aus bma 01/05, von Jens Riedel

Supermoto-Einstiegsdroge: In der Beta Motard 4.0 feiert ein alter bekannter Motor fröhliche Urstände. Ja, es gibt sie noch, die eine oder andere Maschine, die mit weniger als 600 Kubik auskommt und trotzdem Motorradspaß verbreitet. Ja, ich bekenne mich schuldig. Ich bin mit etwa 65 km/h in der Stadt auf unbebautem Abschnitt geblitzt worden. Daß mir das ausgerechnet mit einer kleinen 350er passiert ist, sagt mehr über die Maschine aus als die nüchternen Daten auf Anhieb vermuten lassen. Die Beta Motard 4.0 macht einfach mächtig Laune und da vergisst der Fahrer schon mal schnell den Blick auf den Tacho.
Beta ist vor allem Trial-Kennern ein Begriff. Immerhin sieben WM-Titel kann die kleine Firma aus der Nähe von Florenz inzwischen für sich verbuchen. Auch auf eine zweite Zahl ist man bei Beta stolz: Das Unternehmen feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Motorräder baut Beta allerdings erst seit 1946. Angefangen hat alles – wie bei so vielen Herstellern – mit Fahrrädern.
Die Zusatzbezeichnung 4.0 für ein Motorrad mit 350 ccm verwirrt etwas. Möglicherweise soll diese Bezeichnung ja auch auf den Viertakter im Fahrgestell und die Abkehr vom Zweitaktprinzip hinweisen, das im Geländesport und damit auch bei Beta ja bis zuletzt immer noch eine große Rolle gespielt hat. Auf der Hinterradschwinge jedenfalls findet sich noch extra ein „4-Stroke“-Aufkleber, damit ja kein falscher Verdacht aufkommt. Auch auf der Intermot war die kleine Zweiradschmiede aus der Toskana besonders stolz auf die komplett neue Viertakt-Crosser-Reihe von 250 bis 525 Kubik, deren wassergekühlte Motoren von KTM kommen.

Die Motard 4.0 fährt ebenfalls nicht mit hauseigenem Antrieb vor. Auch wenn „Beta” drauf steht ist nicht Beta drin. Im Rahmen steckt ein guter alter Bekannter: Der luftgekühlte Motor von Suzukis seliger DR 350 bekommt in der Italienerin die Chance auf ein zweites Leben und feiert in der Beta fröhliche Urstände. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen.

Die Motard ist eine kleine, feine Supermoto. Ausgangsbasis ist die Beta Alp 4.0, die ein wenig an die Scrambler-Modelle der frühen Siebziger erinnert und mit der vor allem Enduro-Wanderer angesprochen werden. Wie ihre Schwester empfiehlt sich die Motard nicht zuletzt für Wohnmobilisten, als Spaß machendes Zweitmotorrad oder für alle, die ohnehin mit dem Motorradanhänger in den Urlaub fahren. Dabei weiß der SM-Ableger auch Feldwege zweiter bis dritter Ordnung durchaus flott zu nehmen.
Zugegeben, als ich die Motard das erste Mal im Schaufenster eines Händlers sah, hielt ich die schlanke Erscheinung zunächst für eine 125er. Das Design und die gelungene Schwarz-Silber-Lackierung machen die Beta aber auf alle Fälle zu einem echten Hingucker, ohne daß sie übertrieben auffällig wirkt.
Viel Erklärung braucht es nicht, als wir unsere Maschine abholen, die uns das Team Deisterstraße in Hannover freundlicherweise für diesen Fahrbericht zur Verfügung gestellt hat. Gut, daß das Antriebsaggregat doch schon ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel hat als das moderne Fahrwerk, merkt man spätestens, wenn man den Choke sucht. Der steckt da, wo er nach alter Väter Sitte schon immer steckte und versteckt sich im Falle der Beta sogar noch ein wenig mehr hinter dem Rahmenrohr. Ebenfalls nicht sonderlich glücklich platziert scheint das Zündschloß. Seine Lage nah im Einschlagsbereich der Gabel weckt nicht gerade grenzenloses Vertrauen. Unwillkürlich zieht das Bild eines abgebrochenen Zündschlüssels auf. Aber natürlich kann davon in der Praxis keine Rede sein. Dennoch, der Fahrer sollte sicherheitshalber nicht unbedingt mehr Schlüssel als unbedingt nötig dort baumeln lassen. Im Fahrbetrieb selbst stört aber wirklich nur der Blinkschalter. Er ist derart ungünstig angebracht, daß Neulinge auf der Motard meist erst einmal die Hupe erwischen.
Die Fahrerposition ist streng auf Vorderradlast ausgelegt und die Sitzbank bietet so gut wie keine Möglichkeit, anders Platz zu nehmen. Die Sitzhöhe fällt mit 87 Zentimetern zwar relativ üppig aus, aufgrund des schmalen Polsters kommen die Füße aber gut an den Boden Der vorgesehene Knieschluß am Tank hingegen ist dabei mehr ein Fall für längerbeinige Piloten. Alle anderen landen etwas unterhalb der Vertiefung an der Plastikverkleidung.

Alles ist aber schnell vergessen, wenn die Motard 4.0 erst einmal Fahrt aufgenommen hat. Schon der kernige Klang beim Anlassen der Kleinen begeistert auf Anhieb. Nach wenigen Metern Fahrt sind die oben angeführten kleinen Kritikpunkte in die Bedeutungslosigkeit verschwunden. Absolut zielgenau steuert die kleine Italienerin auf die angepeilten Punkte zu. Auf der Landstraße zieht sie in den Kurven wie an der Schnur gezogen den Mittelstrich entlang. Wer sich in der Kurveneinfahrt dennoch einmal verschätzt, der bringt die Beta in Sekundenbruchteilen wieder auf Kurs. Ein leichter Zug am Lenker, ein ausgestelltes Knie oder der ein sanfter Beindruck am Tank und alles ist wieder im Lot. Da werden sogar Autobahnauf- und abfahrten zum fahrerischen Hochgenuß! In der Fahrwerksgeometrie spielt Beta ganz klar seine Erfahrungen im Bau von kleinen, wendigen und gut beherrschbaren Trial-Motorrädern aus.
Die Motard 4.0 hält trotz ihrer eher bescheidenen Eckdaten auf der Landstraße mühelos mit: Die 27 PS stehen erst bei 7000 Umdrehungen voll im Futter und auch das maximale Drehmoment von 28 Newtonmetern bei 6250 U/min reißt niemanden vom Hocker. Daß dennoch flottes Vorankommen gewährleistet ist, liegt am gut übersetzten und leichtgängigen Getriebe. Dritter, vierter und fünfter Gang lassen sich weit ausdrehen und finden stets hervorragend Anschluß. Kleine Überholmanöver gehen ohne schweißige Hände vonstatten, wobei das Aus- und Einscheren mit der trocken nur 133 Kilogramm wiegenden Maschine pures Vergnügen ist. Selbst bei Tempo 120 wirkt der kleine Motor keineswegs angestrengt. Auch Autobahnrichtgeschwindigkeit ist mit dem Suzuki-Eintopf und einer angegebenen Spitze von 138 km/h noch drin, möchte man ihm aber auf Dauer nicht wirklich zumuten. Aber dafür ist die Motard ja auch nicht gedacht.
Neben dem recht quirligen Antrieb tragen die guten Fahrwerkskomponenten wesentlich zum Vergnügen bei. Gerade hier liegt die große Stärke der kleinen Beta: Auf sie ist in allen Situationen hundertprozentig Verlaß. Alles arbeitet unauffällig und absolut zuverlässig.
Die Motard rollt auf 17-Zoll-Alufelgen, die ab Werk mit gut haftenden Pirelli-Diabolo-Pneus bestückt sind. Vorne sorgen 120 und hinten 150 Millimeter Reifenbreite für ausreichend Bodenkontakt. Die Paioli-Federelemente haben hinten wie vorne 220 Millimeter Spiel und bügeln auch schlechten Asphalt förmlich glatt, ohne einen Ansatz von Durchschlagen zu zeigen. Mit 4,6 Zentimetern Durchmesser ist die Gabel mehr als ausreichend dimensioniert. Über 30 Zentimeter Bodenfreiheit und ein weit nach oben zurückklappender Seitenständer sorgen für gefahrloses Vorankommen auch auf unbefestigten Schlaglochpisten.
Die vordere Grimeca-Bremse nimmt die 310 Millimeter-Scheibe ordentlich in die Zangen, ohne daß der Vorderbau nennenswert abtaucht oder eine Neigung zum Blockieren zu spüren wäre. Die serienmäßigen Stahlflexleitungen sorgen für ein stets sicheres Gefühl am Bremshebel. Hinten fällt die Stoppanlage deutlich sanfter aus. Sie hat dezent unterstützenden Charakter, so daß sich der Fahrer voll auf die nächste Schräglage konzentrieren kann, ohne befürchten zu müssen, möglicherweise unfreiwillig einen Strich auf den Asphalt zu ziehen.
Zugegeben, 5488 Euro für eine 350er sind kein Pappenstiel, aber immer noch der günstigste Einstiegsdroge in die Supermoto-Welt (die 125er mal ausgenommen). Wer bislang noch keine SM-Erfahrung hat, aber immer schon einmal machen wollte, sollte zumindest eine Probefahrt mit der kernigen Kleinen in Erwägung ziehen. Zum Kreditberater kann man dann ja immer noch gehen.