aus bma 12/02

von Bernd Vehlow

Isle of manEin Besuch der legendären Tourist Trophy auf der Isle of Man gehört zu den großen Träumen jedes Motorradfahrers. Nachdem die Rennen im Vorjahr aufgrund der Maul- und Klauenseuche abgesagt worden waren, hieß es vom 25. Mai bis zum 7. Juni 2002 wieder : „It’s TT-Time”.
Die Isle of Man (IOM) liegt in der Irischen See zwischen England und Irland. Sie ist 53 Kilometer lang und 20 Kilometer breit. Das Symbol der Isle of Man sind die drei Beine, ein altes keltisches Symbol, auch Triskel genannt.
Mit den Reisevorbereitungen sollte schon rechtzeitig begonnen werden, sind doch die raren Unterkünfte sowie die begehrten Fährtickets schnell vergriffen. Im Falle einer zu späten Buchung muss man dann auf unattraktive Ausweichtermine umdisponieren. Als eingefleischter Inselfan bucht man am besten bereits ein Jahr im Voraus.
Am 28. Mai um 10 Uhr sind unsere Pferdchen gesattelt. Franky fährt seine 900er Fireblade und ich mache mich mit meiner betagten 450er Suzuki auf den Weg. Während wir in den vergangenen Jahren die Überfahrt von Rotterdam nach Hull (Mittelengland) über die Fährgesellschaft P&O gebucht haben, probieren wir diesmal die ebenfalls sehr zu empfehlende Route Amsterdam – Newcastle (Nordengland) der Reederei DFDS aus.

 

Unter Deck versucht jeder Motorradfahrer sein geliebtes Bike mit zahlreichen Seilen und Spanngurten zu verzurren – es herrscht ein großes Durcheinander. Ich habe es noch nicht erlebt, dass ein Bike aufgrund der rauen See unter Deck umgekippt ist. Da kann es schon eher passieren, dass man am nächsten Morgen im verkaterten Zustand vergisst, eines der Bänder vom Bike zu lösen und sich beim Losfahren vor allen Anwesenden auf den Pinsel packt. Empfehlenswert ist es, mit dem Fährticket gleich das reichhaltige und köstliche Abendbuffet sowie das Frühstück für den nächsten Morgen mit zu buchen.
Am nächsten Morgen um 9 Uhr englischer Zeit geht es dann mit dem Bike weiter. Um von Newcastle quer durch England zum kleinen Fährhafen Heysham an der Westküste des Königreichs zu gelangen, sollte man sich nicht zu viel Zeit gönnen. Wir haben fünf Stunden bis zur Fährabfahrt. Mit nur einem notwendigen Tankstopp und ohne uns zu verfahren erreichen wir Heysham aber pünktlich.
Bei unserer Ankunft im Hafen wartet unsere Fähre – die „Lady of Mann” – schon, um die zahlreichen Motorräder in ihrem Bauch aufzunehmen. Das Festzurren der Motorräder übernimmt hier professionelles Personal. Man sollte nicht vergessen, seine Sitzbank durch ein altes Handtuch zu schützen, denn die kräftigen Hände der Bediensteten spannen die Motorräder derart über der Sitzbank fest, dass keine Rücksicht auf das in die Jahre gekommene Kunstleder des Bezuges genommen wird.
Unvergessen ist mir ein dreistündiger Aufenthalt auf der Bordtoilette während der Fährpassage durch die aufgewühlte irische See im Jahre 1998. Seitdem gehören Kaugummis gegen Reisekrankheit stets in meine Fahrerjacke. Doch in diesem Jahr herrscht ruhige See und wir kommen wohlbehalten nach dreieinhalbstündiger Fahrt im Hafen von Douglas, der Hauptstadt der Isle of Man, an.
Unsere Bed & Breakfast-Unterkunft liegt in Braddan, einem Vorort von Douglas. Das Quartier ist aus den Vorjahren geerbt und unsere Gastmutter begrüßt uns mit einem Schmatzer auf die Wange aufs Herzlichste. Wie immer sind wir im Kinderzimmer des Sohnes untergebracht.
Dwight Mitchell (USA) auf MV Agusta 750Die Tourist Trophy findet seit dem Jahr 1907 auf der Isle of Man statt. Während bis 1910 auf einem kleinen Kurs bei St. Johns gefahren wurde, finden die Rennen seit 1911 auf dem „Mountain Course” statt. Er erstreckt sich über die halbe Insel und hat eine Länge von 37,73 Meilen (ca. 60 Kilometer). Der Kurs muss je nach Rennen bis zu sechsmal umrundet werden. Der Mountain Course ist außerhalb der Rennen eine ganz normale Straße. Vom Traktor bis zum Schulbus rollt der ganz gewöhnliche Straßenverkehr. Deutsche Motorradfahrer werden durch zahlreiche Hinweisschilder immer wieder an das Linksfahrgebot erinnert. Es gibt zwar noch einige Abschnitte, an denen außerhalb geschlossener Ortschaften keine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt, das ist aber die absolute Ausnahme. Der Kurs führt durch Ortschaften vorbei an Steinmauern, Bäumen und Felswänden. Außerdem ist eine Bergsektion zu durchqueren. Etwa 30 Minuten vor Trainings- bzw. Rennbeginn wird dann die Straße für die Öffentlichkeit gesperrt. Die Tourist Trophy gliedert sich in eine Trainingswoche und eine Rennwoche. Das erste Rennen findet am Samstag zwischen Trainings- und Rennwoche statt. Weitere Renntage sind Montag, Mittwoch, und Freitag. Es kann aber auch vorkommen, dass einzelne Rennen wegen schlechten Wetters auf den folgenden Tag verschoben werden.
Die Rennen werden nicht wie anderswo üblich per Massenstart begonnen, sondern die Fahrer werden einzeln im Zehn-Sekunden-Takt auf die Strecke gelassen. Um den Überblick zu behalten, welcher Fahrer das Rennen anführt, ist es vorteilhaft, ein kleines Transistorradio dabei zu haben. „Radio TT”, ein eigens zur Tourist Trophy eingerichteter Sender, informiert über den Stand im Rennen.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die diesjährige TT erstmals ohne den am 2. Juli 2000 bei einem Rennen in Tallin tödlich verunglückten Joey Dunlop stattfand. Joey Dunlop, der „King of the Mountain”, führt die Liste von TT-Siegen mit unerreichbaren 26 Erfolgen an. Eine gesonderte Ausstellung im Manx Museum in Douglas und eine während der diesjährigen TT eingeweihte Statue am Bungalow (Streckenpunkt in den Bergen) erinnern an diesen Ausnah- mefahrer.
Erfolgreichster Teilnehmer der Tourist Trophy 2002 ist David Jefferies. Der aus Yorkshire stammende Jefferies fährt für Suzuki Siege in den Klassen Formula 1, Production 1000 und der Senior TT ein. In der 600er-Klasse hat er weniger Erfolg. Es siegt der Schotte Jim Moodie auf Yamaha in der Junior 600 TT und Ian Lougher holt sich in der Production 600 TT auf seiner Suzuki den ersten Platz.
Besondere Begeisterung herrscht immer dann, wenn heimische Fahrer von der IOM vorn mit dabei sind. So kann Richard „Milky” Quayle aus Douglas den Sieg in der Lightweight 400 TT für sich verbuchen. Dave Molyneux (IOM), der in den Vorjahren sieben Siege erzielen konnte, muss sich mit seinem Beifahrer Colin Hardman im Sidecar Race „B” mit dem zweiten Platz zufrieden geben. Sieger in den Läufen Sidecar „A” und „B” wird Rob Fisher mit seinem Co-Piloten Rick Long.
Burn-outDer Sonntag zwischen Renn- und Trainingswoche ist der „Mad Sunday”. An diesem Tag wird für ein paar Stunden das Stück des Rennkurses von Ramsey bis Creg-ny-Ba als Einbahnstraße ausgewiesen und jedermann kann sich als Rennfahrer betätigen. Jeder sollte für sich entscheiden, ob er an diesem Spektakel teilnimmt. Auch wenn man selbst mit halbwegs vertretbarer Geschwindigkeit unterwegs ist, so ist man dennoch den Fahrkünsten der Fahrer ausgesetzt, die es wirklich wissen wollen. Oftmals lassen die ersten Krankenwagen nicht lange auf sich warten. Abends strömen dann alle in Scharen zur Promenade in Douglas. Neben dem Bushy’s-Zelt (Bushy’s ist die beliebteste Brauerei der Isle of Man) ist Streetparty angesagt. Rennen mit Minimotorrädern, Trialvorführungen, Streetfighterartisten und Straßentheater gehören diesmal zum Rahmenprogramm. Ich ziehe das Programm der Vorjahre vor, das von den Besuchern selbst organisiert wird: Von der johlenden zuschauenden Menge animiert und angefeuert, findet sich immer ein Akteur, der den Hinterreifen seines Bikes in Form eines Kreises auf dem Asphalt verteilt. Trotz erheblichen Alkoholgenusses unter den Anwesenden habe ich nie Ausschreitungen oder Schlägereien erlebt. Alles ist eben ein großes Fest und die anwesenden Polizisten sind total relaxt und belassen es, wenn nötig, bei Ermahnungen.
Wer von all dem Renntrubel genug hat, braucht nur wenige Meter abseits der Hauptstraßen auf Erkundungstour zu gehen. Unterschiedliche Küstenformen und Landschaftsstile prägen das Gesicht der Insel. Während der Norden eher norddeutsch flach ist, beeindruckt der mittlere und südliche Teil mit seiner hügelig bis bergigen Landschaft. Die Küste fällt im Süden in Form von felsigen Klippen zum Meer hin steil ab.
Überall auf der Insel haben einstige Bewohner ihre Spuren hinterlassen. Das Spektrum der Sehenswürdigkeiten reicht von Grabstätten aus der Wikingerzeit über mittelalterliche Burgruinen bis hin zu Bauwerken aus viktorianischer Zeit.
Isle of man An der nördlichsten Spitze des Eilands befindet sich der Point of Ayre: Der gesamte Strand besteht hier aus Kieselsteinen und der in klassisch rot-weiß angestrichene Leuchtturm ist ein Muss für jeden Hobbyfotografen. Die höchste Erhebung der Insel ist der 621 Meter hohe Snaefell. Es fährt sogar eine historische Eisenbahn auf den Berg, die beim Anstieg den Rennkurs kreuzt. Außerhalb der Rennen macht ein Bediensteter durch Schwenken einer Flagge auf den querenden Zug aufmerksam.
Eine weitere Attraktion befindet sich in Laxey im Osten. Hier steht die „Lady Isabella”, das mit 22,5 Metern Durchmesser größte Wasserrad der Welt. Es wurde 1854 von der Frau des damaligen Gouverneurs, einer gewissen Lady Isabella Hope, eingeweiht. Es diente dazu, das Wasser aus den 2000 Fuß tiefen Minen zu pumpen. Obwohl die Mine schon 1929 ihren Dienst eingestellt hat, dreht sich das Rad bis heute.
Zu den Besonderheiten der Isle of Man gehören außerdem die „Manx-Cats”, die mit etwas Geduld auch vors Objektiv zu bekommen sind. Diese Katzenrasse besitzt naturgemäß keinen Schwanz. Der Legende nach wurde dieser den armen Tieren beim Überqueren des Rennkurses von den pfeilschnell herannahenden Motorradfahrern abgefahren.
Eine andere nette Legende rankt sich um die Fairy Bridge. Diese Brücke überfährt man, wenn man von Douglas in südlicher Richtung unterwegs ist. Wäre kein Hinweisschild aufgebaut, so würde man ahnungslos an der Überführung vorbeifahren. Unter ihr sollen der Überlieferung nach kleine Kobolde, sogenannte Small People, hausen. Immer, wenn man die Brücke überquert, so ist man der Sage nach angehalten, die Small People zu grüßen. Dieser Gruß soll dem Grüßenden stets Glück bringen und die Kobolde sorgen dafür, dass man in naher oder ferner Zukunft die Insel wieder besuchen wird. So stoppen wir auch in diesem Jahr wieder an der Fairy Bridge und grüßen die „kleinen Leute”. Denn auch zukünftig soll vom Besuch der Tourist Trophy auf der Isle of Man nicht nur geträumt werden.