Zylinderbank vorbereitenBenelli 750 Sei, die spanische Katze (im Sack). Nach der Bestandsaufnahme geht Karsten an die Restauration, damit am Ende der Motorrad-Traum wahr wird … 

aus Kradblatt 5/15
von Karsten Louis Kracht
www.kramo.eu

Die spanische Katze
Restauration einer Benelli 750 Sei, Teil 2

Benelli 750 Sei - auf den ersten Blick ein guter KaufIm ersten Teil über die „spanische Katze“, siehe Kradblatt März 2015, berichtete ich, wie sehr Vertrauen missbraucht wurde wenn man sich das Kaufobjekt nicht direkt anschaut und im konkreten Falle eine Probefahrt macht, deshalb noch einmal die Warnung ein Motorrad nicht via Internet zu kaufen ohne sich vom Zustand der Maschine überzeugt zu haben. Hier gilt die Erkenntnis „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“.

Die Restauration:
Nachdem die gröbsten Fehler offenkundig wurden ging es ans radikale Reinigen sämtlicher Bauteile von der kleinsten Schraube bis zum Motorgehäuse, nichts wurde außer Acht gelassen, diese Arbeit ist absolut notwendig denn dabei entdeckt man weitere Fehler.

Die verbogenen und gebrochenen Kühlrippen habe ich gerichtet, geschweißt und nachbearbeitet, Gusskanten am Zylinderkopf geglättet und die Ecken nach CB 500 Four Vorbild gerundet.

gebrochene KuehlrippeDas Laufspiel der Kolben in den Zylindern variierte von 0,07 mm bis 0,095 mm, fast 1/10 mm, kein Wunder also dass der Ölverbrauch hoch und die Leistung niedrig war. Abhilfe schaffen da nur neue Kolben die ein Einbauspiel von 0,04 mm haben müssen und Zylinder, die nach dem Schleifen gehont werden.

Die Ersatzteilsituation für Benelli Motorräder ist problemlos, sehr viele Teile kann man, oder besser gesagt sollte man, von der Honda CB 500 Four verwenden, sie haben eine deutlich höhere Qualität und sind um ein vielfaches günstiger.
Lager, Wellendichtringe, O-Ringe u.v.a.m. sind ohnehin Normteile, die es überall zu kaufen gibt.
Ebenfalls kann man viele Moto Guzzi Teile verwenden, wie z.B. Bremsen, viele Elektrokomponenten, etc.

Die Stoßdämpfung der Vorderradgabel ist eine schlechte NSU Max Kopie, der „Dämpfer“ verdient seinen Namen nicht, denn er taugt rein gar nichts und ist schon nach kurzer Benutzung ohne Funktion, das Öl läuft aus dem Dämpfer heraus und somit steigt der Schmierölstand in der Gabel denn nichts anderes ist das Öl in der Gabel, es soll zwischen Tauch- und Standrohr schmieren, das eigentliche Dämpferöl befindet sich im „Dämpfer“ der aussieht wie ein Heckklappendämpfer beim Auto.

Oelkanaele reiningenNSU verwendete gute Stoßdämpfer von Hemscheidt, auch Kreidler und viele andere Hersteller bauten sie ein, man kann sie gut öffnen und instandsetzen. Die Benelli/Guzzi Dämpfer sind hingegen verschlossen und wenn sie leer sind, kann man sie nur noch entsorgen. Was also tun?

Weil ich nicht erst seit vorgestern mit italienischen Motorrädern arbeite kommen mir immer wieder Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Vergangenheit zugute und die gebe ich an meine Auftraggeber weiter.

Es gibt aus deutscher Fertigung sehr gute Stoßdämpfer für industrielle Zwecke mit exakt den selben Maßen wie Durchmesser und Länge und einer stärkeren Kolbenstange von acht Millimetern Durchmesser (original sieben Millimeter), man muss dabei jedoch auf die richtigen Dämpfkräfte achten, dann bekommt man eine Gabel mit guter Dämpfung.
Noch einmal zur Honda CB 500 Four, dieses Motorrad findet sich in den Vier- und Sechs-Zylinder Benelli Motorrädern wieder (außer in der 254) und nimmt man es genau dann müsste eigentlich De Tomaso am Tank stehen, denn im August 1971 übernahm der argentinische Industrielle Alejandro De Tomaso die Firma der Gebrüder Benelli, 1972 kaufte er Moto Guzzi.

Schraube AusbruchDe Tomaso wollte es den Japanern zeigen: „Wir können es auch!“ – die letzte echte Benelli war die Tornado 650, 1972 kaufte ich in Pesaro eine Tornado und bis heute ist sie mein Lieblingsmotorrad, zwei Stück habe ich davon.
Die letzte Vier-Zylinder Benelli war die 654, sie hatte als Kolbenbolzenlagerung Bronzebuchsen und lief dadurch sehr ruhig, ruhiger als alle anderen Benellis, also drehte ich sechs Buchsen und zog sie in die Pleuel hinein, dann rieb ich sie passend zum Bolzen auf, der in der Buchse kein Spiel haben darf wohl aber noch gut beweglich ist ohne zu kippen.
Mein Kunde wollte alle Schrauben in V4A-Ausführung haben, das ist zwar gut und schön jedoch muss man wissen dass VA-Stahl und Aluminium keine guten Freunde sind. Ferner ist auf die Zugfestigkeit zu achten, d.h. dass man VA-Schrauben mindestens aus der Festigkeitsklasse 80 N/mm² verwenden sollte, eine 8.8-Stahlschraube hat 64 N/mm², außerdem sind Heli Coil Gewindeeinsätze ein Muss, denn sie sind ebenfalls aus VA-Stahl gefertigt.

Zylinderbank vorbereitenSo schnitt ich dann unzählige M5, M6 und M8 Heli Coil Gewinde in sämtliche Aluteile. Beim Gewindeschneiden in Alu darf man zum Schmieren nicht mit Spiritus sparen, sonst wird das Gewinde rau, nach dem Eindrehen der Einsätze macht man mit einem Drehmomentschlüssel eine Festigkeitsprobe.

Es gibt wirklich sehr vieles zu beachten wenn das Resultat gut werden soll, wie z.B. die Prüfung, ob die Nockenwelle wippt, d.h. ob sie in allen Lagern gleichmäßig aufliegt, ob die Schaltgabeln rechtwinklig stehen, das Kurbelwellenlagerspiel und sehr wichtig bei Benelli Motoren: die radikale Reinigung sämtlicher Ölkanäle, und, und, und …
Zur Montage ist jetzt alles vorbereitet, gestrahlte Gehäuse, polierte Deckel, pulverbeschichteter Rahmen, sehr übersichtliche Elektrik, u.v.a.m.

zerlegter AnlasserfreilaufIch habe übrigens nichts dagegen, wenn Kunden die Arbeiten direkt begleiten. Sie sehen dann selbst, was sie mir gebracht haben und wie hoch der Aufwand ist um alles wieder in Ordnung zu bringen – gerne lasse ich mir auf die Finger schauen. Wer bei den Arbeiten nicht mitmachen will oder kann bekommt auf Wunsch wöchentliche Berichte mit Fotos über den Stand der Dinge, so hat der Kunde dann eine Historie über sein Motorrad die ihm vielleicht mal dienlich sein wird wenn er an einen Verkauf der Maschine denkt. Es ist schon sehr viel Arbeit, aber wer viel vorhat muss auch viel über sich ergehen lassen, ich mache es sehr gerne damit sich meine Kunden am Ergebnis freuen.

Teil 3 folgt …