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aus bma 11/09

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Die kalte Jahreszeit ist mies und wir alle versuchen uns mit warmen Gedanken die Zeit bis zum nächsten Frühling zu versüßen. Das ist schwer genug, denn jeder von Euch weiß wie lang fünf Monate sein können und wie hart es ist diese Zeit ohne Sonnenschein, Ausflüge und Kurven zu überbrücken. Als Jurist und Biker nutze ich diese Zeit besonders zur Vorbereitung der Frühlingstouren aber auch zur kritischen Beobachtung unserer Rechtsprechung. Bei der Rechtsprechung ist mir ein Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes aus diesem Jahr aufgefallen, das mir selbst beim Tragen meines Helms die Haare zu Berge stehen lässt. Ihr merkt schon, obwohl ich Euch die trübe Jahreszeit gerne versüßen würde, gelingt mir das mit diesem Artikel für den November-bma nicht. Hier kann ich Euch leider nur eine Schattenseite unserer Rechtsprechung präsentieren.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) hat sich in diesem Jahr schon einmal als bikerfeindlich geoutet, indem es trotz einer gesetzlichen Grundlage für das Tragen von sicherlich sinnvoller Motorradfahrerschutzbekleidung einem Biker, der nur einen Helm, jedoch keine Protektorenschutzbekleidung trug, ein Mitverschulden an einem Unfall und dessen Schaden anlastete. Ein Urteil über das man sicherlich streiten kann, obwohl es meiner Ansicht nach auch nicht völlig abwegig ist, da man sich natürlich auf dem Bike durch zeitgemäße und gute Bekleidung schützen sollte. Was hilft das beste und teuerste Bike, wenn man bei einem Unfall nur schlechte bis mittelstarke Schutzbekleidung trägt. Das OLG begründet sein Urteil und die Mithaftung des Bikers für seine Verletzungen damit, dass einen Biker ein Mitverschulden treffe, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt.

Diese bikerfeindliche Rechtsprechung hat das OLG jetzt wohl auch in sein jüngstes Urteil vom 17.07.2009 (Aktenzeichen 12 W 5/08) einfließen lassen. Ein skandalöses Urteil, das hoffentlich keine Nachahmer findet.

Folgendes war passiert: Ein Biker musste auf Grund eines abbiegenden Pkw eine Vollbremsung einleiten, kam hierbei zu Fall und kollidierte mit dem Pkw. Ein klarer Fall einer Vorfahrtsverletzung, der eine Haftung von 100 Prozent zu Lasten des Pkw-Fahrers und dessen Versicherung bedeutet. Einzig wenn der Motorradfahrer ohne Licht gefahren oder viel zu schnell unterwegs gewesen wäre, kommt in solchen Fällen eine Verringerung der Haftung in Betracht. Bei diesem tragischen Unfall war der Biker 7,6 km/h zu schnell, was jedoch nicht dazu führte, dass der Unfall bei Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht passiert wäre, wie ein gerichtlich bestellter Sachverständiger feststellte. D.h. die geringe Geschwindigkeitsüberschreitung war nicht ursächlich für die Kollision und somit haftet der Pkw-Fahrer eigentlich zu 100 Prozent. Der Pkw-Fahrer konnte nur eine andere Haftungsquote bekommen, d.h. nicht zu 100 Prozent haften, wenn er darlegt und beweist, dass er sich beim Abbiegen pflichtgemäß verhalten hat. Der Pkw-Fahrer behauptete jedoch im Prozess den Biker, insbesondere seinen Kopf mit dem Helm, nicht gesehen zu haben und dass auch dessen Scheinwerfer durch eine Brückenkuppe verdeckt gewesen sei. War das eine Ausrede?

Das OLG fragte den gerichtlichen Sachverständigen, ob dies möglich sei. Der Sachverständige konnte gar nicht anders, als auszusagen, dass es möglich sei, dass man einen Helm und den Scheinwerfer zum Zeitpunkt des Beginns des Abbiegevorgangs auf Grund der Kuppe nicht sehen konnte. Das Gericht sah hierin und in der geringen Größe eines Motorrades im Vergleich zu einem Pkw einen Grund dem Motorradfahrer nur 80 Prozent seines Schadens zuzusprechen. Leider ist es rechtlich nicht möglich, gegen dieses „Fehlurteil“ ein Rechtsmittel einzulegen und die Sache vor dem Bundesgerichtshof zu verhandeln. D.h. jedoch nicht, dass andere Gerichte die Fehlentscheidung bestätigen und entsprechend urteilen werden. Hiervon gehe ich auch nicht aus.

Ein Motorradfahrer kann auf keinen Fall an einem Unfall mithaften, nur weil das Motorrad im Vergleich zu einem PKW kleiner ist und die Möglichkeit besteht es zu übersehen. Das würde heißen, dass zukünftig Biker immer eine Mitschuld an einem Unfall haben und noch kleinere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Kinderwagen, Rollstuhlfahrer und Kinder ihren Schaden nicht vollumfänglich ersetzt bekommen, da man sie nur schlecht sehen kann.

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