. Im Januar trafen wir uns auf einem Parkplatz an der Autobahn und Verkleidung und Spoiler wechselten die Besitzer.
Mit Beginn des neuen Jahres wurde die „K” teilweise zerlegt um Schmutz und Rost auch aus den versteckten Ecken und Winkeln zu entfernen. Bei dieser Gelegenheit ersetzte ich auch (fast) alle Schrauben und Muttern durch welche aus VA-Stahl, polierte und versiegelte die matten Alu-Teile und reparierte die schadhaften Stellen an der Verkabelung. Kraftstoff-, und Kühlmittel-, Ab- und Überlaufschläuche wurden ebenso erneuert, wie die Dichtungen der Einspritzdüsen. Die verblaßten Kombischalter wurden ausgetauscht und der Lenker wurde mit neuen Griffgummis und Schwingungsdämpfern versehen. Die Kotflügel wurden genau wie das Windschild um einige Zentimeter gekürzt und die schnöde Plastikabdeckung der Zündspulen durch einen selbstgefertigten Deckel aus poliertem Aluminium ersetzt und die Serien-Fußrasten mußten einer Sportfußrasten-Anlage weichen, was der Optik meiner Meinung nach durchaus zugute kommt. Motor und Getriebe wurden genau wie Gabel, Rahmen und Kardantunnel frisch lackiert. Die Felgen hatten die Zeit sehr gut überstanden und bedurften nur einer gründlichen Reinigung und zeigten sich wieder im alten Glanz.
Die meisten der genannten Aktionen waren prophylaktischer Natur oder aus Gründen der Optik, technisch notwendig war eigentlich nur die Erneuerung des Kettenspanners und der Zylinderkopfdichtung, selbst die Kupplung erweckte den Eindruck, daß sie noch viele tausend Kilometer ihren Dienst getan hätte – aber wenn man schon dabei ist…
Wenn diese positiven Eindrücke und Erfahrungen meiner ersten Saison mit der „K” auch in den nächsten Jahren fortdauern, gibt es eigentlich keinen Grund jemals wieder ein neues Motorrad zu kaufen. Außer es gibt vielleicht eines Tages eine nackte K 1200 oder gar 1300 – wer weiß?