aus bma 3/12 – Reisebericht

von Thomas Franck

Enfield Diesel in Marokko am Erg-ChebbiIch werde oft mit ungläubigen Blicken „be­staunt“, wenn ich erkläre, dass mein Motorrad nur 11 PS und einen Dieselmotor hat. In einer Zeit, wo manche die Leistung ihrer Mopeds nur noch unter Mitwirkung eines Chips ohne aufsetzenden Lenker auf die Straße bekommen, eher atypisch. Andererseits muss man sich die Frage gefallen lassen, ob es in einer Zeit ständig steigender Kraftstoffkosten, zunehmender Verkehrsdichte und immer dichterer Überwachung wirklich noch Spaß macht, einen M5 oder eine ZX-10R zu besitzen. Die halbwegs legalen Ge­schwin­digkeiten mit solchen Geräten langweilen mich aufs Tiefste. Nachdem ich letztes Jahr die Sommer Diesel 462 in DIE (Frankreich) ausgiebig erprobt hatte, (bma 6/ 2011, <hier> nachzulesen) sollte diese Tour etwas anspruchsvoller werden: Marokko.

Um die Kosten überschaubar zu halten entschloss ich mich zu Campen. Das Gepäck verteilte sich in den Tankrucksack, die beiden Ortlieb Motorrad-Taschen und eine Gepäckrolle. Mit Er­satzteilen war ich bei gut 28 Kilogramm. Da hier von der Thermounterwäsche über Zelt, Isomatte, Regenkombi alles dabei war, gar nicht mal so schlecht. Natürlich musste etwas minimalistisch gepackt werden, bei 11 Diesel PS. Mein Schweizer Tourguide und fundierter Landeskenner, ebenfalls mit einer Sommer Diesel unterwegs, war für die Strecken­plan­ung zuständig.

Dominik-GigerAm 25. September startete ich morgens in Hachenburg, traf mich nach etwa 100 Kilometern mit meinem Bekannten und es ging los. In der Nähe von Basel besuchten wir zuerst den über 80-jährigen Dominik Giger und dessen beeindruckende Sammlung exklusiver Oldtimer. Bei Jörg konnten wir dann umsonst übernachten, bekamen auch noch ein gratis Abendessen, DANKE!

Am nächsten Tag fuhren wir dann bei bestem Wetter entspannt über den alten Gotthard Pass nach Genua. Nach kurzer Suche fanden wir das Buchungscenter und hatten die Karten für die Fähre – mit 165 Euro auch noch fast der Internet Preis. Mit mehrstündiger Verspätung kam das Schiff dann auch an, den langwierigen Prozess des Entladens (stundenlang passierte nichts) muss man als Deutscher wohl nicht verstehen. Immerhin nutzte ich die Zeit um mich mit 2 Österreichern zu unterhalten, ihre professionell hergerichteten 600er Ténérés begeisterten mich. Gegen Mitternacht waren wir dann doch schon in unserer Vier-Bett-Kabine, erfreulicherweise blieben wir zu zweit.

Zur Überfahrt gibt es nicht viel zu sagen, zwei Nächte auf der Fähre sind einfach nur langweilig, glücklicherweise hatte ich mich vorher mit Getränken und Verpflegung eingedeckt, die Preise auf dem Kahn waren schon happig. Organisation der Passabfertigung war ebenfalls begeisternd: 9:00 Uhr da, 13:00 Uhr „schon” fertig. Aufgrund der massiven Verspätung kamen wir erst in der Dunkelheit in Tanger an, daher entschlossen wir uns, nicht wie geplant nach Chefchauen zu fahren, sondern übernachteten mit den Österreichern zusammen auf dem Parkplatz innerhalb des abgezäunten Zoll Bereiches. Michaels Benzinkocher erhitzte die improvisierte Suppe aus Resten von Salami, Tomaten usw. – schmeckte hervorragend. Mit Ohrenstopfen war der Lärm der Lkw halbwegs erträglich und so 2-3 Stunden habe ich wohl geschlafen.

Fes am Abend - Enfield Diesel in MarokkoAm nächsten Morgen wurde in Tetouan gefrühstückt, die Österreicher waren natürlich längst über alle Berge. Chefchauen blieb links liegen, über Ouezzane ging es eine traumhafte Strecke zum Camping in Fes. Dieser ist ein Treffpunkt aller möglichen 2- und 4-rädrigen Touristen. Die sanitären Anlagen sind ok, eine Gottesanbeterin im Waschbecken habe ich bis dahin aber auch noch nie erlebt. Die ist gut gegen Ungeziefer.

Am nächsten Tag fuhren wir erst mit dem Bus nach Fes, von dort aus mit dem Taxi in die Altstadt. Nun bin ich nicht wirklich der Fan von super engen Gassen, Gedränge und unzähligen Menschen, die mir etwas verkaufen wollen, trotzdem hat das Ganze einen gewissen Charme. Nach dem obligatorischen Café au Lait und einem Croissant ging es dann ins Getümmel. Zuerst ließ ich mich rasieren, der Friseur schaffte das ohne Verletzungen mit dem Rasiermesser und erinnerte mich an einen alten Bud Spencer Film. Optisch 10 Jahre verjüngt besuchten wir dann die Gerberei. Der Geruch, besser gesagt Gestank, ist schon heftig. Natürlich hatten wir sofort einen selbsternannten Reiseführer an der Backe, natürlich kann ich verstehen, dass die auch ihr Geld verdienen müssen, aber es gibt Grenzen. Das läuft immer nach dem gleichen Ritual ab: „20 DH, pro Person, für mich und meine 3 Brüder”. Mit den angebotenen 10 DH pro Person war er nicht einverstanden, also ging ich weiter und machte meine Bilder. Das führte zu einer einseitigen und lautstark geführten Beschimpfung, glück­licherweise verstand ich nichts. Den Versuch, sich mir in den Weg zu stellen, gab er dann schnell auf, vermutlich war mein Gesichtsausdruck ziemlich eindeutig. Gegen Mittag hatte ich genug gesehen und fuhr mittels Taxi und Bus zurück zum Camping, erkundete nachmittags die Randbereiche von Fes mit dem Motorrad. Dank Navi kam ich auch problemlos zum Zelt zurück.

Gerberei in Fes - Enfield Diesel in MarokkoAm nächsten Tag starteten wir dann um 7:00 Uhr Richtung Azrou. Kurz vor der Ortschaft trafen wir einen BMW F 800 GS Fahrer, der dann, völlig begeistert von unseren exotischen Mühlen, mit uns in die Ortschaft fuhr. Unser, anscheinend stark marokkanisch geprägter Fahrstil und die Ignoranz eines Durchfahrt Verboten Schildes (stand letztes Jahr noch nicht da, sagte mein Begleiter), führten dazu, dass er uns kaum hinterher kam. Mein beruhigender Spruch: „am Motorrad liegt es nicht”, gab ihm dann den Rest, er bezahlte bereitwillig die Kaffee Runde.

Wir fuhren weiter Richtung Süden, auf einer unbefestigten Piste. Erster bis dritter Gang maximal. Mehrfach hatte ich meine Zweifel, ob der Weg überhaupt weitergeht. Allerdings kamen uns immer wieder mit Baumstämmen beladene Lkw entgegen. Etwa um 17:00 Uhr, nach ungefähr 60 Kilometern, war dann klar: vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir keinen Asphalt mehr. Also suchten wir uns auf 1900 Meter Höhe einen geeigneten Platz zum Campen. Dummerweise hatte keiner Streichhölzer oder ein Feuerzeug dabei (schwerer Anfängerfehler), ab 19:00 Uhr war es dann absolut dunkel. Interessante Insekten beeindruckender Größe krabbelten über das Innenzelt, glücklicherweise außerhalb. Irgendwann gegen 2:00 Uhr wachte ich auf. Laute Männerstimmen, ein Lkw-Motor und minutenlanges Geschrei einer Ziege von der etwa 100 Meter entfernten Piste. So genau wollte ich dann doch nicht wissen, was der Ziege widerfahren ist. Den Rest der Nacht schlief ich dann ganz gut. Am nächsten Tag hatten wir dann noch mal etwa 50 Kilometer Piste bis zum Asphalt.

Pause in Zaida - Enfield Diesel in MarokkoAfrika, da kommen immer die Bilder mit Wüste & Sanddünen in mir hoch. In Marokko gibt es nicht wirklich viel Wüste, aber immerhin, einen kleinen Sandkasten hat das Land doch zu bieten: Erg Chebbi. Geplant war eine Tour um die Dünen, die hatte ich mir auf das Garmin geladen. Dubioser Weise war die Route verschwunden. Nunja, das liegt meistens am Bediener, seltener am Gerät. Also wurde etwas improvisiert und losgefahren.

Die Piste hatte sehr unterschiedliche Eigenschaften, von glatt bis Wellblech, teilweise sehr steinig. 120 mm Federweg sind nun nicht der Brüller für gröbere Löcher – eine Sommer 462 ist keine Enduro. Langsamfahren ist Mist, 70 km/h gehen auch, aber dann darf dann nichts kommen. Tiefere Sandpassagen führten mehrfach zu interessanten Fahrmanövern. Ein Maroc kam mit seinem Mofa angedüst und erklärte uns, auf der Route kämen wir mit unseren Motorrädern nicht durch. Ich schaue mir den Burschen so an und denke mir: Da stehst du mit deiner 1,5 PS Möhre und willst mir, Fahrlehrer aller Klassen, Ex Trial- und Enduro-Lizenz-Fahrer erklären wo ich durchkomme! Ha, Ha, Ha. Natürlich bedanken wir uns höflich und fahren in der ursprünglichen Richtung weiter, ungefähr 2000 Meter, dann war Schluss mit Lustig. Tieferer Sand, da geht mit der Diesel nur noch im 1. Gang was. Dann fehlt allerdings der Speed, um die Räder zu stabilisieren, Grummel Grummel! Ab und zu ist es doch hilfreich, auf die Tipps der Einheimischen zu hören…

Grenzen der Sommer - Enfield Diesel in MarokkoWir fuhren dann wieder Richtung Asphalt, mein Begleiter mit etwas dickerem Hals, weil ich keine Ambitionen mehr auf Sandkasten hatte. Sein bis dahin eigentlich Material schonender Fahrstil wandelte sich dann um in Vierter-Gang-Vollgas auf der Wellenpiste. Ich war eigentlich überrascht, was der Rahmen und die Räder so aushalten. Dann versagte sein 60 Jahre alter Schweizer Militärtornister, der auch eher für den Rücken von Soldaten konzipiert war. Am nächsten Tag befestigte ich mein loses Rücklicht, holte mir eine neue Birne, wechselte den Simmerring des Gabel­stopfens – wo gehobelt wird, fallen halt Späne.

Erwähnenswert ist sicher das Tanken. In Marokko sind Motorradfahrer definitiv am unteren Ende der Nahrungskette angesiedelt. Es gibt überwiegend Mofas und 125er Honda-Klone aus chinesischer Produktion. Das sollte man beherzigen, denn Pkw-Fahrer ziehen gnadenlos direkt vor einem raus. Nicht aus bösem Willen, einfach weil sie dich nicht auf der Pfanne haben. Hupen ist Selbsterhaltung. An den Tankstellen musste ich immer um die Dieselzapfpistole kämpfen. Die Tankwarte konnten nicht glauben, dass ein Motorrad mit Diesel fährt. Das führte immer zum Auflauf um die Säule. Mein Standartspruch „ICH TANKE IMMER DAS BILLIGSTE!”. Liter Diesel = 70 Cent.

Abendspaziergang  - Enfield Diesel in MarokkoDie Rückfahrt von Tanger nach Genua kostete dann 200 Euro gut 30 Euro über dem Internetpreis, aber der Security, der uns ins Office zerrte, will ja auch leben…

In Genua trennte ich mich von meinem Begleiter, auf der Autobahn fahre ich lieber meinen eigenen Stil. 13 Stunden für 906 Kilometer, inklusive Gotthard Tunnel, diversen Regengüssen, Staus und zwei Espressi später in Hachenburg hatte es dann +3 Grad und ich langsam genug.

Fazit: 6500 Kilometer, Schnittverbrauch 2,3 Liter Diesel auf 100 Kilometern, 0,2 Liter Motorenöl, wirkliche Defekte keine. Der kürzer übersetzte erste Gang (14/26 anstelle 15/25), den ich nach DIE einbauen lies, hat sich bestens bewährt. Circa 1000 Euro für 4 Wochen inklusive Fähre, Sprit, Camping, Hotel, Fressalien, Maut, geht auch für einen Schwaben in Ordnung! Wird Zeit fürs Frühjahr, es kribbelt schon wieder..

PS.: Einen ausführlicheren Bericht und mehr Bilder findet ihr in meinem Blog: http://oldman54.blogspot.com/