aus bma 7/00

von Marcus Lacroix

BMW hat bekanntermaßen die härteste Rallye der Welt,BMW3 die Paris-Dakar bzw. Dakar-Kairo oder wohin auch immer sie gerade führt, in den letzten beiden Jahren gewinnen können. Als Basis diente dabei eine BMW F 650, die mit dem Serienmodell allerdings fast nichts mehr gemein hatte. Für die Bajuwaren Grund genug, wie schon 1984 mit der seligen R 80 G/S Paris Dakar, ein Sondermodell auf den Markt zu bringen, um den Erfolg in klingende Münze zu verwandeln. Da traf es sich natürlich gut, dass die BMW F 650 eh gerade einer gewaltigen Verjüngungskur unterworfen wurde.

Die neueste Version des 1993 eingeführten BMW-Bestsellers F 650 will als F 650 GS an den Erfolg ihrer Ahnen und den der großen Schwestermodelle R 1100/1150 GS anknüpfen. Die Anlagen dafür sind vorhanden und wir durften uns mit dem aufgepeppten Sondermodell F 650 GS Dakar, das uns ein BMW-Vertragshändler für ein paar Tage zur Verfügung stellte, ausgiebig vergnügen.

Wer auf optisch aus der Masse herausragende Motorräder steht, wird an der Dakar seine helle Freude haben. Hochbeinig, mit respekteinflößend weit oben liegendem Sitzplatz, die BMW2Cockpitscheibe weit in den Himmel gestreckt, lehnt sie schräg wie ein besoffener Seemann beim Landgang auf ihrem weit ausladenden Seitenständer. Warum die Konstrukteure der Dakar eine solche Schräglage verpassten, erschließt sich dem Benutzer leider nicht. Zwar muss man nun das rechte Bein beim Aufsteigen nicht ganz so hoch schwingen – für eine Balletteinlage reicht es trotzdem fast noch – dafür muss die fast 200 Kilogramm schwere Maschine mit dem linken Bein erst einmal in die Senkrechte gedrückt werden.

Nach diesem Kraftakt, der durch einen tiefen Schwerpunkt glücklicherweise etwas gemildert wird, fühlt sich die Wüstenreplica gleich viel besser an. Die rund 87 Zentimeter Sitzhöhe kommen einem gar nicht mehr so hoch vor. Ein 176 cm großer Fahrer hat keinerlei Schwierigkeiten, einen sicheren Stand zu finden, und selbst bei 169 cm konnte unser zweiter Testfahrer noch nicht von wirklichen Problemen sprechen. Auch hier wirkt sich der tiefe Schwerpunkt, der nicht zuletzt durch den ungewöhnlichen Tank beeinflusst wird, positiv aus. Was an dem Tank ungewöhnlich ist? Nun ja, das kleine Deckelchen links auf dem Tank stellt lediglich den Motoröleinfüllstutzen dar. Sprit findet sich unter der Tankattrappe keiner. Mit Treibstoff befüllt wird die F 650 rechts hinten – Autofahrern nicht unbekannt – über eine schrägstehende Tankklappe. Der zunehmend teurer werdende Saft, Lebenselixier vieler Motorradjunkies, rinnt von dort aus in ein verwinkeltes Kunststoffformteil, das sich im Rahmendreieck befindet. Etwas über 17 Liter Super- benzin schwappen hier nach dem Volltanken schwerpunktgünstig hin und her. Bei einem Verbrauch von 5,1 Litern je 100 Kilometer während unserer Probefahrtage sind theoretisch somit 300 Kilometer-Etappen drin.

Für das Wohlbefinden des Reiters sorgt auch die angenehm gepolsterte Sitzbank, die lange Tagesetappen gewiss nicht zur Tortour werden lässt. Der Kniewinkel ist erträglich, der Knieschluss zur Tankattrappe passt und der hohe Lenker liegt gut in der Hand. Auch mit dem Komfort auf dem Soziusplatz kann man gut leben, der Tankstutzen stört nicht. Die Spiegel bieten, wie bei BMW gewohnt, eine gute Rücksicht und die Armaturen liegen gut im Blick. Mecker muss sich BMW allerdings für die Schaltereinheiten gefallen lassen, die nicht nur wie Plastik (im negativen Sinne) aussehen, sondern auch nicht sonderlich ergonomisch geformt sind. Nicht einstellbare Brems- und Kupplungshebel trüben das Bild ebenso wie die pofeligen Handschützer. Diese mögen bei harten Geländeeinsätzen vielleicht Finger und Hebel vor Blessuren schützen, einen adäquaten Schutz gegen Wind und Regen bieten sie allerdings nicht. Unschön ist auch die Angewohntheit der Dakar, bei nassen Straßen das Spritzwasser durch den Gabelschacht auf Tankattrappe und Fahrer zu spucken. Eine kleine Kunststoffblende könnte dies verhindern. Das hat man davon, dass es bei der Dakar-Rallye keinen Regen gibt.

Wenden wir uns also lieber wieder der Sonnenseite des Lebens zu. Der Motor der BMW F 650 GS Dakar ist ein Einzylinder-Gedicht. Zwar monieren manche Zeitgenossen den recht herben metallischen Schlag, der dem Eintopf als maßgebliche Lebensäußerung entfleucht, wahre Singlefreunde werden ihn allerdings lieben. Der exakt 652 Kubikzentimeter messende Motor, der wie sein Vorgänger von Bombardier-Rotax gefertigt wird, wurde in vielen Details kräftig überarbeitet. Nervte die alte F 650 noch mit einem – speziell in tiefen Drehzahlregionen – sehr unkultivierten Motorlauf, glänzt die neue F über das gesamte Drehzahlband. Eine Einspritzelektronik macht den Choke überflüssig und nach kurzem Druck aufs E-Starter-Knöpfchen erwacht das Triebwerk zum Leben. Dass dafür evtl. ein, zwei Kurbelwellenumdrehungen mehr nötig sind als bei einem Vergasermotor, erklärt sich durch die Elektronik, die zunächst erst ein paar Motordaten erfassen muss, um Einspritzmenge und Zündungsdaten zu berechnen. Etwas wunderlich benahm sich das Motor-management zeitweilig beim Anhalten, denn es regelte die Standgasdrehzahl erst auf recht hohe 2000 U/min ein, um sie kurz darauf auf normale 1600 U/min zu senken. Gestört hat es nicht und so verfolgten wir das Phänomen nicht weiter. Immerhin ermöglicht die Elektronik die Verwendung eines geregelten Katalysators, der sich in einer interessant konstruierten Edelstahlauspuffanlage versteckt. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der linke „Auspuff” als Vorschalldämpfer ohne Öffnung ins Freie und der rechte als Endtopf.

Mit deutlichem Klacken rastet der erste von fünf Gängen ein und dann geht die Einzylinderpost so richtig ab. Reißt man unbarmherzig am Gasgriff, macht die Dakar artig Männchen. Wer es kann – der Autor kann es nicht – bewegt die gut ausbalancierte Maschine problemlos auf dem Hinterrad. Schnell ist die letzte Gangstufe eingelegt und das fröhliche Landstraßenschwingen kann beginnen. Es braucht ein wenig Eingewöhnung, bevor man die Dakar so richtig zügig über das kurvige Asphaltband scheuchen kann. Die hohe Sitzposition auf der sehr schmal bauenden Maschine, die langen Federwege von immerhin 210 Millimetern vorne wie hinten und die auf den ersten Blick schräglagenmäßig wenig vertrauensfördernden Metzeler Enduro 3-Reifen erfordern Überwindung. Hat man aber erst einmal die Angstschwelle überschritten, belohnt einen die Dakar mit einer Menge Fahrspaß. Die Reifen lassen sich bis zur Haftungsgrenze abwinkeln, die sich durch ein sanftes, nicht beunruhigendes Wegschmieren ankündigt. Aufsetzende Teile? Keine Spur! Das Teil brennt richtig fix ums Eck. Wer den Gashahn auf Anschlag dreht, wird mit einer Spitzengeschwindigkeit von rund 170 km/h belohnt. Das hohe Windschild bietet dabei einen bemerkenswerten Windschutz bei wirklich geringen Turbulenzen (Fahrer 176 cm, BMW-Systemhelm 3). Dauerreisegeschwindigkeiten von 150 Stundenkilometern stellen kein Problem dar. Man muss allerdings darauf achten, dass man sich nicht am Lenker verkrampft und die Knie schlottern lässt. Dann bringt der Fahrer eine leichte Unruhe ins Fahrwerk, die sich durch gelegentliche harmlose Pendelbewegungen äußert.
Unkomfortabel verhielt sich unsere Dakar auf stark geflickten Streckenabschnitten. Während man die Federvorspannung des anstandslos arbei- tenden hinteren Federbeins bequem einstellen kann, ohne dass man von der Maschine absteigen muss, nervt die nicht einstellbare Gabel mit einem schlechten Ansprechverhalten. Um sie zum Losbrechen zu bewegen, bedarf es schon kräftigerer Schläge, und so gibt sie unnötig viele Fahr-bahnunebenheiten an den Fahrer weiter.

Der Weg führt uns schließlich zu einem Truppenübungsplatz, den wir illegaler WeiseBMW1 betreten und auf dem wir freundlicherweise trotzdem geduldet werden (Danke an den Herrn Offizier). Hier soll die Dakar nun ihre Geländequalitäten unter Beweis stellen. Ganz einfach ist es nicht, denn schließlich sind wir normale Motorradfahrer und keine Off-Road-Spezialisten. Die 200 Kilogramm Lebend- gewicht treiben uns schnell den Schweiß auf die Stirn und die Metzeler Reifen bieten auf feuchtem Gras und in Modderlöchern keinen Halt. Trockene Passagen mit nicht zu tiefem Sand oder Schotter lassen sich mit der Dakar herrlich schnell durchpflügen.
Ihr 21 Zoll-Vorderrad ist dem 19-Zöller der normalen F 650 GS in diesem Bereich sicher überlegen. Schlaglöcher und Buckel können dem Fahrwerk nichts anhaben. Erst als wir uns an kleinere Sprünge wagen, geht die Gabel bei kopflastigen Landungen auch mal auf Block. Kein Grund zur Panik, die Dakar steckt die Strapazen gut weg. Fürs Gelände wäre ein kürzer übersetzter erster Gang wünschenswert, denn so ist in kniffligen Passagen öfters der Einsatz der Kupplung von Nöten, um den Motor vor dem Absterben zu bewahren. Riesenspaß macht die Schlammschlacht trotzdem. Die Kette wurde dabei durch den stabilen Kettenschutz erstaunlich gut geschützt.

Das anschließende Säubern der Maschine mit dem Hochdruckreiniger wirft die Frage auf, warum das Dekor nicht überlackiert ist. Zwar flogen die Aufkleber (noch) nicht weg, aber solche kleinen aber feinen Details kann man bei dem Preis der BMW doch erwarten. Der liegt mit rund 14.500 DM einen Tausender über dem der Standard-F 650 und ist für einen Single nicht gerade ein Sonderangebot. Dass sich Abenteuer-Eintöpfe aber auch für noch mehr Geld an den Mann bringen lassen, beweist KTM mit der teureren Adventure. Die hat zwar nicht die letzten Dakar-Rallyes gewonnen, ist dafür aber trotzdem geländegängiger als die F 650. Im Alltagsbetrieb und als komfortablere Reisepartnerin dürfte hingegen eher die F überzeugen. Daran kann auch die billige Plastik-Gepäckbrücke nichts ändern. Ein umfangreiches Zubehörprogramm erleichtert bei Bedarf den Geldbeutel um einige weitere Scheinchen.

Letztendlich stellt sich dem potenziellen F 650 GS Dakar-Käufer natürlich die Frage, ob nicht die GS ohne dem Zusatz Dakar die bessere Wahl wäre. Für Erstere gibt es immerhin ein optionales ABS. Mehr Schein als Sein – die Headline des Artikels macht jetzt einen Sinn, denn genau das bietet die Dakar. Wer das berücksichtigt und sie trotz des Dekors nicht mit einer echten Wüstenreplika verwechselt, wird mit ihr gewiss glücklich werden. Eine endgültige Antwort auf die Frage wird man nur bekommen, wenn man sich zum nächsten BMW-Vertragshändler begibt und sich für eine Probefahrt anmeldet. Vielleicht wünscht ihr Euch danach auch, wie der Autor, ihr hättet eine BMW F 650 Dakar in der heimischen Garage stehen.