aus bma 09/02

von Dietmar Scholz

Nachdem meine Freundin ihren Motorradführerschein gemacht und sich eine Suzuki GS 500 E zulegt hatte, hatte ich natürlich keine Chance mehr, mit meiner Yamaha XT 500 in ihrer Nähe zu bleiben. Ich musste aufrüsten. Eines war sicher: Es sollte wieder ein „Eintopf“ sein.
Nach intensivem Studium von Prospekten, Katalogen und Testberichten in verschiedenen Motorrad-Magazinen reifte der Entschluss, eine BMW F 650 zu kaufen. Nachdem diese Entscheidung getroffen war, wurden Internetseiten und Anzeigenblätter gelesen und die Motorradhändler in der Region Hannover besucht. Bei einem Suzuki-Händler in Hannover entdeckte ich dann eine schmuddelige, aber gut erhaltene BMW F 650, Baujahr 1994, mit 15.000 Kilometern auf dem Tacho. Es wurde ein Termin für eine Probefahrt vereinbart und die Maschine wechselte vor zweieinhalb Jahren für 5.000 Mark den Besitzer.
Nach der Überführung in die heimische Garage wurde das Motorrad erst einmal gründlich gereinigt, mit diversen Mittelchen von Schmutz und Staub befreit und auf Hochglanz gebracht. Vor der Zulassung wurden noch einige Kleinigkeiten ver- bzw. geändert: Die Vorbesitzerin hatte die BMW fünf Zentimeter tiefer legen lassen, was ich wieder rückgängig machte, die Reifen wurden erneuert (Metzeler Enduro 4), ich installierte noch eine Warnblinkanlage, einen Motorschutzbügel und GlVI-Kofferträger nebst Koffern und führte eine Inspektion gemäß Wartungshandbuch durch. Bei dieser Gelegenheit erhielt die BMW neues Öl samt Filter, neue Zündkerzen und einen neuen Luftfilter sowie frische Bremsflüssigkeit. Die hässliche Kombination aus Spritz- und Kettenschutz musste ausserdem einem Eigenbau weichen.

 

Auf dem Rückweg von der Zulassungsstelle gab der vordere Bremslichtschalter den Geist auf und musste erneuert werden. Beim TÜV erhielt die F 650 die Plakette auf Anhieb und ohne Beanstandung.
Auf den ersten Ausfahrten musste ich mich erst daran gewöhnen, dass sich der Motor unterhalb von 3000 U/min ausgesprochen zickig verhält. Die XT zieht trotz (oder wegen?) der fehlenden Ausgleichswellen besser aus dem Drehzahlkeller hoch – vielleicht liegt es aber auch an den sechzig Kilogramm Mehrgewicht der BMW. Wenn man sich erst dran gewöhnt hat, ist es jedenfalls kein Problem mehr, und die F 650 bereitet uneingeschränkt Freude. Obwohl die F 650 keine „echte BMW“ ist, sondern bei Aprilia in Italien gefertigt und mit Rotax-Motoren komplettiert wird, sind Verarbeitung und Qualität hervorragend. Fahrwerk und Bremsen sind den 50 PS des ungedrosselten Motors jederzeit gewachsen, und die Handlichkeit lässt keine Wünsche offen. Die Bodenfreiheit ist ausreichend groß um die Straße auch mal zu verlassen. Die Sitzposition in Verbindung mit dem 17,5 Liter fassenden Tank lässt auch längere Etappen zu. Als positiv stellte sich heraus, dass der Erstbesitzer den 1994 noch aufpreispflichtigen Hauptständer mitbestellt hatte und auch den Mehrpreis für Heizgriffe nicht gescheut hat. Sie erwiesen sich nicht nur im Frühjahr und Herbst, sondern auch bei Regenfahrten als echtes Plus an Komfort.
Der bislang einzige von mir erkannte Schwachpunkt ist die von der Vorbesitzerin montierte Windschutzscheibe von WÜDO. Wenn man um die 1,80 Meter misst, befindet sich der Kopf genau im Bereich heftiger Luftwirbel. Ich habe deshalb den serienmäßigen Windabweiser wieder montiert. Ansonsten empfehle ich noch ein Kühlerschutzgitter und zum Schutz der Standrohre Faltenbälge.
Im August 2000 mit Kilometerstand 18.500 fing das Zünd-/Lenkschloss an zu hakeln, was sich aber durch Zerlegen, gründliche Reinigung und Graphit-Pulver beheben ließ. 500 Kilometer später verweigerte die Kühlmitteltemperaturanzeige den Dienst, was auf korrodierte Kabelanschlüsse zurückzuführen war. Im November wurde die BMW mit frischem Öl und Filter mit 19.180 Kilometern auf dem Tacho in den „Winterschlaf“ geschickt.
Vor der „Wiederbelebung“ im April 2001 gönnte ich dem Motorrad vorsorglich neue Kühlerschläuche und erneuerte die Kühlflüssigkeit. Es folgten einige Tages- und Wochenendtouren mit Freunden ins Weserbergland, den Harz und die Lüneburger Heide, bei denen die BMW ihre Zuverlässigkeit und Anspruchslosigkeit unter Beweis stellte. Mitte Mai hatte die Kette bei Kilometerstand 19.800 die Verschleißgrenze erreicht und Kette, Kettenrad und Ritzel wurden ausgetauscht. 180 Kilometer später verendete die Batterie mit Plattenschluss und musste ersetzt werden. In dieser Situation habe ich den Kickstarter doch sehr vermisst (der XT-Fahrer grinst jetzt hämisch). Der Rest der Saison verlief erfreulich unspektakulär, die F 650 tat unauffällig und zuverlässig ihren Dienst bis zur Winterstillegung im November letzten Jahres bei Kilometerstand 22.900, wobei Motoröl und Filter gewechselt, sowie alle Öl- und Benzinschläuche prophylaktisch ausgetauscht wurden.
Die Winterpause nutzte ich, um die inzwischen recht betagten Original-Bremsleitungen durch neue zu ersetzen (vorn Lucas-Stahlflex, hinten BMW-Gummis) und die von Haus aus ohnehin schon sehr gute Sitzbank noch ein wenig zu verbessern: Die tiefe Sitzmulde wurde aufgepolstert und der Bezug erneuert, so dass die Bank jetzt gerade verläuft, und man die Sitzposition noch besser variieren kann. Mitte März wurde die Frühjahrs-Inspektion durchgeführt, bei der das Gabelöl ausgewechselt und die Zündkerzen, der Luftfilter sowie die hinteren Bremsbeläge erneuert wurden.
Am 1. April war es soweit: Die frisch geladene Batterie wurde eingebaut und nach einigen Minuten intensiven „Orgelns“ (das Korrosionsschutzöl musste erst mal aus Vergasern und Brennräumen weichen) gab der Motor die ersten Lebenszeichen von sich. Die Saison 2002 war eröffnet. Bei schönstem Frühlingswetter wurde der erste Ausritt in die Umgebung unternommen.
Mein Fazit nach zweieinhalb Jahren: Ein rundum gelungenes Motorrad! Die BMW F 650 ist ein Motorrad, das man durchaus als anspruchslos bezeichnen kann und das kaum mehr als die elementaren und sicherheitsrelevanten Wartungsarbeiten erfordert. Kurzum: Bestens geeignet für die täglichen Fahrten, wie auch für längere Reisen mit Sozius und Gepäck, allerdings weniger geeignet für die Autobahn.