aus Kradblatt 9/18
von Hinrich Kruetzfeldt, www.bikeandtravel.de

Reisebericht Australien – nicht alles lief rund …

Hini in Australien - www.bikeandtravel.de

Aaarrgghh, dass tat richtig weh. Ein stechenden Schmerz fährt durch meinen Körper. Und mir war schlagartig klar, da musste auf jedenfall irgendetwas in meinem Rücken kaputt gegangen sein. Sollte damit meine Reise durch Australien und somit mein langgehegter Traum jetzt schon, bevor er richtig begonnen hatte, vorbei sein. Es sind erst knapp zwei Wochen vergangen , seitdem mich der Flieger von der sonnigen Ostseeküste in Norddeutschland an die relativ kühle Westküste Australiens in Perth entliess. Und einige Monate hatte ich noch vor mir.

Aber beginnen wir von vorne. Es fing alles vor 23 Jahren an. Damals begegnete mir, auf der Überfahrt auf einer griechischen Fähre von Korfu nach Brindisi, ein Australier namens John. Diesen lud ich zu mir nach Hause in Norddeutschland ein. Und kurze Zeit später stand er vor der Tür und blieb für eine Weile. Ich versprach ihm, ihn eines Tages in Down Under zu besuchen. Und dieses Versprechen wollte ich nun einlösen. Ein erster Anlauf vor 13 Jahren scheiterte daran, dass meine geliebte Yamaha XT 600 Tenere kurz vor der Verschiffung einen kapitalen Motorschaden erlitt. Und die Entscheidung für ein neues Motorrad oder der Reise, ging zu Gunsten einer neuen KTM 640 Adventure aus.

Danach verschwand Australien in der Hektik des Alltags etwas aus dem meinem Focus. Aber immer wenn „Men at Work“ im Radio lief, erinnerte ich mich daran, dass da noch eine Rechnung offen war.

Den entscheidenen „Tritt in den Hintern“ zur Durchführung meines persönlichen Abenteuers, bekam ich ein Jahr vorher in Form eines Herzinfarktes, den ich nur knapp überlebte. So nahm ich denn die Planung wieder auf.

Johns Anschrift war nicht mehr aktuell und Handys sowie Computer waren damals längst noch nicht gang und gäbe. Aber mit Hilfe von Facebook und etwas Glück machte ich ihn ausfindig und es konnte losgehen .

Für die Reise besorgte ich mir eine schon komplett ausgerüstete gebrauchte BMW F 800 GS. Nachdem ich sie, aufgrund des Extratanks, liebevoll „ Dicke“ genannt, aus dem Zoll geholt hatte, begann meine langersehnte Reise. 

Das Wetter war zwar mit 18° nicht kalt, aber auch nicht so richtig warm, aber schliesslich war August und somit Winter in Australien. Trotzdem genoss ich die Ungebundenheit und das Fahren auf Strassen mit sehr wenig Verkehr. Für mich als Mitteleuropäer ist Westaustralien ein kleiner positiver Schock, es ist so unglaublich leer und es gibt so gut wie keinen Verkehr ausserhalb Städte. Hier sollte man lieber nicht liegenbleiben, denke ich noch so bei mir, als plötzlich der Motor anfängt etwas unruhig zu laufen um dann kurz darauf endgültig seinen Dienst einzustellen. So eine Sch….. , dies ist ein echt mulmiges Gefühl. Auch wenn ich weiss, das hier alle paar Stunden jemand vorbeifährt und selbstverständlich helfen würde.

Fehlerspeicher auslesen auf Tour in Australien - www.bikeandtravel.de  In weiser Voraussicht habe ich aber ein GS 911 Auslesegerät mitgenommen und mit diesem soll man über einen Diagnosestecker den Fehler auslesen können. Theoretisch! Da ich auch einen kleinen Laptop dabei habe, um regelmässig auf meiner Website einen Blog zu schreiben, klappt es auch sehr gut. Laut Fehlercode soll es der Gangsensor sein. Nachdem nun eine Weile vergangen ist, versuche ich den Motor wieder zu starten und siehe da, er springt ohne weiteres an. Leider sind die nächsten BMW-Händler ca. 2000 km entfernt. Aber da ich nach dem Volltanken immer ca. 120 km fahren kann, bevor sie das erste Mal ausgeht, hangele ich mich von Roadhouse zu Roadhouse. Immer Richtung Broome und weiter nach Darwin, wo der nächste Händler sitzt. 

Zwischendurch mache ich immer kleine Abstecher und Pausen ans Meer. An einem schmalem Weg am Wasser entlang versuche ich zu wenden und prompt komme ich ins straucheln und die dicke BMW liegt etwas ungünstig hangabwärts. Da mir dies zum ersten Mal passiert, versuche ich sie mit vollem Gepäck aufzuheben doch kurz bevor ich sie in die Senkrechte bekomme, spüre ich einen heftigen Schmerz im unteren Rücken. Da war irgendetwas kaputt gegangen, dass war klar.

Sollte etwa ein Rückenwirbel gebrochen sein, so wie es einem Kunden von mir bei einer ähnlichen Situation passiert ist? Oder vielleicht doch eher ein Muskelabriss? Jedenfalls konnte ich mich nicht mehr bücken. Ich war schon recht verzweifelt. Musste ich etwa alles abbrechen und zurückfliegen? Wie schlimm war es wirklich? Konnte ich mich hier operieren lassen? Tausend Fragen gingen mir durch den Kopf. Ich nahm mir vor, eine Nacht darüber zu schlafen und dann zu sehen wie es mir am nächsten Tag ging.

Unterwegs in Australien - www.bikeandtravel.de Und es ging nichts. Also doch als erstes zum Arzt und die Ursache rausfinden. Nachdem ich einige Kliniken und Ärzte abgeklappert hatte fand ich schliesslich eine kleine asiatische Ärztin. Ihrer Meinung nach müsste es ein heftiger Muskelfaserriss sein. Starke Schmerztabletten und Zeit sollten reichen. Sie meinte zum Schluss noch, falls Lähmungserscheinungen auftreten müsste ich zu einem anderem Arzt gehen! Mit einem Rezept reicher und 150 Dollar ärmer verliess ich die Praxis. Aber Hauptsache kein Wirbelbruch.

Und so gingen die Tage und Wochen dahin. Morgens die Socken anzuziehen hat immer eine Ewigkeit gedauert, aber langsam wurden die Schmerzen weniger.

Da ich mir eine Reiseenduro gekauft hatte, wollte ich mir natürlich die Gibb River Road (GRR) nicht entgehen lassen. Dies ist eine unbefestigte Straße durch die Kimberleys im Nordwesten Australiens. Jetzt, vor dem Beginn der Regenzeit, ist sie in einem sehr schlechtem Zustand und voller Wellblech. An einer Tankstelle treffe ich Kim, eine junge Australierin, die mit ihrer Suzuki DRZ 400 auch einmal den Kontinent umrunden möchte. Wir beschliessen die GRR zusammen zu fahren um uns in Notfällen gegenseitig helfen zu können. Sie hat erst vor kurzem ihren Führerschein gemacht und keinerlei Offroaderfahrung.

 Wir kommen gut voran. Mit ca. 80 km/h lässt sich das Wellblech aushalten. Da es sehr staubig ist, fahren wir in grösserem Abstand zu einander und wechseln uns mit der Führung ab. Die Piste ist nicht allzu schwierig zu fahren. Viele Steine und Wellblech aber glücklicherweise kein Tiefsand. 

Bis auf eine kleine, vielleicht 150 Meter lange Passage, und genau diese liegt auch noch in einer Kurve. Kim fährt voraus, erschrickt und macht eine Vollbremsung mit der Vorderradbremse. Dabei überschlägt sie sich und bleibt regungslos liegen. Ich lasse meine 800er fallen und laufe zu ihr. Sie bewegt sich immer noch nicht. Ich hoffe nur, dass sie sich nicht das Genick gebrochen hat und noch am Leben ist. Kurz bevor ich sie erreiche sehe ich ein Lebenszeichen. Sie ist bei Bewusstsein und ansprechbar. Ich helfe ihr in den Schatten und versorge sie mit Wasser, denn inzwischen ist die Temperatur auf weit über 30 °C gestiegen. Nach ein paar Stunden geht es ihr wieder besser und wie sich herausstellt hat sie keine bleibenden Schäden, ausser einem Brummschädel und einem dicken Schreck in den Knochen. Auch die DRZ ist heil geblieben, nur einer ihrer Ersatzkanister ist bei dem Sturz leck geschlagen.

In Kununurra trennen sich unsere Wege wieder. Sie fährt weiter nach Hause, nach Brisbane und ich mache mich auf nach Darwin, Richtung BMW-Stützpunkt. Inzwischen haben meine Recherchen ergeben, dass es wohl an der Benzinpumpe liegt, die für die Aussetzer zuständig ist.

Die springenden Krokodile in Australien - www.bikeandtravel.de Endlich in Darwin angekommen, bleibe ich gleich ein paar Tage länger und schaue mir auch unter anderem die berühmten springenden Krokodile an. 

Nachdem nun die Dicke eine neue Benzinpumpe hat, läuft sie wieder tadellos und es kann weitergehen nach Cairns und Cape Tribulation, sowie dem Daintree Nationalpark. War es bisher der rote Sand und weite Ebenen die dominierten, so ist es jetzt das satte Grün und viele Kurven, die mir ein Lächeln auf mein Gesicht zaubern.

Weiter der Ostküste entlang werde ich in Rockhampton in einem Steakrestauruant von einem Mann auf mein Mopped angesprochen. Sein Name wäre Darryl und er würde mit seinem Kumpel Douglas morgen früh nach Philipp Island zum Moto Grand Prix fahren. Ob ich nicht Lust hätte mit zu kommen? Und da ich mir für meine Reise nichts weiter vorgenommen hatte, außer jede Gelegenheit zu nutzen und spontan alles mitzumachen, sagte ich zu. So sind sie die Aussies, freundlich und hilfsbereit. In Deutschland undenkbar, jemanden auf seinen Urlaub einzuladen, den man vorher noch nie gesehen hat.

Gut getarntes Krokodil in Australien - www.bikeandtravel.de Und so fahren wir abseits der Hauptstraßen über alle möglichen Arten von Wegen. Teilweise müssen wir Weidegatter öffnen und aucxh wieder schliessen. Ohne meine beiden neuen Buddys hätte ich diese Strecken nie gefunden. Doch leider kann ich sie nicht länger als ein paar Tage begleiten, da mir mein GPS-Display gebrochen ist. Ein neues habe ich mir aus Deutschland nach Brisbane in die Hauptpost schicken lassen . Und auf dieses muss ich noch ein wenig warten. Diese Gelegenheit nutze ich um Kim einen Besuch abzustatten und mich nach ihrem Befinden zu erkundigen.

Weiter geht’s Richtung Sydney. Die Weltmetropole ist zwar sehr schön, aber ich habe inzwischen schon zu lange in der Einsamkeit gelebt und sehne mich nach ein wenig mehr Ruhe. Auf meine Reise bekam ich immer wieder Einladungen von Bekanntschaften, so auch von Carmen und Murray, die in Canberra leben und arbeiten.

Leider bleibe ich schon wieder liegen, kurz vor dem Dunkelwerden und mitten im Wald. Da ich keinen Empfang habe, um einen Abschlepper zu rufen, nimmt mich ein junges Pärchen soweit mit, dass ich mit meinem Handy Hilfe rufen kann. Während der Fahrt, erzählt mir der junge Mann, dass er erst vor kurzem zum Wacken Open Air in Deutschland war. Unglaublich, dass ist bei mir gleich um die Ecke.

 Nachdem der Abschlepper mich zur nächsten Werkstatt gebracht hat, erfahre ich nach vier Stunden Fehlersuche von dem BMW-Mechaniker, dass die andere Werkstatt einen nicht geeigneten Benzinschlauch verwendet hat. Dieser wurde auch noch falsch verlegt und schlecht befestigt. Da die ganze Einheit im Benzintank schwimmt, wurde der Schlauch immer weicher und bekam einen Knick und durch den Benzindruck rutschte er von der Pumpe. Na,super. Hoffentlich passiert nun endlich nichts mehr. Ich sollte mich irren …

In Canberra, der Hauptstadt Australiens erwarten mich die beiden sehr sympathischen Menschen Carmen und Murray schon. Von Ihnen werde ich zu dem sogenannten „Snowy Ride“ eingeladen. Dies ist eine Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten krebskranker Kinder. Hierbei wird von den Ridern (so heissen die Motorradfahrer hier) die Teilnahmegebühr für einen guten Zweck gespendet. Nebenbei fährt man durch wunderschöne Landschaften. Das Ziel liegt am Fuße des höchsten Berges Australiens, dem Mount Kosciousko (2228 m), den ich tags drauf erwandere. Das Wetter spielt mit und ich habe eine hervorragende Weitsicht.

So langsam neigt sich meine Reise dem Ende und ich nehme Kurs auf den Ausgangspunkt meiner Reise. Doch noch ist es nicht soweit für melancholische Gedanken, denn vorher muss ich noch durch die Nullorbourebene. Eine sehr lange baumlose Landschaft.

Bei stürmischen Wind und kurz nach Sonnenuntergang schaffe ich es mein Zelt aufzubauen. 

Unterwegs in Australien - www.bikeandtravel.deEin ganz besonderer Leckerbissen ist der Abstecher vom Eyre-Highway zu den ca. 100 km parallel verlaufenden Bahnschienen. Eine winzige Bahnstation namens „Cook“ wartet auf mich. Diese soll nur an drei Tagen in der Woche besetzt sein. Nur ein winziges Schild weist darauf hin, und beinahe wäre ich auch daran vorbei gefahren. 

Eigentlich will ich nur testen, wie der Zustand der Piste ist und so fahre ich immer weiter ins Nichts. Kilometer um Kilometer. Gefangen genommen von dieser unglaublichen Weite. Das Auge findet keinen Halt am Horizont. Auch kein Tier ist zu sehen, weder Lurche noch Kängurus noch Vögel. Und dabei absolute Stille. 

Langsam, aber immer weiter in mir hoch kriechend, kommt ein leichtes Unbehagen auf. Wenn jetzt etwas passiert. Wieder die Benzinpumpe oder irgendetwas anderes, was ich nicht selbst reparieren kann. Oder ein blöder Sturz mit einem gebrochenen Schlüsselbein, dann war es das. Ein sehr ungewohntes Gefühl. Mit einem 4WD mit Klimaanlage oder mit mehreren Personen wird man dies sicher nicht so erleben. 

Hini in Australien - www.bikeandtravel.de So fahre ich immer tiefer in das mir Unbekannte und werde dabei automatisch schneller. Die Piste lässt sich sehr gut fahren, trotzdem heißt es Obacht geben. Zwei ausgetrocknete Lehmpfützen hätte ich beinahe übersehen. In den jetzt steinharten Spurrillen kann sich dort leicht das Vorderrad verkanten und man fliegt über den Lenker.

An der Station angekommen, treffe ich einen bärtigen aber auch sehr wortkargen Mann. Er erzählt mir, dass er 400 km entfernt wohnt und hier nur drei Tage arbeitet. Ich fotografiere noch den Diesel tankenden Zug und dann geht es wieder zurück. Habe natürlich auch viel zu wenig Wasser dabei. Jetzt, da ich die Strecke kenne und weiß, was mich erwartet, kann ich die Dicke fliegen lassen. 120 km/h sind locker möglich. Dieser kleine Abstecher war eben mal 212 km lang. Und keiner davon war langweilig!

Aber es ist spät geworden, und ich muss eine Schlafmöglichkeit finden. In Eucla sind die ersten Buschcamps voller Löcher von großen Ameisen. Tausende von Löchern. Hier bleibe ich auf keinen Fall.

Es wird schon dunkel, und ich finde im letzten Augenblick im Nationalpark, in der Nähe einer alten verlassenen Telegrafenstation und eines im Endstadium verwesenden Kängurus einen Platz für mein Zelt. Der Wind rüttelt heftig daran, aber irgendwann schlafe ich ein.

Koala in Australien - www.bikeandtravel.deNächster Morgen. Nun geht es weiter Richtung Norseman, ca. 700 km. Drei Roadhäuser liegen dazwischen. Es ist Sonntag und recht viel Verkehr auf den Straßen. Naja, für australische Verhältnisse – alle 10 Minuetn ein Truck. 

Dann baut sich in der Ferne eine immer bedrohlicher werdende Gewitterfront auf. Die Straße führt mitten hindurch und nicht drum herum. Auch sind hier keine Bäume, die die Blitze evtl. abfangen könnten. Und es sind wirklich viele Blitze. Zum nächsten Roadhouse sind es ca. 25 km. Nicht wirklich weit. Ein Katzensprung könnte man meinen, mir kommen sie ewig vor. Aber ich komme heil an und sitze den Regen bei einem Kaffee aus. 

Wildlife in Australien - www.bikeandtravel.deIrgendwann verzieht sich auch dieser Sturm und ich fahre weiter. Bis zum nächsten Roadhouse, dann eine kurze Pause und weiter geht`s. Bis zum nächstem Roadhouse. Dort begegne ich einem anderen BMW-Fahrer (F 700 GS). Wir unterhalten uns kurz angeregt. Danach fährt er weiter in die entgegengesetzte Richtung und ich gehe auf die Toilette. 

Als ich wiederkomme, bemerke ich, dass mein TOPCASE fehlt! Ach du SCHEISSE! Mir wird ganz anders. Erst werde ich bleich, dann verkrampft sich der Magen, danach werden die Beine wie Butter. In dem Topcase waren mein Laptop mit über dreitausend Fotos sowie wichtige Daten, des weiteren alle meine Unterlagen. Pass, Carnet de Passage, int. Führerschein, int. KFZ-Schein, Flugticket, Zollbestätigung für die BMW, Unterlagen für die Verschiffung etc. Jetzt fängt es im Kopf an zu rotieren. Dies ist neben einem Unfall mit Verletzungen und Motorschaden das Zweitschlimmste was passieren kann.

Was ist passiert? Verloren oder Geklaut? Wo habe ich es zuletzt gesehen? Sofort zurück fahren und die Strecke absuchen! Das mache ich dann auch! Während ich also den Straßenrand absuche, läuft mein Gehirn auf Hochtouren. Was ist genau passiert? Was muss ich tun, falls ich das Topcase nicht wiederfinde? Und zwischendurch immer wieder „Ach du Sch …“ Die Frau beim ADAC meinte extra noch, „auf keinen Fall das Carnet verlieren“ sonst gibt es die 1500 € Kaution nicht zurück. Was ist mit dem Pass, muss ich zur Botschaft usw. usw.

Hini in Australien - www.bikeandtravel.deWann habe ich das letzte Mal das Topcase bemerkt? Ich habe doch Fotos vom Gewitter gemacht und auch Videos während der Fahrt. Damit könnte ich doch vielleicht den Umkreis etwas eingrenzen. So komme ich dann sorgenerfüllt wieder an dem vorangegangenen Roadhouse an und sehe den Rider von vorhin, beim Tanken. Ich erzähle ihm davon und er will seine Augen auf den Straßenrand richten. Er setzt seine Reise fort. Während ich nun wieder zurück zur letzten Station fahre, wo ich den Verlust bemerkt habe, um bis dorthin die andere Straßenseite abzusuchen. Wieder erfolglos. Wohlgemerkt, dies sind jeweils ca.70 km gewesen. Was jetzt? Die nächste Polizeistelle ist in Eucla. 365 km wieder zurück. Es nützt ja nichts, probieren muss ich es! Also im langsamen Tempo mit ca. 70km/h den Straßenrand absuchen. Natürlich frage ich auch an jeder Tankstelle ob etwas gefunden wurde. Leider erfolglos! Im Dunkeln treffe ich in Eucla ein und übernachte am selben Ort wie tags davor. Dort sehe ich mir die Bilder auf der Kamera genauer an und erkenne dabei, dass ich auf jeden Fall 120 km mit dem Topcase gefahren sein muss. D.h., es kann auch an einer Raststätte gestohlen worden sein. Nun endlich schlafen, mal schauen was der neue Tag bringt.

Montagmorgen, nach einer unruhigen Nacht geht’s zur Polizei. Eine überaus hübsche Polizistin mit mehr Schmuck als in Deutschland zulässig, nimmt sich meiner an. Nachdem sie alle Daten aufgenommen hat, bekomme ich eine kleine Visitenkarte mit der Registrierungsnummer ausgehändigt.

Danach heißt es für mich die gesamte Strecke auf der anderen Seite absuchen und dann noch ein Stück weiterfahren. Insgesamt habe ich nun ca. 700 km Strecke abgesucht. In deutschen Verhältnissen bedeutet dies, von Hamburg bis Stuttgart, und dabei möglichst nicht die Konzentration verlieren. Leider sind meine Bemühungen völlig erfolglos. Mir bleibt nur zu hoffen, dass es einen ehrlichen Finder gibt. Und keiner versucht meinen Laptop zu hacken. Die Passwörter zu den meisten Websites habe ich letzte Nacht schon mit dem Smartphone geändert.

Inzwischen bin ich in Norseman angekommen und muss mir überlegen wohin ich fahre. Die Entscheidung fällt auf Esperance. Dienstagvormittag komme ich dort an. Es ist leider ziemlich kalt mit 18°C und bewölktem Himmel. Leicht deprimiert sitze ich bei McDonalds, wärme mich auf und nutze den kostenlosen WiFi-Service. Alles irgendwie nicht so dolle im Augenblick. Da erreicht mich eine SMS. Jemand hätte meine „Belongings“ gefunden. Und ich möchte bitte zurückrufen. Yeaaah! Geil, ich wusste doch, dass ich mich auf meine Aussies verlassen kann. Hier klaut doch keiner. Jetzt geht alles recht schnell. Der Finder wohnt in Perth und von mir in Esperance aus, sind es bloß knapp 700 km. Wir verabreden uns und ich fahre los, wieder mit einem Ziel vor Augen. Unterwegs übernachte ich noch beim „Waverock“ und mache ein paar Fotos. In Gedanken bin ich aber ständig bei dem Topcase und dem Inhalt.

Hini in Australien - www.bikeandtravel.de Während David, der Finder, die Weihnachtsbeleuchtung bei 35°C montiert, komme ich um die Ecke gefahren. Er erzählt mir wo und wie er das Topcase gefunden hat. Er hat das Schloss geknackt und dort meine Telefonnummer entdeckt, dadurch konnte er mich ausfindig machen. Es ist alles da, auch meine stinkenden Socken. Ich möchte ihm 200 Dollar geben, aber er lehnt ab. Für ihn und wahrscheinlich die meisten Aussies wäre das selbstverständlich. So nötige ich ihn dazu, wenigstens 100 $ Finderlohn für ein paar kalte Bier zu nehmen. Für mich immer noch um ein vielfaches günstiger als den ganzen Ärger mit der Bürokratie und ein neuer Laptop.

Hini in Australien - www.bikeandtravel.de Was für eine Reise! Zwei Wochen zum Erholen bleiben mir ja noch.

Ach so, was ist denn nun genau passiert? Während ich bei starkem Wind und der Dunkelheit das Zelt aufstellte, habe ich nicht bemerkt, dass beim abschließen des Topcases der Riegel nicht richtig eingerastet war. Da die Verbindung mit der Grundplatte recht stramm ist, hat sich das Topcase so lange halten können.

Nachdem ich nun wieder alles beisammen habe und ein paar schöne Tage mit meinem Freund John und seiner Familie verbrachte, ging es wieder in den Flieger nach Hamburg. Der Abschied fiel mir wirklich schwer. Und wer weiss, ob wir uns jemals wiedersehen. Aber ich freute mich auch darauf meiner Familie und Freunden von den unglaublichen Abenteuern zu berichten. 

Fazit: Auch wenn mir unterwegs einiges passiert ist, würde ich diese Reise sofort wieder machen. Die unglaublich weiten einsamen Landschaften und die freundlichen Menschen sind es jedenfalls wert. Vielleicht aber dann mit einem leichterem Mopped. Ach so, laut MRT beim Arzt war der Rückenwirbel doch gebrochen.