aus Kradblatt 2/21 von Torsten Thimm
Die will nur Spaß …
Roadster, ein Motorradgenre, das mir schon immer sehr viel Freude bereitet hat. Meist wie ein Scrambler auch nicht ganz so hoch und in der Regel sehr agil, dienen sie vorwiegend dem reinen Fahrspaß und weniger dem langen Reisekomfort.
BMW hat sich 2020 seiner F-Klasse angenommen und mit der neuen F 900 R versucht auch den letztgenannten Punkt in das Prinzip R zu integrieren. Nach mehreren Entwicklungsjahren hat man so die eigene Mittelklasse in eine neue Evolutionsstufe gehoben. Dabei glänzt die F 900 R mit einer sportlicheren Optik und einem größeren Einsatzspektrum, obwohl sie das bleibt was sie ist, ein echter Roadster.
Die F 900 R ist, nach der mehr tourenorientierten XR, die zweite Maschine mit dem neuen aufgebohrten Reihentwin der kleinen GS an Board. Auch hier werden 105 PS Leistung (auch eine auf 95 PS reduzierte Variante für die Drosselung auf 48 PS ist lieferbar) bei 8.500 Umdrehungen generiert, sowie 92 Nm Drehmoment, das ab 6.500 Umdrehungen anliegt. Das sorgt dafür, dass der Twin sauber am Gashahn hängt und einen vortrefflichen Vortrieb in dieser Klasse entwickelt. Ein Vortrieb, der trotz Hubzapfenversatz schön gleichförmig aus dem niedrigen wie auch dem mittleren Drehzahlenbereich kommt und alles kontrollierbar macht, was unter einem geschieht.
Kaum aufgestiegen, fällt einem die sportlich und nach vorne orientierte Sitzposition auf, die verbunden mit einem sauberen Knieschluss am Tank und einem entspannten Kniewinkel, ein sehr gutes Gefühl vermittelt. Einzig der Lenker könnte meiner Meinung nach breiter sein. Das weiß BMW aber bereits und bietet daher für das Modell einen passenden, höheren und breiteren Lenker im Zubehör an.
Beim Start unserer Testrunde in Almeria/Spanien, wird dann auf jeden Fall sehr schnell klar, dass BMW das Thema Komfort ganz neu definiert hat. Optionale Griffheizung, optional elektronisch einstellbares ESA hinten, diverse Sitzkissen mit Höhen von 770 bis 865 mm Höhe, einstellbare Handhebel links und rechts, optionaler LED-Scheinwerfer mit adaptivem Kurvenlicht, ABS, ASC und zwei Ridingmodes beim Basismodell. Die können bei Bedarf auch bei der R noch verschärft werden und wie bei der XR-Schwester kommt dann anstatt dem einfachen ASC das DTC, statt ABS das ABS-Pro (Kurven ABS), die dynamische Bremskontrolle DBC, die Drehmomentkontrolle MSR und die beiden Fahrmodi Dynamic und Dynamic Pro mit dazu. Das Rundumpaket verändert dann natürlich auch den Preis der Maschine deutlich, der in Deutschland standardmäßig bei 8.800 Euro startet und mit allen vier Paketen plus diversen Anbauteilen bei 12.100 Euro landet.
Die Freude am Fahren ist hingegen von Beginn an kostenlos mit dabei, denn nach der Stadt und der Autobahn geht es in die Berge und hier zeigt der kleine Roadster so richtig, was er kann.
Selbst mit dem schmalen Lenker ist er handlich und flink wie das sprichwörtliche Wiesel. Das Fahrwerk ist straff und die nicht einstellbare USD-Gabel schluckt Fugen, Dellen und Querrillen der schmalen Straßen einfach weg.
Am Hinterrad ist es ähnlich, wobei der Fahrer hier durch das ESA-Federbein selbst noch bestimmen kann, wie sportlich-straff oder komfortabel es sein soll.
Hart oder weich ist ein gutes Stichwort, denn während der Motor im Rainmode ungestresst am Gas hängt, zeigt er im Road und Dynamic Modus ein ganz anderes Gesicht. Seine Spritzigkeit überzeugt und das Lächeln unterm Helm wird zu einem frechen Grinsen.
Grinsen kann man dabei im Übrigen auch beim Verbrauch, denn 4,2 bis 4,4 Liter auf 100 km tun dem Geldbeutel gut und lassen einen mit 13 Litern Tankvolumen ordentlich roadstern.
Das 6,5 Zoll TFT Farbdisplay vor dem Fahrer, zeigt zudem alle weiteren wichtigen Lebenszeichen der Maschine an, ist intuitiv über die Schalter an den Lenkerenden zu bedienen und natürlich auch mit der BMW Connected App zu verbinden. Navigieren mit Handy wird so zum Kinderspiel, ebenso wie das Tracken und Speichern der eigenen Daten und natürlich auch das komplette Kommunizieren darüber, wenn man das möchte.
Die Kommunikation unserer Testrunde reduzierte sich heute allerdings auf interessante Gespräche untereinander, das Wesentliche rund um das Bike, die Landschaft und den obligatorischen Cortado, bevor die Route weiter ansteigt.
Enge und zumeist kurvige Straßen mit Felswänden gespickt und eine Landschaft, die dir den Atem raubt, das ist Almerias Hinterland und ein Paradies für jeden Motorradfahrer. Die Sonne lacht mittlerweile dabei und die wilden Mandelbäume stehen bereits in ihrer Blütenpracht als wir an diesem Januartag vorbeibollern. Ja Euro 5 darf noch immer klingen, auch wenn die absorbierenden Resonanzkörper unter den Maschinen leider immer unförmiger und größer werden.
Doch wird das hier sowieso zweitrangig, denn das Fahrgefühl überwiegt und dank des Quickshifters spart man sich das Ziehen des Kupplungshebels und zieht bzw. drückt die Gänge einfach so durch. Die sauber zu schaltende Sechsgangbox des Motors und die Blipperfunktion des Schaltassistenten machen es möglich und erhöhen die Konzentration auf die wild schwingende 3D-Straße unter mir.
Während die XR-Schwester ab Werk auf Michelin Road 5 GT daherrollt, hat man der R Bridgestone S21 verpasst. Die passen sehr gut zu ihr, auch wenn wir natürlich aufgrund der Wetterverhältnisse und dem Fahren auf der öffentlichen Straße keine absoluten Grenzbereiche ausgetestet haben.
Die BMW F 900 R kann sich sehen lassen, denn sowohl in der rot/grauen Lackierung, wie auch in den beiden anderen Farbkombinationen macht sie eine gute Figur und passt sich mit ihrer Front in die BMW-Familie der Roadster perfekt ein. 211 kg gilt es am Ende zu bewegen, aber immer mit dem sicheren Gefühl, beide Füße fest auf dem Boden zu haben – was neben den ganzen elektronischen Helferlein im Hintergrund eine direkt fühlbare Sicherheit verleiht.
Fazit: Finde ich die neue R Mittelklasse gut? Ja, das tue ich wirklich, denn sie verbindet Komfort mit den tiefsten Wurzeln des Roadsters: Sportlichkeit und Agilität. Das mag ich gerne, denn ich fahre weit mehr als nur die Feierabendrunde unter der Woche mit meinem Bike.
Ist der Preis für das gebotene ok? Ja, auch das finde ich, denn die BMW F 900 R hebt sich doch ein ganzes Stück von den Mitbewerbern in diesem Segment nach oben hin ab, auch wenn der Motor in China gefertigt wird und das bei dem einen oder anderen wohl ein gedankliches Problem zu sein scheint. Die Qualität stimmt jedenfalls und der Roadster leistet sich wirklich keine Fehler, außer dem für meinen Geschmack zu schmal geratenen Standardlenker. Die gesetzliche Gewährleistung von 24 Monaten hat BMW bei Maschinen ab Modelljahr 2020 um ein weiteres Jahr auf 36 Monate verlängert.
In diesem Sinne: Make Life a Ride, wie es so schön bei BMW heißt, setzt euch drauf und erfahrt die F 900 R selbst einmal. Genießt ihren Schwung, erlebt ihren Twin und bildet euch euer eigenes Bild von diesem tollen Motorrad.
BMW-Vertragshändler im Norden findet ihr <hier>.
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Kommentare
Ein Kommentar zu “BMW F 900 R Roadster, Modell 2020”
Geschmackssache. Wer elektronische Gimmicks will, fällt auf die Marketing Masche (Zubehörliste) von BMW rein. Wer nen anständigen Motor will, kauft ne z900, mt09,Duke 790,GSX-S 750. Ne F900R in Grundausstattung kauft eh keiner. Und wenn man Kreuze in der Zubehörliste macht kostet ne im Bewerberfeld schwere F900R mit trägem ( billig zu produzierendem ) Reihenzweizyindermotor und mässig funktionierendem Quickshifter gleich mal 11 bis 12000Euro.Ist also ~1000 bis 2000eur teurer als die Konkurrenz. Ein Grund die BMW zu kaufen wäre dynamic ESA. Aber da bleibt ja dann die Möglichkeit bei der Konkurrenz ein gutes konventionelles Fahrwerk mit einzukaufen oder nachzurüsten.Dann hat man ein leichte , zuverlässige Maschine mit lebendigem Motor und reichlich Fahrspaß zum Preis der BMW F900R .