aus bma 07/01

von Marcus Lacroix

SilencerEin Helm für satte 850 DM! Da werden einige Leser doch heftig ins Schlucken kommen, schließlich gibt es passable Krachhüte doch schon für weniger als ein Drittel. Ob sich die Ausgabe lohnt, konnten wir am Baehr Silencer Classic testen, den uns die Firma Baehr für einen ausgiebigen Test zur Verfügung stellte.

Der Silencer von Baehr kam 1996 als erster nach aeroakustischen Gesichtspunkten optimierter Helm auf den Markt. Ziel war es, einen qualitativ hochwertigen Helm zu entwickeln, der nicht nur in Tragekomfort und Schutzwirkung überzeugt, sondern der auch wirkungsvoll die Stressbelastung durch Lärm reduziert.

Lärm führt zu Anspannung und Unkonzentriertheit. Beim Motorradfahren wird der Faktor von vielen jedoch verdrängt oder nicht bewusst wahrgenommen. Dabei führen Wind- und Motorengeräusche vor allem bei längeren Ausfahrten zu einer starken Belastung des Gehörs. Der Eine oder Andere hatte am Abend eines langen Fahrtages gewiss schon Ohrensausen oder eine leises Pfeifen. Ohrenstopfen helfen, doch die Handhabung ist umständlich, und auf Dauer drücken die Teile oder sorgen in Härtefällen sogar für einen wunden Gehörgang. Dazu kommt der Ausschluss der Umweltgeräusche und die Beeinträchtigung einer eventuell vorhandenen Kommunikationsanlage.

Der von der italienischen Firma FM gefertigte Baehr Silencer Classic gefällt durch sein schlichtes Design, lieferbar in perlmutt-weiß, rot, metallic-schwarz und metallic-gelb. Die Außenschale besteht aus einem Materialmix (Dyneema, Carbon und Kevlar), der maßgeblich für das geringe Gewicht von rund 1400 Gramm verantwortlich ist. Die Belüftungsöffnung lässt sich auch mit Handschuhen sicher bedienen, und die Visierbetätigung ist zwischen stufenlos und mehrstufig rastend justierbar. Das Visier läßt sich ohne Werkzeug wechseln. Der Kinnspoiler – vor allem bei kalter Witterung sehr wirkungsvoll – kann leicht und ebenfalls ohne Hilfsmittel ein- und ausgebaut werden. In die Nackenpolsterung ist ein kleines, über einen Reißverschluss zu öffnendes Fach eingelassen, das einen Stecker verbirgt. Über diesen können Baehr Kommunikationsanlagen angeschlossen werden (Musik, Sprechfunk, Handy usw.). Das benötigte Mikrofon und die Lautsprecher sind bereits in den Silencer integriert!

Beim ersten Aufsetzen bekommt das bisher sehr positive Bild einen kleinen Dämpfer, denn man reißt sich fast die Ohren ab. Der Einstieg ist, wie im Baehr Prospekt auch schon erwähnt, sehr eng. Es empfiehlt sich hier unbedingt ein Blick in die Bedienungsanleitung. Besser noch lässt man sich das Aufsetzen von einem Baehr-Vertragshändler zeigen. Mit etwas Übung geht der Vorgang dann aber doch deutlich leichter von der Hand, als anfangs befürchtet.

enger EinstiegAuf den ersten Kilometern in der Stadt kommt ein wenig Enttäuschung auf. Klar, der Helm sitzt sehr angenehm, drückt nicht und ist schon irgendwie leiser als andere, doch der Name Silencer suggeriert leichtsinnigerweise (zumindest beim Autor) beruhigende Stille. Diese Annahme ist objektiv betrachtet natürlich Quatsch, schließlich will man sich ja gerade nicht von der Umwelt abkapseln. Am Stadtrand steigt die Geschwindigkeit und eine erste Ahnung von den Vorzügen des Silencers macht sich breit. Dann ist die Autobahn erreicht, die Tachonadel verlässt die bisherige 80er Markierung und steigt stetig an. Jetzt schlägt die Stunde des Silencers, denn unglaublicherweise nimmt der Geräuschpegel nur in weitaus geringerem Maße zu, als man es sonst gewohnt ist. Ohrenstopfen sind überflüssig. Der Silencer macht seinem Namen alle Ehre. Laut Baehr soll die Geräuschentwicklung bis zu 50% unter der eines durchschnittlichen Helms liegen. Ein subjektiv durchaus realistischer Wert. Das beeindruckende Erlebnis erschließt sich einem vor allem dann, wenn man unterwegs auf seinen alten Helm wechselt.

Für wen ist der Silencer nun empfehlenswert? Klar, der Tourenfahrer ist das Hauptziel, leidet er doch besonders unter langen Gehörbelastungen. Fahrer, die Wert auf Qualität und eine gute Verarbeitung legen, die bereit sind für ein sehr gutes Produkt auch entsprechend tief in die Tasche zu greifen, werden ebenso angesprochen wie Menschen, die empfindlich auf Lärm reagieren. Wer viel zu zweit unterwegs ist, wird die schon eingebaute Mikro-/Lautsprecherkombination sehr schätzen. Unterstützt wird die Kaufentscheidung von Baehr mit einer Zweijahres-Garantie. Eingeschränkt empfehlenswert ist der Helm für Brillenträger, die sich bereits an den Komfort eines Klapphelms gewöhnt haben. Eine Brille lässt sich allerdings auch in den Silencer gut einfädeln. Auf der Rennstrecke konnte die im Alltag gut funktionierende Visierbelüftung ein Beschlagen nicht in allen Situationen vollständig vermeiden. Hier muss man zu flüssigen Hilfsmitteln greifen oder das als Extra lieferbare Pinlock-Visier nachrüsten, das bei dem Preis allerdings ruhig dabei sein könnte. Schön wäre auch eine integrierte Sonnenblende. Nicht empfehlen kann man den Baehr Silencer aufgrund des engen Einstiegs Ohrringträgern, die auch unterm Helm die Knöpfe unbedingt drinnen lassen wollen.
Last but not least muss man sich aber auch von dem Baehr Silencer Classic – am besten auf einer Probefahrt – ein eigenes Bild machen, denn jeder Helm verhält sich auf verschiedenen Köpfen und Motorrädern unterschiedlich.