aus Kradblatt 11/18, von Marcus Lacroix

INTERMOT und EICMA streiten 2018 um die 2019er Neuheiten

Suzuki Katana Präsentation - INTERMOT 2018

Alle zwei Jahre läuft in Köln die Motorrad-Fachmesse INTERMOT und alle zwei Jahre präsentieren wir in der November-Ausgabe für gewöhnlich einen bunten Foto-Reigen neuer Modelle mit recht wenig Text. Das war eigentlich auch in diesem Jahr so geplant, doch etwas war diesmal anders. Aber der Reihe nach …

Das Hotel war früh im Jahr gebucht, zwei Tage für den Messebesuch eingeplant. Der erste Tag (der 2.10.) ist für Presse und Händler gedacht, wobei die Journalisten, Blogger und Fotografen ab 9.15 Uhr bis zum Feierabend für gewöhnlich eng getaktet von einer Pressekonferenz (PK) zur nächsten hetzen. Das ist anstrengend, hat aber auch seinen ganz besonderen Reiz. Ein wenig wie früher zu Weihnachten, wenn es ans Geschenke auspacken geht. Im 2018er Laufzettel klafften indes drei große Lücken: Honda, KTM und Yamaha luden gar nicht zur Pressekonferenz auf ihre Stände, BMW nannte seine PK diesmal Presse-Brunch – ok, da gibt’s also zumindest was zu futtern.

Ducati Scrambler - INTERMOT 2018 Ducati startete nach der Eröffnungs- PK des IVM bei den Herstellern den Reigen. Drei verhüllte Maschinen, lange Ansprache (natürlich auf englisch) und – tatataaa: drei Scrambler!? 800er? Hmm, okeee … Neue Farbe für die Desert Sled, die Scrambler durch Anbauteile gepimpt als Full Throttle im Flat Track Style, die Café Racer in zugegebenermaßen hübschem Blau-Silber. Kleinere technische Updates für die Scrambler-Modelle, wie das tolle Kurven-ABS aus der 1100er, waren vorher schon bekannt. Naja, die Italiener konzentrieren sich halt mit Neuheiten Anfang November auf das EICMA-Heimspiel in Mailand, so der allgemeine Tenor. 

Kawasaki 125er - INTERMOT 2018Weiter geht’s, Kawasaki ist dran. Ansprache, Mädels, Feuerwerk: ZX10-R und H2 (231 statt 200 PS) überarbeitet und mit selbstheilendem Lack (welcher Händler lässt uns das mal testen?). Nicht gerade Motorräder für den Durchschnittskäufer, dazu aber zwei echt schicke 125er für den Nachwuchs, die mit ihren flüssigkeitsgekühlten Einzylinder-Viertakt-Motoren die 15 PS ausnutzen. Mehr dann auf der EICMA …

11.30 Uhr, Presse-Brunch bei BMW. Der Stand gefühlt maximal halb so groß wie 2016, zwei verhüllte Maschinen, Ansprache … INTERMOT und Deutschland, alles toll und wichtig und klasse und – tataaaa… die R 1250 GS und RT mit dem neuen Motor mit variabler Ventilsteuerung. Irritierte Gesichter reihum. Pressevertreter habe die Bikes in Portugal schon gefahren und selbst im letzten Kradblatt haben wir sie bereits präsentiert. Das war alles? Hmm, okeee, wo sind die Brunch-Häppchen? Als ich dann endlich am Getränke-Ausschank ankam, gab es keine Gläser mehr. Die standen auf den Stehtischen und offenbar fehlte es an Abräum- und/oder Spül-Personal. Das verstärkte nur den Eindruck, dass BMW in Köln ordentlich sparen wollte (oder musste). Gerüchte machten die Runde, wonach BMW-Ingenieure ausgewählten Presseleuten weitere Neuheiten in einem Trailer hinter der Halle gezeigt hatten. Ok, mag stimmen, mir egal. Mehr dann auf der EICMA …

Indian FTR 1200 mit Jared Mees - INTERMOT 2018 Die Kymco-PK im Anschluss habe ich durch Plauderei mit Kollegen leider verpasst. Dabei hatten die Taiwanesen wirklich was Interessantes zu bieten: die E-Scooter New Like 110 EV und Nice 100 EV sind ab Frühjahr verfügbar und Kymco will sein ionex-Ladennetz in Deutschland aufbauen. Damit können leere Akkus an Wechselstationen einfach gegen volle ausgetauscht werden. Für Motorradfahrer nicht unbedingt ein Highlight, für den Großstadtverkehr aber sicherlich eine gute Ergänzung. 

Indian FTR 1200 Cockpit - INTERMOT 2018 Überhaupt war das Thema Elektromobilität auf der INTERMOT deutlich präsenter als vor zwei Jahren, ebenso das Thema Connectivity und Verkehr der Zukunft. Der Großteil der Motorradfahrer kann und/oder will sich damit bisher zwar nicht wirklich beschäftigen, aber machen wir uns nichts vor: Verkehr wird und muss sich ändern. Nicht von heute auf morgen und nicht mehr für alle von uns, aber sicher schon für unsere (Ü50-Generation) Kinder. Ich persönlich finde es spannend!

Weiter zu Suzuki – ein einziges abgedecktes Modell auf der Bühne, aber alle erwarten dasselbe: die lang ersehnte und online angeteaserte Suzuki Katana! Rede, Rede, Rede, u.a. von Toshihiro Suzuki, dem Präsidenten der Suzuki Motor Corporation. Updates für die GSX-R1000, wobei ein Rauf- und Runter-Schaltautomat und Stahlflexbremsleitungen einen nicht vom Hocker (wenn es denn welche gegeben hätte) hauen. Videos, laute Musik … und dann wird sie endlich enthüllt, die GSX-S 1000 Katana, eine der wenigen Weltpremieren in Köln. Well done, Suzuki san. Das Design nicht so polarisierend, wie noch das 1981er Original, aber zu radikal verkauft auch keine Stückzahlen. Der Rest verspricht viel Fahrspaß, die Händler wird’s freuen. Mehr dann auf der EICMA?

Triumph: John „Erkan“ Friedmann präsentiert die Street Scrambler - INTERMOT 2018Kleines Lehrstück am Suzuki-Stand: des Öfteren fiel das Wort „Monozukuri“. So z.B. im Satz „… strengthen our Monozukuri the next 100 years.“ Kollege Guido vom bmm konnte mir auf mein „WTF is Monozukuri“ auch nicht helfen, da dreht sich ein asiatisch aussehender Journalist um und erklärt es als „craftmanship“, also Handwerkskunst. Wobei es im Japanischen, wie so oft, noch viel mehr umfasst: „Perfekte Produkte mit perfekten Prozessen herstellen“, quasi eine Lebenseinstellung. Danke!

Ein paar PKs später – ja, Horex, mit seinem VR6 Motor, lebt auch noch bzw. wieder – enthüllte Indian die FTR 1200, eine weitere Weltpremiere. Zumindest fast, denn schon am Vorabend hatte Indian seine Vertragshändler und die Presse zu einem tollen Event im Kölner Dock One geladen und das neue Highlight der Indian-Produktpalette gekonnt in Szene gesetzt. Schon Mittags hatte ein spanischer Blogger leider die Sperrfrist auf die Pressebilder „übersehen“ und die verbreiteten sich online explosionsartig. Ein wenig schade, was den vorbereiteten Spannungsbogen angeht, aber der Flat Track Style der FTR kam zumindest super an. Kleinere Customizing-Ansatzpunkte sind natürlich wie bei jedem Bike vorhanden. Die Händler freut’s, Köln auch –von Indian fühlt man sich ernst genommen.

Neu in Deutschland: FKM - INTERMOT 2018 SYM habe ich ausgelassen. Piaggio lieferte dann die beste PK des Tages. Die Italiener waren sichtlich überrascht, dass die Pressevertreter eine Enthüllung der neuen Moto Guzzi Reiseenduro V85 TT erwarteten. Die stand nämlich schon den ganzen Tag unverhüllt zur Verfügung. So blieb es nur bei einem (sinngemäß, in italian-english) „Sis is aua nu bik-e aand press-ekids ar-e available ad dsie caunta”. Zack, PK vorbei! Die Kollegen sahen sich verdutzt an und waren ebenso überrascht, wie vorher die Piaggio-Verantwortlichen. Mehr dann auf der EICMA, z.B. die neue elektrische Vespa, die gut nach Köln ins E-Umfeld gepasst hätte …

Von 17.30 bis 18 Uhr war Triumph dran und die Kollegen waren sich einig: das wird nichts mehr mit echten Neuheiten. Die 1200er Scrambler hatte Triumph selbst schon für den 24. Oktober angekündigt, Premierenparty in London. So gab es in Köln die 900er Street Twin und Street Scrambler die „mit einem satten Leistungsplus von 10 PS auf jetzt 65 PS und einer um 500 U/min erhöhten Maximaldrehzahl aufwarten können“. Ok, schaden wird’s nicht. Mehr dann auf der EICMA …

BMW R nineT Umbau - INTERMOT 2018Den ganzen Tag über postete ich schon fleißig Bilder auf dem Kradblatt-Facebook-Kanal. Mein Stoßseufzer anlässlich der letzten PK des Tages bei Harley-Davidson, dass die doch bitte, bitte die elektrische LiveWire zeigen sollen, verklang unerhört. Die neue FXDR konnte man ja sogar schon auf dem Herbsttreff bei Börjes in Augustfehn Mitte September sehen. Aber immerhin hatten die Amis ein echt tadelloses Catering. Mehr dann auf der EICMA?

Der geneigte Leser merkt schon: aus Pressesicht blieb am ersten Tag der INTERMOT ein großes Fragezeichen in den langen Gesichtern. Überlegte man Anfangs noch, wie man das zauderhafte Auftreten der Hersteller schön schreibt, fasste es der bekannte BMW-Blogger und BMW-Foren-Betreiber Michael Bense um 22.14 Uhr am 2.10.2018 auf Facebook in harten Worten zusammen: „BMW-MOTORRAD gibt der INTERMOT den GNADENSCHUSS“. 

Peng, das saß! Machen die Hersteller wirklich bewusst die INTERMOT kaputt? Hat der Standort Deutschland gegen die Italiener verloren? War das Ganze abzusehen? Schuberth, Held, Motoport und auch verschiedene Reifenmarken z.B. glänzten in Köln bereits gänzlich durch Abwesenheit. Sind es „nur“ die Kosten? Oder sind es konzeptionelle Fragen? An der geografischen Lage oder der Infrastruktur wird es wohl kaum liegen, oder? 

Honda 500 Rebel Umbau - INTERMOT 2018 Mit Sicherheit werden sich Veranstalter, Messe und Hersteller nach der 2018er INTERMOT zusammensetzten müssen, denn da läuft etwas in die falsche Richtung – nämlich Italien. Dabei hatte die INTERMOT für Besucher nach wie vor sehr viel zu bieten. Während Händler wie gewohnt viele neue persönliche Kontakte aufbauen konnten, was im Alltag in so komprimierter Form kaum gelingt, suchen Motorradfahrer Unterhaltung und Informationen – nicht online, sondern richtig zum Anfassen. Und da sich die Wenigsten von uns Normalverdienern alle zwei Jahre ein neues Motorrad leisten können und/oder wollen, ist das übersteigerte Geiern nach Neuheiten sicher eine falsche Entwicklung. Dass schnelle Produktzyklen selten qualitätsfördernd sind, sieht man ja an den permanenten Rückrufaktionen aller Hersteller. Ein krankes System, von Grund auf. Pressevertreter – und als solcher war ich ja auch da – müssen sich dabei selbst hinterfragen. Schließlich befeuern wir den Tanz ums goldene Kalb fleißig. Juhuuuu – ein neues Modell, weg und weiter, wo ist das nächste Geschenk zum Aufreißen?

Enfield Continental - INTERMOT 2018 Rückblickend überwiegt für mich das Positive an der INTERMOT. Auf keiner anderen Messe in Deutschland gibt es rund ums Thema Motorrad so viel zu sehen. Man trifft viele nette Leute aus den Ecken der Republik, mit denen man sonst nur über soziale Medien Kontakt hat, die man auf heimischen Regionalmessen entfernungsbedingt natürlich nie sieht. 

Mondial HPS 300 - INTERMOT 2018 Zwei Tage reichen definitiv nicht, wenn man nicht nur eben durchhetzt. Alleine die Halle 10 mit dem Thema Custombike wäre eine Messe für sich, für die sich schon ein Zehner Eintritt und ein Tag Aufenthalt lohnen würde! Wobei aber auch in den anderen Hallen an vielen Ständen oft sehr sehenswerte Umbauten als Blickfang standen. Und wo gibt es Probefahrtmöglichkeiten auf einem Messegelände? Vom umfangreichen Außenprogramm, wie dem FIM European Freestyle Cup oder den 1/8 Mile Sprints habe ich wieder nichts gesehen – zu wenig Zeit. 

Ob man Endkunden generell die direkte Kaufmöglichkeit bieten sollte, wie es sie ja auf den regionalen Frühjahrsmessen gibt (nur in Halle 10 wurden Sachen verkauft) und wie es manche Besucher forderten? Ich denke nicht, zumindest dann nicht, wenn es dadurch ans Verramschen geht. Aktuelle Ware zum UVP wäre eine Idee, wobei die Ware für die nächste Saison aber oft ja noch in der Produktion und gar nicht in Stückzahlen verfügbar ist. 

Energica EsseEsse 9 - INTERMOT 2018Was mir noch auffiel: die Asiaten schließen auf, was Design und Qualität angeht, die vielen Glasbox-artigen Mini-Stände mit asiatischen Großhändlern für Fräsprodukte, Plagiate u.ä. waren weitestgehend verschwunden. Fahrzeugmarken, über deren seltsame Namen man vor Jahren noch gelacht hat (z.B. Yamasaki), zeigen weiterhin Präsenz in Köln, neue Marken, wie z.B. FKM, kamen hinzu. Es gäbe noch viel mehr zu berichten, über Helme, Bekleidung, Zubehör usw. Aber wie die Zeit auf der Messe, fehlt hier der Platz.

Die Abschluss-Pressemitteilung der INTERMOT verrät: „Rd. 220.000 Fachbesucher und Motorradfans aus nahezu 100 Ländern informierten sich über das Angebot von 1.041 Anbietern aus 40 Ländern. Der Anteil der Fachbesucher lag bei rund 24 Prozent mit einem Auslandsanteil von 35 Prozent. Die Zahl der Besucher bis 21 Jahre ist um 50 Prozent gestiegen“. Das ist doch nach wie vor eine ordentliche Hausnummer, liebe Aussteller.

Ich bin definitiv sehr gespannt, wie es 2020 mit der INTERMOT weitergeht. Und mit der EICMA, die ich aufgrund des höheren Aufwands noch nie besucht habe …