aus Kradblatt 3/20 von Torsten Thimm
Neue Mittelklasse
Intro: Kommt nach Spanien, haben sie uns gesagt, da blühen die Mandelbäume und die Sonne scheint, haben sie gesagt. Was uns allerdings an diesem Januarmorgen bei der Präsentation der neuen BMW-Modelle erwartet kommt so gar nicht den gewünschten und versprochenen Erwartungen nahe. Vier Grad Celsius und Regen sind die Realität, als wir die Maschinen besteigen und losfahren. Hey Petrus, wir sind in Spanien und super, da ist ja der Knopf für die optionale Griffheizung, schießt es mir durch den Kopf! Doch bereits auf den ersten Metern rückt das Wetter in den Hintergrund, denn schnell wird mir klar, dass BMW eine neue und vor allen Dingen starke Mittelklasse geschaffen hat, die mit der F 900 XR viele Fahrerpunkte einer Maschine dieser Klasse vereint. Daher nehme ich euch jetzt auch mit auf meine kleine Tour rund um Almeria, denn auch wenn es regnet, blühen die Mandelbäume und die Natur zieht dich in ihren Bann.
Die F 900 XR: Rasch liegen das Hotel und die Stadt hinter uns und verschwindet in den breiten Rückspiegeln. Nach einem kurzen Teilstück Autobahn, auf dem man dem optionalen Schaltassistenten mal auf den Zahn fühlen kann und die Verkleidungsscheibe einfach per Einhandhebel in die obere Position bringt, beginnt das eigentliche Kurvenrevier des kleinen Crossovers. Und schnell wird dabei klar, der Anspruch, den sich die BMW-Ingenieure gesetzt haben, ist hoch.
Die auf der Basis des ebenfalls neuen F 900 R Roadsters aufbauende F 900 XR, vereint die Handlichkeit der nackten R mit einem kompromisslosen Zusammenspiel aus Sportlichkeit und Tourentauglichkeit, wie man es bisher bei BMW nur von der S 1000 XR kannte. Die wiederum spielt ihr vierzylindriges Lied natürlich in einer anderen (Leistungs-)Klasse, wodurch die kleine XR ein ganz eigenständiges Model wird, das faktisch für jeden passt.
Mit Sitzhöhen von 775 mm bis 870 mm zeigt BMW deutlich den variablen Anspruch dieses Multitools. Man will es vielen Körpergrößen recht machen und so wird Komfort von Beginn an großgeschrieben. Denn bereits in der Standardsitzhöhe (825 mm) ist der Kniewinkel bei 1700 mm Körperhöhe sehr entspannt und der breite Lenker liegt durch die aktive Sitzposition dynamisch in der Hand. Dabei rollt die XR gemütlich am Gas hängend, im eingestellten Rainmodus, über die Landstraße. Deutlich spürt man beim Beschleunigen die gedämpfte Gasannahme, des sonst spritzigen Reihentwins mit seinen 105 PS und 92 Nm bei 6500 Umdrehungen.
Wie sein Vorgänger verfügt auch er über einen Hubzapfenversatz, was einen V2 vortäuscht und klanglich, trotz Euro 5 Norm, das Motorrad immer noch nach etwas klingen lässt. Dabei verhält er sich, sowohl im kalten wie auch im warmen Zustand, sehr freundlich und überzeugt mit wenig bis keinen Lastwechseln. Für Motorrad-Ein- und B-Aufsteiger ist die F 900 XR auch in einer A2-Führerschein tauglichen Variante erhältlich.
Ausgestattet mit zwei Standard-Ridingmodes – Rain und Road – mit ABS und ASC (= Automatische Stabilitätskontrolle/Traktionskontrolle) hat man so schon einmal ein sehr gutes Basisbike.
Doch wäre BMW nicht BMW, wenn nicht mehr möglich wäre. Optional sind daher weitere elektronische Features verfügbar, die das Fahrgefühl der F 900 XR intensivieren.
Die als Dynamic und Dynamic Pro bezeichneten Modes konnten wir, an den voll ausgestatteten Presse-Maschinen, ebenfalls nach und nach auf abtrocknenden Straßen testen. Mit den Update-
Paketen wird ASC zu DTC (Dynamic Traction Control, funktioniert auch in Schräglage) und ABS zu ABS-Pro (= schräglagentaugliches ABS). Außerdem kommen die dynamische Brems- (DBC) und Motorkontrolle (MSR, regelt das Schlupfmoment) hinzu. Zweitere soll das Stempeln des Hinterrades bei abrupter Gaswegnahme verhindern. Kraftvoll schiebt der Twin dabei in den Dynamic Modes bereits aus dem Keller voran und lässt keinerlei Wünsche offen. Im Pro Modus kann der geneigte Fahrer sogar alle Systeme seinem eigenen Gusto anpassen. Wie sinnvoll das in der Realität ist, sei aber erst einmal dahingestellt, da wir immer noch von einem Touringbike und nicht von einer Rennmaschine für den Track sprechen.
Almerias Hinterland: So geht es also durch das bergige Hinterland, dessen Ausblicke und Landschaften auch bei nicht so gutem Wetter zu überzeugen wissen. Mittlerweile ist der Regen aber zum Glück auch ein paar blauen Flecken am Himmel gewichen. Mit den trocknenden Straßen wird jetzt die Geschwindigkeit flotter und ein ums andere Mal kicke ich den Schaltassistent mit Blipperfunktion hoch bzw. runter. Nicht falsch verstehen, schaltfaul fahren geht ausgezeichnet, wenn es jedoch feurig voran gehen soll, ist manchmal ein kick nach unten der richtige Weg, um das Lächeln unterm Helm zu einem Lachen werden zu lassen. Das neu entwickelte Chassis arbeitet dabei erfreulicherweise wunderbar unaufgeregt, soll heißen es ist schön steif. Zudem lässt die einteilige Sitzbank (wahlweise 30 mm niedriger ohne Aufpreis) dem Fahrer genug Bewegungsfreiraum, was die Handlichkeit der eh schon leichten Maschine (219 kg fahrfertig) noch erhöht. Dabei nimmt die nicht einstellbare USD-Gabel einen Großteil der Straßenunebenheiten auf und ist nie mit den Gegebenheiten überfordert. Das Dynamic ESA gesteuerte Federbein (Aufpreis-Paket) regelt je nach Fahrbahnzustand die Dämpfung elektronisch. Der Fahrer wählt zwischen den Modi Road (passt für fast alles) und Dynamic (sportlich straff).
Touring Modus: Eine nach der anderen Kurve fegt an uns vorbei, wobei die XR gerade auf den engen Straßen ihre Handlichkeit voll ausspielt. Doch auch Tourenfahrer werden begeistert sein, denn neben ihren sportlichen Attributen kann man mit der 900er auch ganz ausgezeichnet verreisen. Platz für zwei Personen? Kein Problem. Längere Strecken ohne Schmerzen am Gesäß? Kein Problem. Und mit einem Tankinhalt von 15,5 Litern und einem gemessenen Verbrauch von 4,4 – 4,8 Litern sind selbst längere Etappen am Stück kein wirkliches Problem.
Unterstützt wird der Fahrer dabei sowohl durch modernste LED-Lichttechnik mit adaptivem Kurvenlicht (im Aufpreis-Paket), was die aktive wie auch die passive Sicherheit merklich erhöht und nicht zuletzt auch durch das 6,5 Zoll große TFT-Farbdisplay, das neben den üblichen Anzeigeelementen, ähnlich wie das der BMW S 1000 RR, diverse Daten wie Schräglage, Beschleunigung, oder auch die Bremskraft weitergibt. Natürlich kann das TFT auch mit der BMW-Motorrad Connected APP verknüpft werden. Auf diese Weise wird die Navigation, oder das Hören von Musik mit dem Handy zum Kinderspiel, ebenso wie das Festhalten der gefahrenen Daten, wenn man das möchte.
Sicherheit steht ganz weit vorne und auch für den wirklichen Notfall hat man vorgesorgt, denn an der rechten Bedieneinheit findet man den SOS-Knopf (Aufpreis 265 €), der im Falle eines Unfalles Leben retten kann. Der optional erhältliche Tempomat rundet das technische Reisepaket des Motorrades nach oben hin ab.
Auch in Sachen Gepäck hat man bei BMW vorgesorgt, denn was nutzt ein Crossover ohne passenden Stauraum? Zur Verfügung stehen eine 40 und eine 50 Liter Gepäckrolle, diverse hauseigene Tankrucksäcke und Softbags mit 30 bis 55 Liter Fassungsvermögen sowie ein Topcase mit 30 Litern, inklusive der passenden Halterungen.
Alles hat ein Ende: Und so endet auch diese Testfahrt nach einer schönen Tour durchs spanische Hinterland am Nachmittag wieder im Hotel. Selten habe ich in so viele zufrieden dreinschauende Gesichter gesehen, wie in dem Moment als die Motoren schwiegen und die Helme abgesetzt waren. Hat BMW ein gutes Motorrad gebaut? Ja, das haben sie. Für mich ist diese neue Mittelklasse eine der besten Möglichkeiten für die Hersteller, Kunden von sich zu überzeugen, denn hier tobt der Ausstattungskampf. Und BMW wird mit der F 900 XR sicherlich sehr weit vorne sein, denn für den Basispreis von 11.400 Euro bekommt man schon ein sehr gutes Motorrad, das mit allen Paketen am Ende bei knapp 14.000 Euro landet. Mit weiteren Extras und anderen Lackierungen schafft es der Konfigurator auf rund 14.500 Euro (Preise zzgl. Fracht und Verpackung).
Wer bei den ganzen ABC-Kürzeln ins Schlingern gerät, besucht am besten seinen BMW-Vertragshändler und lässt sich alles erklären. Viele davon dienen „nur“ der Sicherheit und im Tourenalltag spürt man sie erst, wenn man sie wirklich braucht. Dann ist man allerdings froh sie zu haben und so werden die meisten F 900 XR wohl ziemlich voll ausgestattet auf die Straße gehen – aktuell sogar mit drei Jahren Garantie ab Werk.
Fazit: Mein Fazit ist ein wirklich Gutes, denn sieht man einmal davon ab, dass man den Schaltassistenten erst ab dem dritten Gang richtig sauber nutzen kann, könnte man als einzigen negativen Gesichtspunkt BMW vorhalten, dass sie, wie andere Hersteller allerdings auch, viele Features nur gegen Aufpreis anbieten. Da die Maschine aber schon in der Grundversion gut ausgestattet ist, fällt dieser Kritikpunkt für mich raus. Bleibt am Ende ein toller Tag mit einem gelungenen Motorrad und blühenden Mandelbäumen in Spanien.
Lieferbare Ausstattungs-Pakete:
- Dynamic Package – Scheinwerfer mit adaptivem Kurvenlicht, Tagfahrlicht und Schaltassistent Pro.
- Active Package – Fahrer Modes Pro, DTC, MSR, DBC und ABS-Pro, Kofferhalter und Heizgriffe.
- Comfort Package – Keyless Ride, Hauptständer, Dynamic ESA
- Touring Package – Tempomat und Navigationsvorbereitung
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Kommentare
3 Kommentare zu “BMW F 900 XR, Modell 2020”
iCH FAHRE DIE F900XR SEIT 2jAHREN ;BIN 20000 KM GEFAHREN; HABE ALLE EXTRAS; IST EIN DURCHSCHNITZ BIKE UNAUFGEREGT ,da mir die f900 zu hoch und zu schwer ist habe mir jetzt eine MT07 neu gekauft , hat außer ABS nichts , braucht sie auch nicht , da kann nichts kaputt gehen ,ich brauch nigs einstellen, draufsitzen und losfahren, dieses kleine ding geht sensationell (ich glaube besser als die Bmw) ist leicht , ich bin einfach begeistert, und kostet nicht einmal die Hälfte, da fragt man sich brauch ich mehr Motorrad. meine f900XR ist bei mir zu kaufen. 06641343968
Da bin ich doch voll bei Jochen.
Und nochmal schade: der traumhafte Rotax-Motor der Nuda900 – entwickelt von der Motorsportabteilung von BMW – hätte das gesamte Paket wahrscheinlich etwas emotionaler gestaltet als die China-Ware …
Schade das BMW die 900er nicht mit Kardan oder Riemen Trieb (wie F800GT) baut. Kette möchte ich nicht mehr….wäre sonst ein geniales Motorrad.