aus bma 06/02
von Fritz Inhülsen
Sabine und ich sind begeisterte Nordskandinavienfans und sind dort, so oft es geht, kreuz und quer unterwegs. Wir sind aber keineswegs nur auf die Himmelsrichtung Norden festgelegt und so waren auch schon Südspanien, Nordafrika, Sizilen, die Atlantikküste und im Osten die russische Grenze Ziele unserer Motorradtouren.
Für dieses Jahr hatten wir uns wieder den Norden ausgeguckt. Nach „Jakobselv Grense” sollte es gehen. Dort, wo es wirklich nicht weiter geht, an Kirkenes (Norwegen) vorbei, einen Steinwurf von der russischen Grenze entfernt, wollten wir unsere Motorräder am Strand des nördlichen Eismeere aufbocken.
Wir hatten für die 6.000 Kilometer nur zehn Reisetage zur Verfügung. Damit war klar, dass die Reiseroute -zumindest aber der Hinweg – ohne nennenswerte Schnörkel immer stur gen Norden zu verlaufen hatte. Am Samstag, 21. Juli, ging es gegen Mittag los und via Vogelfluglinie und Öresundbrücke erreichten wir Südschweden. Vor uns lag nun das fast 2.000 Kilometer lange Band der E 4, das wir in zwei Tagesetappen bewältigten. Das strapazierte durchaus die Allerwertesten, denn zehn bis zwölf Stunden lang wurden sie mit den Sitzbänken unserer XJ 900 Diversions konfrontiert.
Für mich ist dieses Fahren trotzdem immer wieder entspannend und oft versuchte ich, die abendliche Quartiersuche so weit wie möglich hinauszuschieben. Aber dann erkannte ich im Rückspiegel Sabines verärgertes Gesicht (kleiner Scherz). Wenn sie dann während einer unserer kleinen Pausen fragte, ob wir denn auf der Flucht seien, lenkte ich meistens ein und brach die Tagesetappe baldmöglichst ab.
Am Dienstag überquerten wir am frühen Vormittag bei Haparanda die schwedisch-finnische Grenze. In Tornio versorgten wir uns mit der finnischen Landeswährung und weiter ging es in Richtung Rovaniemi. Hier am Polarkreis machten wir eine kleine Pause, nicht weil uns der übliche Touristenkitsch sonderlich interessierte, sondern weil uns nach einem guten Mittagessen war. Danach noch das übliche Polarkreisfoto, dann drückten wir auf die Anlasserknöpfe und die Straße hatte uns wieder. Wir passierten Sodankylä und Vuotso. In Ivalo zeigte ein Wegweiser „303 Murmansk”, aber dieser russischen Stadt an der Barent-See sollten wir noch näher kommen. Am Abend dieses vierten Reisetages erreichten wir den kleinen Ort Inari am gleichnamigen See.
Am nächsten Morgen ging es früh weiter, denn nur noch 250 Kilometer trennten uns von unserem Ziel. Trotz der inneren Unruhe zwangen wir uns zu einem beschaulichen Tempo. Etwa 40 Kilometer hinter Inari bogen wir rechts ab und fuhren immer am Inarisee entlang Richtung norwegischer Grenze. Kurz vor Sevettijärvi lud ein kleiner Seeausläufer des Inari zu einem Bad ein. Also Motorräder am Straßenrand geparkt, Klamotten aus und rein ins Wasser. Nach dieser herrlichen Erfrischung ging es weiter und wir erreichten bei Neiden die norwegische Grenze, dann noch ein kurzes Stück auf der E 6 bis Kirkenes. Es war so herrliches Wetter, dass selbst diese eher triste Stadt zumindest zu einer Kaffeepause einlud.
Nur noch 40 Kilometer bis Jakobselv. Jakobselv? Was ist das eigentlich? Ein kleiner Ort vielleicht? Man fährt und fährt auf einer kleinen Schotterstraße, hier und da mal einige Häuser, weit verstreut in den Bergen. Dann linker Hand eine kleine Kirche, noch zwei Kilometer Straßenlöcher und Bodenwellen abtasten – und dann? Dann geht es nicht weiter. Ein kleiner Wendehammer lässt einem nur eine Möglichkeit, nämlich diese Straße noch einmal zu ,,genießen”.
Aber welch ein Anblick! Das nördliche Eismeer „die Barent-See”, die langen Sandstrände und die gewaltigen Felsen, die überall aus dem Wasser ragen. Links am Horizont erkennt man die Küste der Varangerhalbinsel. Von hier starteten Amundsen und der Italiener Nobile einst per Luftschiff ihre Flüge zum Nordpol. Aber auch die toten Seeleute, die nur wenige Kilometer von hier im Rumpf der „Kursk” auf dem Meeresboden lagen, kamen uns in den Sinn.
Aber nun wollten wir die einsamen Strände und das glasklare Wasser genießen und endlich baden. Das nördlich Eismeer heißt nicht nur so, sondern macht auch im Sommer seinem Namen alle Ehre. Dementsprechend ließ sich unsere Badezeit in Sekunden messen und nur die Tatsache, dass Sabine Fotos machen wollte, ließ mich etwas länger im Wasser ausharren. Hinterher genoss ich dann die wohlige Wärme des Sandes.
Wir hatten also unser Ziel erreicht, lagen am „Ende der Welt” am Strand und hatten im nördlichen Eismeer gebadet.
Am Abend dieses ereignisreichen Tages übernachteten wir in einem kleinen Hüttendorf in der Nähe von Sevettijärvi. Der Heimweg wurde angetreten und da uns Trödeln nicht erlaubt war, brummten auch am nächsten Morgen, wie üblich, gegen 7.30 Uhr bereits die Motoren.
Zunächst ging es fast bis nach Inari zurück. Kurz vorher bogen wir rechts ab und fuhren über Pokka und Kittilä nach Kolari am Torneälv. Diese Straße mitten durch das finnische Lappland ist so einsam, dass wir bei einer Pause am Straßenrand nur leise miteinander sprachen, wohl aus dem Gefühl heraus, diese Stille nicht stören zu dürfen. Wir genossen diese Einsamkeit, die auch weitgehend noch in Schwedisch- Lappland zu finden ist. Auf diesen verlassenen Straßen war Sabines Scheinwerfer oft nur der einzige Punkt am Horizont. Gegen Abend fanden wir dann im schwedischen Gällivare ein nettes Privatquartier.
Die nächsten beiden Reisetage (7. und 8.) waren dafür vorgesehen, so zügig wie möglich die nächsten ungefähr 1.800 Kilometer zurück zu legen. Tatsächlich trafen wir am späten Nachmittag des zweiten Tages in Jälluntofta (Smaland) ein. Bei herrlichem Wetter war unser Zelt schnell am Seeufer des Jällunden aufgebaut und wir freuten uns nach 5.300 Kilometern auf unseren ersten fahrfreien Tag, einem Sonntag.
Am Montag nahmen wir dann die letzten 700 Kilometer in Angriff, und am frühen Abend waren wir wieder zu Hause. Eine schöne und auch bisschen verrückte Reise lag hinter uns. Als Nachbereitung stand Dienstag eine gründliche ,,Mopedwäsche” auf dem Programm und ich musste noch einmal tief in die Tasche greifen, denn zwei neue Reifen waren fällig.
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