aus Kradblatt 10/14
von Marcus Lacroix

 

Ausprobiert: Rukka Armaxis / Armaxion Kombination

Rukka Armaxis/Armaxion im TestAlle paar Jahre hatte ich bisher das Glück, eine der hochpreisigen Rukka Kombis nicht nur mal eben kurz sondern über einen längeren Zeitraum zur Probe fahren zu können. Im Alltag gewinnt man oft doch andere Eindrücke als bei einer kurzen Probefahrt beim Händler.

Nach den Modellen Armax (2007) und Armas (2010) ist es 2014 die Armaxis, die mich kleidet. Die Kombis liegen preislich alle in einem Rahmen, in dem einige Leser sich bereits an den Kopf tippen oder zumindest heftig schlucken. Sicherlich gehören diese aber auch nicht zu Rukkas angepeilter Zielgruppe. Die trifft man eher unter Motorradfahrern, die bestmögliche Sicherheit suchen ohne dabei auf den Euro zu achten. Bei 999 Euro für die Armaxis-Jacke und 599 Euro für die Armaxion-Hose darf man dann allerdings auch schon einiges verlangen.

Rukka Armaxis InnenjackeBei der ersten Anprobe werden manche Inte­ressenten das zweite Mal schlucken. Die Kombi besteht aus einem 3-Lagen Gore-Tex Pro Laminat, dass das Obermaterial bauartbedingt so richtig steif wirken lässt – also nichts mit „Sofortwohlfühlkuschelkombi“. Dazu kommt ein relativ hohes Gewicht, zu dem die neuen, angenehm flexiblen Rukka D3O air Gelenkprotektoren nicht unerheblich beitragen. Die Jacke bringt 3,6 kg, die Hose immerhin noch 2,5 kg samt Futter auf die Personenwaage. Bei zwei Personen mit Helm und sonstiger Fahrerausstattung sind 20 kg vom zulässigen Gesamtgewicht schon mal weg. Das wird allerdings bei wenigen Tourenfahrern ein K.o.-Kriterium sein.
Über die Armaxion-Hose brauchen wir nicht viele Worte machen. Sitzt gut, Tragekomfort ist sehr hoch, Lüftung am Oberschenkel funktioniert ganz ordentlich, eine Fronttasche ist o.k., eingeklettete Hosenträger drücken nicht, Antirutsch am Po, Verbindungsreißverschluss zur Jacke, als Normal-/Lang-/ Kurzgröße lieferbar, wasserdicht und atmungsaktiv sowieso. Alles supi also.

Bei der Armaxis-Jacke fallen neben den ansonsten klassenüblichen Ausstattungen ein paar Details auf und ehrlich gesagt tue ich mich hier mit einer Bewertung diesmal deutlich schwerer. Materialauswahl, Haptik und Verarbeitung sind wie von Rukka gewohnt sehr gut, da gibt es absolut nichts zu bekritteln.

Rukka Armaxis BündchenFür Regenfahrten wirklich gut gelöst sind die langen, vom Innenfutter unabhängigen, eng anliegenden Gore-Tex Stretch Manschetten an den Ärmeln. Die Handschuhstulpen werden unter der Jacke aber über den Manschetten getragen. Das schränkt die Handschuh-Auswahl etwas ein (Stulpenlänge) und die Tüdelei nervt bei häufigen Stopps. Ohne die Reißverschlüsse zu öffnen, bekommt man z.B. die empfehlenswerten Rukka Apollo Handschuhstulpen nicht unter die Ärmel bugsiert. Auf Langstrecke ist die Lösung hingegen super. An den Ärmeln fehlt allerdings eine Belüftung für heiße Tage, denn an den Bündchen kommt kein Windhauch rein. Und statt der 2-stufigen Weitenverstellung über Druckknöpfe für guten Protektorensitz hätte ich lieber stufenlosen Klett.

Das Innenfutter ist ein Windstopper, der als separate Jacke getragen werden kann. So spart man sich auf Reisen eine Extra-Jacke für den Abendspaziergang, mag sich Rukka gedacht haben. Diese Innenjacke ist nur an den Bündchen über Schlaufen und über zwei sehr kurze Reißverschlüsse mit der Außenjacke verbunden. Am unteren Saum fehlt eine Verbindung und dadurch habe ich mich wirklich jedes Mal beim Anziehen verheddert und musste die Innenjacke am Rücken glattziehen. So was nervt mich, da der Konstrukteur einfach nicht mitgedacht hat – ein oder zwei kleine Knöpfe hätten gereicht! Ein Befestigung nachzurüsten wäre möglich, in der Preisklasse aber keine wirkliche Option.

Lüftung geöffnetEbenfalls einfach schlecht konstruiert ist die Lüftung. Mal im Ernst liebe Rukka-Entwicklungsabteilung: wie kann man die Frontlüftung so ansetzen, dass sie von den eigenen Taschen verdeckt wird? Probiert ihr eure Sachen nicht auch mal in der Praxis aus? Schon auf den Bildern sieht man deutlich, dass das nicht richtig funktionieren kann. Speziell im Hochsommer bei entsprechenden Temperaturen kommt man mit der Armaxion trotz offener Rücken-Entlüftung und ohne Innenfutter auch auf einem Naked Bike schnell an die Wohlfühlgrenzen. Da hilft nur das leichte Öffnen des Front-Reißverschlusses, was dem Unfallschutz natürlich abträglich ist. Den Kritikpunkt Lüftung gab’s übrigens auch schon bei der Armas.

Lüftung geöffnet - wie soll da was reinkommen?Der abnehmbare Sturmkragen funktioniert ganz ordentlich, bei starkem Regen stößt er aber an seine Grenzen. Hier ist die Lösung der Firma Reusch mit der Regenkapuze, die unter dem Helm getragen wird, klar besser. Ein Gespräch mit einem erfahrenen Fachverkäufer ergab allerdings, dass die Kunden (also wir Motorradfahrer) die Kapuzen-Lösung nicht annehmen. Auch Regenbekleidung mit dem Feature lässt sich nach seiner Erfahrung kaum verkaufen. Sind wir echt so doof…?

Beim Frontreißverschluss setzt die Armaxis auf einen wasserdichten „Aquaseal“ Verschluss von YKK statt wie die Armas auf den vielfach gescholtenen Gore Lockout Closure (mit dem ich persönlich nie Probleme hatte!). Im täglichen Handling punktet ganz klar der einfach zu bedienende YKK. Definitiv ein echter Fortschritt!

Rukka Armaxis ProtektorDie beiden nicht wasserdichten Fronttaschen mit Magnetschnappern gefallen mir nicht, da man sich verrenken muss um von oben hineinzugreifen. Der seitliche Eingriff wie bei der Armas ist sinnvoller. Bei Magnetverschlüssen traue ich mich auch nie, dort ein Portemonnaie mit EC-Karte zu verstauen aus Angst diese zu beschädigen.

Unterm Strich sieht der aufmerksame Leser schon: So richtig begeistert hat mich persönlich die Rukka Armaxion Jacke nicht, die Armas gefiel mir besser. In dieser Preisklasse erwarte ich einfach besser konstruierte Detaillösungen! Die Armaxion sammelt vor allem im Langstreckenkomfort sehr viele Punkte, wie ich bei einer Popoburner-Tour von Oldenburg nach Bregenz am Bodensee und zurück in zwei Tagen erfahren durfte. Für den Hochsommer und Kurzstreckenfahrten ziehe ich lieber Alternativen aus meinem Kleiderschrank.

Rukka auf Reisen - sitzt klasse...Meine Empfehlung: Geht unbedingt in den Fachhandel und lasst euch ausgiebig beraten und vergleicht vor Ort unterschiedliche Jacken, da die Ansprüche und Erwartungen bei Nutzern ja stark variieren. Übers Netz würde ich so teure Kleidung sicher nicht kaufen. Achtet beim Vergleich vor allem auch auf die unscheinbareren Details und nicht nur auf die Farbe. Was mich persönlich stört, ist anderen womöglich völlig schnuppe. Gerne dürft ihr diesen Artikel auf unserer Website um eure Erfahrungen ergänzen…